Dienstag, 23. April 2024

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Auf den Spuren Draculas

In den rumänischen Karpaten soll Dracula sein Unheil getrieben haben, jedenfalls nach dem Roman Bram Stokers. Heute bringt der blutrünstige Vampir Geld in die Kassen von Hotels und Restaurants, die den Horror-Tourismus geschickt ausnutzen. Viele Rumänen wehren sich jedoch gegen die Kommerzialisierung. Für sie ist das historische Vorbild Draculas, Vlad der Pfähler, ein Nationalheiliger.

Mit Reportagen von Keno Verseck, Moderation: Bettina Nutz, Redaktion: Thilo Kössler | 22.11.2008
    Eine Bäuerin in den rumänischen Karpaten, die den wahren Dracula verehrt:

    "Dracula, Vlad der Pfähler, ein Vampir! Das gibt es nicht! Für uns ist Vlad der Pfähler der Herrscher der Walachei. Er hatte strenge Gesetze, sie waren damals gut, und sie wären auch heute noch gut, denn dann wären die Leute ehrlicher und hätten mehr Würde, ja!"

    Und ein Schauspieler in Bukarest, der dem Blutsauger die Rolle seines Lebens verdankt:

    "Leider nehmen wir Rumänen die Draculageschichte als Beleidigung. Wir möchten nicht, dass Touristen nach Rumänien kommen, um hier den Teufel zu sehen. Aber wir sollten uns damit abfinden, dass das Markenzeichen Rumäniens und vor allem Transsylvaniens in der Welt Dracula ist."

    "Zwischen Horror-Tourismus und Nationalheiligtum". "Gesichter Europas" bewegen sich heute "Auf den Spuren Draculas in Transsylvanien". Eine Sendung mit Reportagen von Keno Verseck. Und am Mikrofon begrüßt Sie Bettina Nutz!

    Graf Dracula - er ist der berühmteste Rumäne aller Zeiten! Tausende Touristen machen sich jedes Jahr auf nach Transsylvanien, also nach Siebenbürgen, um sich im Angesicht der Legende um den blutsaugenden Aristokraten den Schauer über den Rücken jagen zu lassen.

    Denn Dracula lebt! In karpatischen Schlössern und Burgen. In transsylvanischen Kellern und Katakomben. Oder auch in klösterlichen Gräbern und Grüften. Wer sich auf seine Spur begibt, bekommt hilfreiche Souvenirs mit auf die Tour des Grauens: abgehackte Gummihände, T-Shirts mit Reißzähnen oder auch Tassen mit dem Rezept für den Blut-Cocktail des Tages.

    Willkommen in Dracula-Land!

    Im Herzen Rumäniens blüht der Vampirkommerz und doch halten die meisten Rumänen Distanz zu diesem Blutsaugerzirkus. Ihr Dracula ist nicht etwa das literarische Geschöpf, das der irische Schriftsteller Bram Stoker vor über 100 Jahren schuf. Der historische Fürst Vlad - bekannt als Vlad der Pfähler - wird im Land wie ein Nationalheiliger verehrt.

    Wer also war Dracula wirklich? Antworten auf diese Frage lassen sich vielleicht an den Orten des dramatischen Geschehens finden. Die erste Station ist Schäßburg in Transsylvanien, im Herzen des mysteriösen "Landes hinter den Wäldern".


    Erste Station: Schäßburg in Transsylvanien - falsche Fährte, falscher Geburtsort
    Wenn die Glocken des Stundturms zwölf Mal schlagen, zu Mittag oder auch zu Mitternacht, dann öffnet sich unter dem Ziffernblatt der Uhr ein Türchen. Gaukler, Trommler und Trompeter treten heraus, kleine hölzerne Figuren, die etwas zu verkünden scheinen.

    Es ist Mittags. Unten, auf dem Museumsplatz, spazieren Touristen umher, viele bleiben neugierig vor einer Statue neben dem Bürgermeisteramt stehen. Es ist eine Büste, die Vlad den Pfähler zeigt. Für die Rumänen ist Vlad der Pfähler ein Nationalheiliger, ein grausamer, aber gerechter Herrscher.

    Für Ausländer ist der Pfähler, falls sie ihn kennen, ein faszinierender blutrünstiger Bösewicht, jener Mann, den Bram Stoker zum Vorbild für seinen Roman "Dracula" nahm. Der Büsten-Pfähler neben dem Bürgermeisteramt sieht weder aus wie ein Held noch wie ein Bösewicht. Er blickt die Touristen aus großen, leeren Augen kalt an.

    Das Haus am Museumsplatz, Ecke Pfarrgasse war früher ein Altenheim. Heute stehen hier Ritterrüstungen, Kupferstiche zeigen, wie Menschen gepfählt oder durch andere Arten von Folter zu Tode gebracht werden. Dazu dröhnen Balkanschnulzen wie diese: "Der Zug des Lebens fährt und fährt." Willkommen im Restaurant "Haus Vlad Dracul".

    Der Name Vlad Dracul steht in Flammenschrift auf einer Wand, es gibt Dracula-Tomatensuppe und eine Prinz-Dracula-Vorspeise mit Maisbrei. Hier, in diesem Haus, soll um 1431 Vlad der Pfähler geboren worden sein, so steht es auf der Speisekarte. Dokumentarisch beweisen lässt sich das nicht, es gibt nur einige vage Indizien, dass Vlad der Pfähler irgendwo in Schäßburg geboren sein könnte, aber nicht einmal das ist sicher.

