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Auf den Spuren des Paten

In Werner Köhlers Roman "Crinellis dunkle Erinnerung" begibt sich der gleichnamige Kölner Hauptkommissar ins Milieu der kalabrischen Drogenmafia. Der dritte Crinelli-Band ist, wie seine Vorgänger, ein solider und fesselnder Krimi.

Von Sacha Verna | 21.10.2009
    Wenn Krimihelden auf Reisen gehen, ist das immer eine angenehme Sache. Angenehm nicht für die Helden, die ja hart arbeiten. Und die Toten, um die es bei deren Ausflügen meistens geht, packen sowieso längst keine Koffer mehr. Angenehm sind Expeditionen im Namen von Mord und Totschlag allein für die Leser. So soll's auch sein.

    Dass sich Kriminalromane hervorragend als Städte-, Länder und Landschaftsführer eignen, liegt an ihrer Perspektive. Städte, Länder und Landschaften interessieren die Protagonisten nämlich nicht. Womit sie sich beschäftigen, sind die Leute, die diese bevölkern. Das ist viel spannender. Dies umso mehr, als ein Ermittler, egal, ob in offiziellem oder inoffiziellem Auftrag, sich zu sämtlichen Bevölkerungsschichten Zugang zu verschaffen vermag. Zugang zu jenen Menschen also, die man nicht beim Begaffen des Eiffelturms trifft oder beim Verunzieren des Taj Mahal.

    Im Fall von Werner Köhlers jüngstem Krimi führt der Abstecher nach Kalabrien. "Crinellis dunkle Erinnerung” ist Köhlers dritter Roman mit Jerry Crinelli, dem Kölner Hauptkommissar, der bei seinem ersten Auftritt, "Das Mädchen vom Wehr” eigentlich den Ausstieg plante, bloß um dann eine Leiche praktisch vor der eigenen Haustür vorzufinden. Ans Aussteigen denkt Crinelli auch während seines neuen Abenteuers wiederholt.

    Daheim in Köln wird auf den Pollerwiesen ein Mann gefunden, dem man den Kopf weggeschossenen hat. Der Mann erweist sich als Mafioso. Kalabriens Mafia ist nicht ganz so bekannt wie die sizilianische, aber nicht minder umtriebig, was den Drogenhandel betrifft. Den Drogenhandel in Köln. Also fährt Crinelli nach Morano Calabro, der Hochburg der Paten des weißen Pulvers in jenem südlichen Zipfel Italiens.

    Dass sich Crinelli nicht für die Schönheit dieses berühmten uralten Bergdorfes erwärmen kann, hängt einerseits mit den Temperaturen zusammen. Es ist Winter und geradezu unanständig kalt da oben. Andererseits ist daran Crinellis Familie Schuld, die ihre Wurzeln in ebendiesem Bergdorf hat. Und mit seinen Wurzeln hat Crinelli ein Problem. Daran ändert auch das Festmahl nichts, das der mächtigste Clan des Ortes zu seinen Ehren ausrichtet. Mit der Beschreibung dieses Banketts stellt der Autor die Gelage der Corleones zwar nicht in den Schatten. Mit ein bisschen Hilfe von Marlon Brando und Al Pacino hätte er allerdings echte Chancen dazu.

    Um es vorwegzunehmen: Jerry Crinelli löst sein Familienproblem nicht. Den Fall hingegen schon. Aber auch den keineswegs problemlos. Dafür sind zu viele Parteien involviert. Zu den Italienern kommen die Russen, die Spanier und sogar die Schweizer. Werner Köhler ist kein übermäßig origineller Erzähler. Zum Glück. Er reißt keine Witze, wo keine nötig sind, und bemüht keine Metaphern, wo die Präsentation nackter Tatsachen genügt. Sein Kommissar ist ein Schwerenöter, doch trägt er seinen Weltschmerz nicht annähernd so plakativ zur Schau wie gewisse seiner nordischen Kollegen. Außerdem erklärt einem in Köhlers Krimis immer mal wieder jemand den aktuellen Stand der Dinge. Bei einer so vertrackten Angelegenheit wie dieser multinationalen Verbrecherjagt ist man für derlei Unterstützung durchaus dankbar. "Crinellis dunkle Erinnerung” ist ein solider Kriminalroman, im besten, wirklich im allerbesten Sinn des Wortes. Mit einem kalabrischen Bonus natürlich. Und wer sich den entgehen lässt, ist selber schuld.

    Werner Köhler: Crinellis Dunkle Erinnerung. Kriminalroman. Kiepenhuer & Witsch Verlag, Köln 2009. 470 Seiten. 9.95 Euro.