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Auf dem Vormarsch

Um Entstehung und Verbreitung von Asthma und Allergien zu untersuchen, haben Ärzte im Rahmen der Studie "Isaac" zwei Jahrzehnte Allergiker begleitet - weltweit. Die beiden deutschen Studienzentren waren Münster und Greifswald.

Von Katja Bothe | 26.04.2011
    "Ich hab so eine Asthmatik seit 15 Jahren, die eben allergisch bedingt ist, Hausstauballergie, Haarallergie."

    "Mal rote Pusteln, mal verschwinden die wieder."

    "Und je nachdem, wie die Pollen so sind. Manchmal hab ich ein Jahr Ruhe, und dann wird's ganz schlimm. Dies Jahr war's ziemlich extrem mit dem Pollenflug wohl und das geht dann direkt auf die Bronchien und auf die Lunge und dann krieg ich ganz schlecht Luft."

    "Besonders wenn's frisch geschnitten ist, dann kann ich nicht aufm Gras liegen, dann krieg ich direkt Quaddeln auf der Haut."

    Heuschnupfen, Ausschläge, Juckflechte: Allergien sind auf dem Vormarsch. Das bestätigt auch eine gerade beendete weltweit durchgeführte Studie an zwei Millionen Schulkindern, die zu einigen erstaunlichen Schlüssen kommt. Koordinator für die beiden deutschen Studienorte Münster und Greifswald war Prof. Ulrich Keil, ehemaliger Direktor des Instituts für Epidemiologie der Universität Münster.

    "Asthmatische und allergische Symptome hängen offenbar mit der Verwestlichung zusammen. Das heißt in Industrieländern wie zum Beispiel Großbritannien, USA, Neuseeland, Australien, in diesen Ländern haben wir die höchsten Raten an Asthma und Allergien bei Jugendlichen gefunden."

    In Entwicklungs- und Schwellenländern in Afrika oder Asien sind Allergien dagegen fast unbekannt. Diese Erkenntnis hat einen ehemaligen Kollegen des Wissenschaftlers zu der ironischen Bemerkung veranlasst, die englische Sprache sei Voraussetzung, Allergien zu bekommen.

    "Der größte Unterschied in Europa war zwischen Albanien und England. 30 Prozent in England Asthmasymptome und nur drei Prozent in Albanien."

    Schuld daran ist natürlich nicht die englische Sprache. Sondern, so vermuten die Wissenschaftler, die übertrieben saubere und sterile Lebensweise in Industrienationen und die Ernährung. Die Internationale Studie "Asthma und Allergien in der Kindheit", kurz ISAAC wurde in 106 Ländern durchgeführt. Sie zeigt, dass zum Beispiel gestillte Kinder weniger Allergien haben als Kinder, die Milch aus der Flasche bekommen haben. Auch Bewegung und eine gesunde, naturverbundene Lebensweise der Eltern spielen eine Rolle. Prof. Ulrich Keil:

    "Wenn Kinder in Familien waren, in denen vernünftig gegessen wurde, keine Hamburger gefuttert wurden, dann hatten sie weniger Asthma und Allergien, auch aus Haushalten, in denen nicht geraucht wurde."

    Gut gegen Allergien ist fast alles, was auch gut ist gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Wenig Fleisch zum Beispiel, viel Obst und Gemüse, gesunde Öle wie Raps- oder Olivenöl statt Butter oder Margarine. Interessant übrigens, dass in Ostdeutschland Allergien seltener sind als in Westdeutschland. Als Grund dafür vermutet der Experte, dass die Kinder im Osten sehr früh schon in die Krippen gehen, wo sie mit Keimen konfrontiert werden und so eine bessere Immunabwehr entwickeln. Auf lange Sicht glaubt Prof. Ulrich Keil, dass Allergien als Menschheitsgeißel auch wieder verschwinden könnten:

    "Ich glaube, dass wir wirklich was gegen Asthma und Allergien tun können, indem wir uns vernünftig ernähren, das heißt dass wir uns mehr an das Vorbild der mediterranen Kost halten, und dann kann man schon die Prognose wagen, dass Asthma und Allergien zurück gehen."