    Adrian Gherca, der 49-jährige Restaurantbesitzer, weiß das, doch als Unternehmer verdient er sein Geld mit Möglichkeiten, nicht mit Zweifeln. Unter Ceausescu war er Maschineningenieur einer Agrargenossenschaft, nach dem Sturz des Diktators stieg er zunächst ins Recycling-Geschäft ein, dann auch in die Gastronomie. Im Jahr 2000 kaufte er dem staatlichen Tourismusamt das völlig herunter gekommene Restaurant ab, ließ es renovieren und machte es zur Goldgrube.

    "Die Hauptattraktion dieses Hauses ist, dass es Vlad Dracul heißt. Der Draculamythos ist sehr profitabel für unser Restaurant. Denn es kommen viele ausländische Touristen her, und die wissen wenig von Rumänien, aber viel von Dracula. Sie wissen, dass Dracula in Schäßburg geboren ist. Wenn sie hier reinkommen, denken sie vielleicht, sie finden hier Vampire. Die gibt es hier natürlich nicht. Wir haben auch keine Kellner mit spitzen Plastikzähnen, es werden keine Blutgetränke serviert. Es ist einfach ein Restaurant mit mittelalterlichem Ambiente. Ich wollte keinen Dracula-Kitsch. Ich wollte kein Vampir-Restaurant, sondern eines, in dem man spürt, dass hier ein großer rumänischer Herrscher geboren wurde, denn für mich und für das rumänische Volk war Vlad der Pfähler ein großer Herrscher."

    "Deutsch. Deutschland. Willkommen in Schäßburg. Guten Tag. Dankeschön, Besuch von Schäßburg. Auch ich habe gesprochen."

    Auf der Schulgasse verkündet der Stadttrommler Dorin Stanciu seine Botschaft. Das Bürgermeisteramt hat ihn beauftragt, ausländische Touristen in ihren Muttersprachen zu begrüßen. Gerade steht er zusammen mit rumänischen Schulkindern neben einer großen bunten Gipsfigur des Pfählers, er erzählt ihnen etwas über die Stadtgeschichte, dann führt er sie direkt in Teos Schnapskeller.

    "Nichts anfassen, nichts berühren, Kinder!", ruft Teodor Coroian, genannt Teo, während die Kinder ungeordnet in seinen Keller stürmen. Der 50-Jährige ist im Hauptberuf Elektriker, nebenbei brennt er Pflaumen- und Birnenschnaps. Der Gipspfähler draußen auf der Schulgasse ist sein Maskottchen, es soll Kunden anlocken. Heute hat der Pfähler versagt, es waren nur ein paar Spanier da, die haben vom teuersten Pflaumenschnaps probiert und nichts gekauft, jetzt die Kinder - Teo kann seinen Ärger und seine Wut kaum verbergen.

    "Für mich ist Vlad der Pfähler ein Symbol Rumäniens, jemand, den es auch heute noch geben müsste. Rumänien bräuchte einen Führer ohne politische Interessen, einen Mann, der sein Volk liebt. Ein Pfähler ist gut für verwöhnte Kinder, für Leute, die immer nur das machen, was sie wollen, für Politiker, die nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Ein Pfähler ist gut, damit es, wenn schon nicht Angst, wenigstens ein bisschen mehr Respekt gibt."

    Mitternacht. Die Glocken des Stundturms läuten, die Gassen sind wie leergefegt. Neben dem Bürgermeisteramt blickt der Pfähler aus großen, starren, kalten Augen. Wer genau hinschaut, sieht, dass er mit eisiger Würde grinst.

    Abraham, genannt "Bram", Stoker veröffentlichte "Dracula - Ein Vampirroman" im Jahr 1897. Der beginnt - wie jede Gruselgeschichte - zunächst ganz harmlos. Der Rechtsanwalt Jonathan Harker möchte mit dem Grafen Dracula ein Geschäft abschließen. Harker macht sich von London aus auf in die einsame und raue Gegend der Karpaten. In einer fremden, unwirtlichen Welt trifft er auf einen rätselhaften Gastgeber:

    "Willkommen hier in meinem Hause! Treten Sie frei und freiwillig herein!" - "Graf Dracula?" Er verbeugte sich höflich und erwiderte: "Ich bin Dracula und begrüße Sie, Herr Harker, in meinem Hause. Sie bedürfen des Essens und der Ruhe, die Nachtluft ist recht kühl."

    Sein Gesicht war ziemlich - eigentlich sogar sehr - raubvogelartig; ein schmaler, scharf gebogener Nasenrücken und auffallend geformte Nüstern. Die Stirn war hoch und gewölbt, das Haar an den Schläfen dünn, im übrigen aber voll. Sein Mund, soweit ich ihn unter dem starken Schnurrbart sehen konnte, sah hart und ziemlich grausam aus; die Zähne waren scharf und weiß und ragten über die Lippen vor, deren auffallende Röte eine erstaunliche Lebenskraft für einen Mann in seinen Jahren bekundeten. Die Ohren waren farblos und oben ungewöhnlich spitz. Der allgemeine Eindruck war der einer außerordentlichen Blässe.

    Mit funkelnden Augen sagte der Graf: "Hören Sie die Kinder der Nacht? Was für eine Musik sie machen?" Es mochte ihm in meinem Gesichtsausdruck etwas aufgefallen sein, denn er fügte rasch hinzu: "Ja, mein Herr, Ihr Stadtbewohner seid eben nicht imstande, einem Jäger nachzufühlen."

    In den 45 Lebensjahren des Vlad Tepes finden sich keine Beweise für "vampirisches" Treiben. Wahrscheinlich ist eher, dass der Pfähler wegen seiner Grausamkeit gegenüber inneren und äußeren Widersachern Bram Stoker inspirierte.

    Zehntausende Menschen landeten während Vlads Herrschaft auf den berüchtigten Holzpfählen und starben einen qualvollen Tod. Trotzdem: Die Mehrheit der Rumänen verehrt den finsteren Fürsten bis heute vor allem als Architekt eines starken Staates. Eines Reichs, in dem Korruption und Kriminalität nicht geduldet wurden. Schon die kleinen Schulkinder kennen die legendären Zeilen des Nationaldichters Mihai Eminescu aus seinem berühmten Gedicht "Dritter Brief" von 1881 auswendig: "Ach, Pfähler! Herrscher! kämest du doch. Mit harter Hand zu richten!"

    Auf den Spuren des "gerechten" Herrschers Dracula geht es nun eine einsame, kurvenreiche Landstraße hinauf in die dicht bewaldeten Südkarpaten. Da! Auf der Spitze eines steil emporragenden Felsens steht sie: die Ruine der Festung Poenari, vor mehr als einem halben Jahrtausend die Residenz des walachischen Regenten. Es ist eine sagenumwobene Burg: auf Poenari trotzte der Pfählerfürst der Belagerung des osmanischen Sultans. Die Bewohner des benachbarten Bergdorfes Aref, so wird es von Generation zu Generation weitergegeben, halfen ihm dabei. Als Dank schenkte Vlad ihnen das gesamte Gemeindeland und die Freiheit.

    Heute leben die Menschen in Aref nicht nur von der Landwirtschaft, sondern auch vom Grusel-Tourismus und natürlich von ihrer Vlad-Legende.


    Das Bergdorf Aref in den Südkarpaten - Die Einwohner verhelfen Dracula zur Flucht und erhalten dafür die Freiheit
    In Aref ist die Welt, das rumänische Dorf, noch in Ordnung, noch fast so wie seit Urzeiten. Die Langsamkeit gottgegeben, Technik suspekt, womöglich ein Werk des Teufels. Mit unerschütterlicher Ruhe mähen die Bauern von Hand ihre Wiesen, gern ruhen sie unter der Krone eines Baumes aus, bei Brot, Speck und Zwiebeln und bei selbstgebranntem Pflaumenschnaps.

    Währenddessen locken die Bäuerinnen ihre Truthähne an. "Kinderchen, Kinderchen!", rufen sie und werfen ihnen Klumpen einer grünen, feuchten Masse hin. Es sind Brennnesseln, die sie am Wegesrand pflücken, dann weichklopfen und mit Maismehl verkneten, eine wahre Delikatesse für Truthähne, so heißt es.

    Maria Tomescu steht in der Küche ihres Hauses und macht Frikadellen nach Dorfart: In das Hackfleisch mischt sie neben Eier, Mehl und Zwiebeln noch rohe, geriebene Kartoffeln, Dill und sehr viel Knoblauch. Die 52-Jährige erwartet Gäste, genauer gesagt, ausländische Dracula-Touristen. Die sollen und werden natürlich nur den besten Eindruck von der einheimischen Küche wie auch vom Dorf überhaupt haben.

    "Aref ist ein schönes Dorf. Wir Dörfler lieben unser Dorf, denn wir sind hier geboren, aufgewachsen und leben hier. Wir bauen vor allem Kartoffeln und Rüben an und Kürbisse für die Tiere. Die Leute hier sind Viehzüchter, sie haben Schafe, Kühe und Schweine. Es gibt auch Hirten im Dorf, die bringen die Kühe im Sommer auf die Alm. Wir halten unsere Feiertage genau ein! Die Leute gehen in die Kirche, sie sind orthodox, und an Feiertagen arbeiten sie so gut wie gar nicht. Alle christlichen Feste werden eingehalten!"

    Maria Tomescu ist eine leutselige, kleine, rundliche Frau, den ganzen Tag wirbelt sie in Haus und Hof herum. Ihr Mann Gheorghe war Klempner im Dorf, jetzt ist der 63-Jährige Rentner. Schon seit über einem Jahrzehnt verdienen die Tomescus Geld, indem sie Dracula-Touristen unterbringen und verpflegen. Touristen, die weiter südlich die mittelalterliche walachische Hauptstadt Tîrgoviste und hier in der Gegend die Festung Poenari besichtigen - Orte, an denen Vlad der Pfähler geherrscht hat.

    Angefangen hat das Geschäft mit dem Blutsauger bei den Tomescus ganz unspektakulär. Eine Bukarester Tourismus-Firma mit dem bizarren Namen "Die mysteriösen Schätze des Grafen Dracula" suchte in der Gegend ein pittoreskes, nicht zu entlegenes Dorf, um westlichen Touristen das traditionelle rumänische Landleben vorzuführen. Maria Tomescu war sofort einverstanden, Ausländer zu beherbergen. Wie eine halbwilde Eingeborene, die besichtigt wird, oder gar wie eine Tochter Draculas hat sie sich noch nie gefühlt.

    "Es ist eine gute Sache, dass Touristen kommen. Der Kontakt mit Leuten von anderswoher ist wie ein Erfahrungsaustausch. Man versteht besser, wie es anderswo ist und wie es bei einem selbst ist. Den Ausländern hat es bei uns gefallen, und ich kann nur Gutes über sie sagen, denn sie sind zivilisiert. Sie sind uns herzlich willkommen, wir Rumänen sind ja gastfreundliche Leute."

    Allerdings hat die Gastfreundschaft gewisse Grenzen.

    "Niemand darf behaupten, dass es bei uns Vampire gibt. Niemals! Das ist eine Sache, die bloß erfunden wurde, um Geld zu verdienen. Dracula, Vlad der Pfähler ein Vampir! Das gibt es nicht! Für uns ist Vlad der Pfähler der Herrscher der Walachei. Er hatte strenge Gesetze, sie waren damals gut, und sie wären auch heute noch gut, denn dann wären die Leute ehrlicher und hätten mehr Würde, ja!"

    Gheorghe Tomescu hat das Essen gerochen, er kommt zum Naschen in die Küche. Seine Frau reicht ihm eine Frikadelle. "Sehr lecker!", sagt er, während er genüsslich kaut und schmatzt. Dann schickt ihn seine Frau in den Stall, er soll die Schweine, Ziegen und Hühner füttern.

    Wie seine Frau ist auch Gheorghe Tomescu klein und rundlich. Auch er findet es gut, dass Touristen ins Dorf kommen - nur: Manchmal versteht er sie einfach nicht.

    "Merkwürdig benommen haben sich Touristen noch nicht, aber manchmal stellen sie komische Fragen. Ob Vlad der Pfähler ein Vampir war. Wir sagen immer, wir können solche Informationen nicht bestätigen."

    Maria Tomescu bezieht die Betten in den Gästezimmern: schwere Federbetten in gestärkter Bettwäsche auf breiten, harten, ebenso alten wie unverwüstlichen Federkernmatratzen. Überhaupt bekommen die Touristen hier gehobenen ruralen Komfort geboten: Das Wasser im Badeofen heizt Maria Tomescu bis zum Siedepunkt auf, zum Frühstück serviert sie Speck und Spiegeleier, Schafskäse und Salami, reichlich Weißbrot und Zwiebeln und natürlich sehr viel Knoblauch.

    Mittags und abends gibt es jeweils vier Gänge. Und auch wenn die Tomescus mit Vampiren nichts anfangen können - um der Gäste willen haben sie auf die Türen im Haus ein Fantasiewappen gemalt: den Buchstaben "D", geformt aus einem halbkreisförmig gewundenen Drachen, in dessen Kopf ein Dolch steckt.

    "Kein Tourist ist bisher mit übersteigerten Ansprüchen gekommen. Allen ohne Ausnahme hat es genau so, wie wir es gemacht haben, gefallen. Wir hatten nie Reklamationen, alle sind immer zufrieden abgefahren. Es gab manchmal welche, die sind mit Hunden gekommen, also mit diesen Schoßtieren, meine ich. Aber Hunde und Katzen kommen uns auf keinen Fall ins Haus! Ansonsten freue ich mich sehr, dass sie immer alles essen, was ich ihnen auf den Tisch stelle. Das ist wirklich eine große Befriedigung."



    "Sie wissen also jetzt, gegen wen wir zu kämpfen haben; Wenn wir das Versteck dieses Mannes finden, dann können wir ihn dort in seinem Sarg festhalten und vernichten. Aber er ist schlau. Die Dracula waren ein großes und edles Geschlecht; von einzelnen seiner Sprösslinge erzählten allerdings die Zeitgenossen, dass sie Bündnisse mit dem Satan hätten. Sie lernten seine Künste in den Bergen beim Hermannstädter See, wo der Teufel jeden Zehnten seiner Schüler als Tribut fordert. In einem der Manuskripte fanden wir den Grafen Dracula sogar als "Vampyr" bezeichnet."

    Bram Stokers Roman wie auch alle Hollywood-Verfilmungen des Stoffs waren unter dem Diktator Nicolae Ceausescu verboten. Allerdings kam der Mythos vom grausamen, aber gerechten Dracula alias Vlad der Pfähler der nationalkommunistischen Ideologie eine Weile lang ganz gelegen. Ebenso wie die Aussicht auf westliche Devisen. In den siebziger Jahren begann eine Art "Vermarktung" der Dracula-Legende. Kann man vielleicht heute noch dem real-sozialistischen Vampir begegnen? Im Norden soll er sich aufhalten haben, zwischen imposanten Karpatengipfeln, auf dem Weg von Transsylvanien in die Bukowina. Am berüchtigten Borgo-Pass.

    "Hotel Schloss Dracula" in Nordrumänien - Begegnung mit
    dem realsozialistischen Vampir
    Dracula ist Rentner in Bistritz, er lebt bescheiden in einer Drei-Raum-Plattenbauwohnung. Hin und wieder besucht er sein ehemaliges Schloss am Borgo-Pass, unangemeldet. Als wäre er nicht 85 Jahre alt, stürmt er energisch durch Gewitter und Regen auf das Portal zu und schreit: "Kein Brot, kein Salz, kein Schnaps zur Begrüßung?" Ileana, die Leiterin des Schlosses zuckt ängstlich zusammen. "Aber Herr Direktor", sagt sie kleinlaut, "hätten Sie doch bloß vorher angerufen!" Dann scheucht sie eine der jungen Frauen in die Küche: "Schnell, Brot, Salz und Schnaps für den Herrn Direktor!" Halb mürrisch, halb drohend schaut er sie aus seinen schmalen, leicht geröteten Augen an. Dann wendet er sich ab und lässt den Blick über die Bergwelt hier am Borgo-Pass schweifen. Sein langes, schlohweißes Haar weht im Wind, die große, stark gebogene Nase verleiht seinem Gesichtsausdruck etwas Furchteinflößendes.

    Drei junge Frauen kommen mit Brot, Salz und Pflaumenschnaps die Treppe herunter, zusammen mit der Leiterin des Schlosses begrüßen sie den "Herrn Direktor" noch einmal. Nun ist sein Ärger vergessen. Er strahlt, nimmt einen kräftigen Schluck Schnaps und küsst die Frauen. Verdutzt stehen sie da, während er sich den Weg ins Schloss bahnt. In sein Schloss, in sein Hotel.

    Über eine Treppe stapft er ins Foyer und schaut sich um. Ja, sein Porträt hängt noch dort. Er, der auf dem Ölgemälde und auch in Wirklichkeit aussieht wie Dracula, heißt eigentlich Alexandru Misiuga. Er ist hier, in Nordrumänien, eine lebende Legende. Von 1971 bis 1984 war er in der Stadt Bistritz Direktor des staatlichen Kreistourismusamtes. Dank seines Witzes und seiner Schlitzohrigkeit schaffte er es, seinen Lebenstraum zu verwirklichen: Ein Dracula-Hotel am Borgo-Pass zu errichten. Mit einem Zufall fing alles an.

    "Eines Tages, es war im Herbst 1969, tauchten bei mir im Büro drei Amerikaner auf, mit Filmapparaten. Ich war damals noch Direktor des Folklore- und Kulturhauses in Bistritz. Sie machten mir klar, dass sie gekommen waren, um die Reste des Dracula-Schlosses zu filmen. Ich muss recht dumm ausgesehen haben. Zu Ceausescus Zeiten sprach man nicht von Dracula, und ich wusste auch nichts von Dracula. Einer der Amerikaner sagte: "Sie wissen doch, der Roman von Bram Stoker, Dracula, der Borgo-Pass." Ich tat, als ob ich begriff: "Ach so, ja, ja, natürlich." Und heimlich notierte ich mir den Namen des Autors und den Romantitel."

    Kurz darauf besorgte sich Misiuga von einer Bekannten, die in der Nationalbibliothek arbeitete, heimlich eine alte rumänische Übersetzung des Dracula-Romans. Er las sie in wenigen Nächten und - war fasziniert. Drei Jahre später, 1971, wurde er zum Direktor des Kreistourismusamtes in Bistritz ernannt. In seinem Kopf fing es an zu spuken: Wie wäre es, überlegte er, in der Stadt ein Hotel auf den Spuren von Bram Stoker zu errichten? Nach zahlreichen Audienzen, angefangen vom örtlichen Parteisekretär bis zum Tourismusminister, bekam er die Genehmigung zum Bau eines großen Hotels. Im Sommer 1974 wurde es fertiggestellt.

    "Einen Monat vor der Eröffnung befahl mir der Parteisekretär des Kreises, Namensvorschläge zu machen. Ich schrieb mehrere Namen auf einen Zettel, darunter auch "Zur Goldenen Krone". Bei der Parteisitzung las der Sekretär den Zettel. Er wurde wütend: "Was soll das, Misiuga? Goldene Krone? Wir haben Sozialismus?" Ich sagte: "Genosse Sekretär, lassen Sie mich das erklären, es hat nichts mit Monarchie zu tun." Ich erzählte von dem Dracula-Roman, vom Hotel "Zur Goldenen Krone", in dem Jonathan Harker übernachtet, und dann sagte ich, wenn wir unser Hotel auch "Zur Goldenen Krone" nennen würden, würden viele ausländische Touristen kommen und wir würden Deviseneinnahmen erzielen. Kaum hatte der Parteisekretär das Wort Devisen gehört, sagt er: "Genossen, wer ist für den Namen 'Goldene Krone'?" Er hob als erster die Hand, und sofort hoben alle anderen auch die Hand. Daraufhin habe ich das Namensschild anfertigen lassen, das auch heute noch dort hängt: "Zur Goldenen Krone"."

    Es war erst der Anfang von Alexandru Misiugas Plan zur Entwicklung des lokalen Dracula-Tourismus.

    "Der Teufel hat mich geritten, ich konnte nachts nicht mehr schlafen und musste immer an Bram Stokers Dracula-Schloss am Borgo-Pass denken. Wie konnte ich es anstellen, dort ein Hotel bauen zu lassen? Sollte ich auch dem Tourismusminister von Dracula erzählen? Das Buch von Bram Stoker war ja verboten. Ich entschloss mich, einfach ein kleines Modell eines Hotels anzufertigen. Das war Anfang 1976. Vier Monate lang arbeitete ich an dem Modell, ich baute es aus Pappe, Streichhölzern, Steinchen und Plexiglas, und mit all seinen Türmchen und Toren sah es sehr schön aus."

    Wieder sprach Misiuga beim Tourismusminister vor, brachte ihm das Modell des Hotels mit. Dracula erwähnte er nicht, dafür umso mehr die verlockenden Deviseneinnahmen dank ausländischer Touristen. Er bekam auch diesmal die Genehmigung für den Hotelbau. Volle sieben Jahre dauert er. In der Wildnis des Borgo-Passes musste die Spitze eines 1200 Meter hohen Berges abgesprengt, mussten Dutzende Arbeiter jeden Tag aus dem 40 Kilometer entfernten Bistritz die enge Passstraße herauf gekarrt werden.

    Am Ende war aus Misiugas türmchenverspielten Entwurf ein real existierender Betonklotz mit einem einzigen behäbigen Turm geworden. Der graue Klotz hieß "Hotel Tihuta", nach dem alten rumänischen Namen für den Borgo-Pass. Alexandru Misiuga war dennoch stolz. Und kurz nach der Eröffnung des Hotels im August 1983 leistete er sich noch ein Gruft.

    "Ich hatte noch ein Jahr bis zur Rente. Im Hotel lief alles bestens. Und ich dachte mir, jetzt fehlt noch eine Dracula-Gruft, denn im Roman schlief der Graf ja in der Familiengruft. Ich wählte einen kleinen Raum im Keller aus und bat einen Bekannten, einen Maler, die Wände mit Dracula-Fresken zu bemalen. In Bistritz kannte ich den Totengräber des Friedhofs. Ich sagte ihm: Wenn du Gräber aushebst und alte Schädel findest, dann wirf sie nicht weg, sondern putze sie und bringe sie mir, du bekommst zwei Schachteln Zigaretten pro Schädel. Er brachte mir sechs, sieben Schädel, die hängte ich in der Gruft auf. Wenn man die Tür öffnete, schlugen sie durch den Luftzug aneinander. Nur eine kleine Kerze beleuchtete den Raum, auf dem Boden lagen lauter Knochen. Es war der reine Horror."

    Die Gruft blieb nur für eine kurze Zeit eine Touristenattraktion. Kaum war Alexandru Misiuga Ende 1984 in Rente gegangen, ließ sein Nachfolger im Amt des Kreistourismusdirektors die Dracula-Gruft schließen und sie als Wäschekammer nutzen. Erst nach dem Ende der Diktatur richtete der neue, private Hoteleigentümer sie wieder ein. Alexandru Misiuga half ihm dabei.

    Die Gruft. Eine Gruppe Schulkinder ist im legendären Hotel am Borgo-Pass, das jetzt "Hotel Schloss Dracula" heißt, zu Besuch. Die Elf- und Zwölfjährigen steigen die lange, enge Holztreppe zur Gruft herab, sie zittern, halb ängstlich, halb erwartungsvoll. Unten in der spärlich von Kerzenlicht beleuchteten Gruft steht in der Mitte des kleinen Raumes ein Sarg, die Wände sind bemalt mit feschen, gutaussehenden Draculas, die feschen, euterbrüstigen Frauen das Blut aussaugen. Die Kinder schauen sich die Wandmalereien kichernd an. Da, plötzlich…

    Ein Mann springt aus dem Sarg und stößt einen Schrei aus, die Kinder kreischen. Noch bevor sie ihn genauer erkennen können, verschwindet er aus der Gruft. Es ist ein bisschen wie Geisterbahn auf dem Jahrmarkt. Aufgeregt kichernd gehen die Kinder wieder die enge Treppe hoch. Oben, in der Halle vor dem Grufteingang, sitzt Alexandru Misiuga. Er hat das Schauspiel verfolgt, nun lächelt er belustigt.

    Später im Schlossrestaurant. Alexandru Misiuga hat scharf gewürzten Wildgulasch bestellt und einen halbsüßen Rotwein, natürlich auf Kosten des Hauses. Auch wenn er schon vor einem Vierteljahrhundert in Rente gegangen ist - hier bleibt er bis an sein Lebensende der "Herr Direktor". Völlig zu recht, findet er und lächelt schlitzohrig aus leicht geröteten Augen.

    "Wir sitzen auf einer Goldader, aber wir bemerken das nicht und beuten sie nicht aus. Ich war derjenige, der dem Dracula-Tourismus in Rumänien den Weg bereitet hat. Ob das nun anerkannt wird oder nicht - der frühere Tourismusminister hat mir das in einem Brief bestätigt und ich habe auch den Verdienstorden der Arbeit bekommen, den es unter Ceausescu nicht einfach so gab. Der hatte nichts mit Politik zu tun, sondern mit Arbeit. Niemand der früheren 42 Kreistourismusdirektoren außer mir hatte den Mut, auf 1116 Meter Höhe ein Hotel zu bauen."



    Fürst Vlad III, Tepes, der "Pfahlwojewode", er kam vor beinahe sechs Jahrhunderten zu Tode. Er soll von Türken enthauptet worden sein, angeblich wurde sein - in Honig konservierter - Kopf dem Sultan gebracht.

    Die Legende ist damit aber längst nicht zu Ende erzählt. Sie geht weiter in Snagov. In einem orthodoxen Inselkloster, in der Nähe der Hauptstadt Bukarest. Der Körper Vlads sei dort begraben, heißt es.

    Doch 1932, als rumänische Archäologen das Grab öffneten, war es - bis auf ein paar sehr alte Tierknochen - leer. Bei den Ausgrabungen stießen sie dann in drei Meter Tiefe auf eine kleine Gruft mit einem Sarg. Als sie ihn öffneten, lag darin eine perfekt konservierte Gestalt, deren Gesicht mit einem Seidentuch bedeckt war. Durch den Luftkontakt zerfiel die Gestalt angeblich binnen weniger Augenblicke zu Staub - bevor die Wissenschaftler sie fotografieren konnten. Das Tuch und einige Grabbeigaben wurden in das städtische Museum zu Bukarest gebracht, von wo sie später auf ungeklärte Weise verschwanden.


    Zurück im Süden, Inselkloster Snagov - Das Grab Draculas ist leer!
    Vorsichtig rudert Vater Varahil über den See zur Insel, seine Lippen sprechen ein lautloses Gebet. Einkaufen, Stromrechnung bezahlen - die Wege ins Dorf sind Vater Varahil ein Graus. Er kann nicht schwimmen und hat ständig Angst, das Boot könne umkippen, besonders bei Wind und Wellen.

    Heute ist ein ruhiger, sonniger Tag. Und doch: Kaum hat Vater Varahil den festen Boden der Insel unter sich, geht er in die Kirche und spricht ein Dankesgebet.

    Schon vor tausend Jahren sollen hier auf der Klosterinsel Mönche gelebt haben. Heute ist Vater Varahil der einzige Mönch weit und breit. Wie alle orthodoxen Mönche trägt der 40-Jährige eine knöchellange schwarze Kutte, seinen Bart lässt er einfach wachsen, das lange Haar hat er zu einem Zopf zusammengebunden. Nach dem Gebet beugt er sich zu einer Ikone und küsst sie. Hier in dieser Kirche soll also Vlad der Pfähler begraben worden sein? Vater Varahils Augen verengen sich zu Schlitzen, ja, so ist es, sagt er in warnendem Ton, und bevor er das Grabmal zeigt, möchte er eine Sache klarstellen.

    "Was Bram Stoker geschrieben hat - er hat ja diesen Roman geschrieben, und es wurden diese Filme gemacht -, das ist alles fiktiv. Es steht in keinem Zusammenhang mit der Geschichte unserer Herrscher. Sie haben ehrenhaft und rühmlich regiert und die Rechte der Bauern und der anständigen Menschen verteidigt. Nur diejenigen, die außerhalb des Gesetzes standen, die Diebe, Betrüger und Verräter, wurden gemäß ihrer Taten bestraft. Man kann nicht einfach behaupten, dass Vlad der Pfähler ein Vampir war. Er war ein großer Herrscher, der gekämpft hat, der sein Land besonnen und sorgfältig geführt hat. Noch heute gedenken wir seiner. Er wurde mit allen Ehren kirchlich bestattet, und später wurde diese Kirche über seinem Grab neu gebaut."

    Vater Varahil will nun zum Grab des Pfählers gehen, da klingelt sein Mobiltelefon.

    Es ist ein Handwerker, er soll einen Kronleuchter reparieren. Gestikulierend läuft Vater Varahil durch die Kirche, erklärt die Reparatur, dabei schaut er nervös immer wieder auf die Uhr, es geht gegen elf. Draußen auf der Wiese blökt Iuliana, die Kuh, sie ist durstig, so müssen der Pfähler und sein Grab erst einmal warten.

    Vater Varahil kommt ursprünglich aus dem Banat in Westrumänien und war unter dem Ceausescu-Regime Maschinenschlosser. Nach dem Ende der Diktatur konnte er endlich, wie er es sich immer gewünscht hatte, Theologie studieren und Mönch werden. Auf der Klosterinsel im Snagov-See lebt er seit fünf Jahren. Er wurde hierher geschickt, nachdem der frühere Abt verstorben war.

    Das Kloster ist eigentlich ein kleiner Landwirtschaftsbetrieb, Vater Varahil hat einen Gemüsegarten und einen Kartoffelacker, außer der Kuh hält er auch Ziegen, Schafe und Hühner. Er klagt nicht über die Arbeit, er findet es nur sehr einsam hier, eigentlich hätte er gerne einen Mönchskollegen.

    "Was soll ich machen? Ich hoffe auf mein Seelenheil! Wenn Gott mich hier haben wollte - hier bin ich, ob es mir nun gefällt oder nicht. Ich hatte Angst am Anfang, denn ich kann nicht schwimmen. Das Wasser, über das ich muss, wenn ich etwas brauche, alles mit dem Boot. Es ist ein bisschen anders hier das Leben, etwas rauher. Der Garten...., die Tiere, die versorgt werden müssen. Meine Tiere! Sie sind zahm und sehr brav, denn ich rede mit ihnen. Sehen Sie nur, meine Kuh Iuliana, wie groß und brav sie ist!"

    Während Vater Varahil noch zahlreiche Eimer mit Wasser zur Kuh schleppt, wird er gesprächig. Die zahmen Tiere, die wohlschmeckenden Tomaten und Gurken seines Gemüsegartens, ganz ohne Chemie, all das preist er an. Und dann klingelt wieder sein Mobiltelefon.

    Ein Unbekannter ruft an, er möchte hier auf der Klosterinsel, in der Kirche des Pfählers heiraten. Vater Varahil rollt mit den Augen, er sagt, das sei nicht möglich, wünscht Gesundheit und legt auf. Nun erinnert er sich daran, dass er noch das Grabmal des Pfählers zeigen wollte. Er geht in die Kirche, tritt vor den Altar und weist auf eine fast blankpolierte Steinplatte im Boden. Da ist es - das angebliche Grab des Pfählers. Nichts ist zu erkennen, keine Inschrift, keine Gravur. Doch Vater Varahil ist überzeugt: Hier liegt der Pfähler begraben.

    "Wahrscheinlich sind die Buchstaben der Inschrift verwischt worden, denn im Laufe der Zeit sind viele Menschen über das Grab geschritten. So hatte es ja Vlad der Pfähler selbst bestimmt: Sein Grab sollte genau vor dem Altar sein, damit die Priester mit ihren Füßen darüber hinweg schreiten. Damit wir uns immer an den Glauben des Pfählers erinnern, an seine Gerechtigkeit und an seine Liebe zu seinem Land und seinem Volk. Denn mit Glauben und Liebe hat er sein Land und das Recht vor den Bösewichten verteidigt."

    "Gerade vor uns erblickten wir eine Gruppe berittener Männer, die in größter Eile herankamen. In ihrer Mitte hatten sie ein Fahrzeug, ein langen Leiterwagen Auf dem Wagen befand sich eine große viereckige Kiste. Der Abend senkte sich hernieder und ich wusste, dass bei Sonnenuntergang der Körper, der dort jetzt noch in der Kiste gefangen lag, seine Freiheit gewinnen und in irgendeiner Gestalt unsren Nachstellungen entrinnen würde. Die Sonne berührte beinahe die Bergspitzen ich sah den Grafen in der Kiste auf der Erde liegen. Er war totenbleich, wie eine Wachsfigur, und die roten Augen glühten in dem unheimlichen sieghaften Feuer, das ich so genau kannte.

    Als diese Augen die sinkende Sonne erblickten, wich der Ausdruck des Hasses aus ihnen und sie leuchteten in wildem Triumph.

    Aber im gleichen Augenblick sauste blitzend Jonathans großes Messer hernieder. Ich schrie, als ich sah, wie es im scharfen Schnitt die Kehle des Grafen durchhieb; kurz darauf durchbohrte Herrn Morris scharfes Jagdmesser das Herz Draculas.

    Da geschah ein Wunder: Vor unser aller Augen und ehe wir es noch recht fassen konnten, zerfiel der ganze Körper in Staub und entschwand unsern Blicken."

    Dracula - zu Staub zerfallen. Das Ende der Geschichte? Nein! Dracula, Vampir, rastloser Widergänger, Dracula lebt! In Schäßburg, in der Festung Poenari, am Borgo-Pass oder vielleicht unter dem Schutz der Kirche?

    Bestimmt aber in Bukarest. Im Stadtzentrum, in einem unscheinbaren Eckgebäude mit vergitterten Fenstern. "Restaurant 'Count Dracula Club'" steht auf der Tür. Man muss kräftig am Drahtseil einer mechanischen Glocke läuten. Im düsteren, rötlichen Licht erscheint eine Frauengestalt und gewährt Einlass. Sie führt die neugierigen Besucher durch mehrere Räume mit blutverschmierten Wänden. In die Mauer eines Raumes namens "Kapelle" ist ein Sarg eingelassen.


    Letzte Station: Bukarest - Dracula lebt! In einem Restaurant mit Kapelle und Sarg
    Zur Einstimmung gibt es ein kurzes Dracula-Hörspiel mit gedämpfter Filmmusik. Die Gäste nippen an Vampir-Rotwein und blättern in der Speisekarte. Wie wäre es mit Renfields Überraschungsmenü? Renfield, das war doch dieser Irre, der Spinnen und Kakerlaken fraß. Hmm, vielleicht doch lieber ein Pfähler-Steak, mittelblutig, an Pommes und Mischsalat.

    Es geht gegen halb zehn, viele Plätze sind schon besetzt, da klingelt noch einmal die Glocke. Die Kellnerin Letitia öffnet, und herein tritt ein Mann, der aussieht wie der Dracula-Schauspieler Christopher Lee. Es ist Petre Moraru, 66, ein Schauspieler, der am Kleinen Theater in Bukarest arbeitet. Zweimal in der Woche kommt er abends in das Restaurant "Count Dracula Club" und führt eine kleine Vampir-Show auf.

    Er geht in die Umkleidekammer und holt einen schwarzen Umhang aus einem Schrank, dann feuchtet er einen Schwamm an und beginnt, sein Gesicht weiß zu schminken. "Nun verwandelt sich der Schauspieler Petre Moraru in Dracula", sagt er und grinst. Etwas allerdings fehlt.

    "Was mir einfach nicht gelungen ist - ich habe keine spitzen Eckzähne, die Zähne Draculas. Ich war bei einem Zahntechniker, aber er konnte mir keine anfertigen. Allerdings fragen nur wenige Gäste, wo meine Eckzähne sind. Zum Glück habe ich eine Antwort parat, ich sage immer: Erst nach Mitternacht."

    Petre Moraru spielt hier im Restaurant seit sage und schreibe zwölf Jahren. Immer dieselbe Rolle, immer dasselbe Stück. Fast eine Ewigkeit in diesem Metier. Ist "Dracula" die Rolle seines Lebens? Moraru antwortet nüchtern:

    "Als ich die Fakultät abgeschlossen habe, hätte ich nie gedacht, dass ich diese Rolle überhaupt einmal spielen würde. Anderseits kann ich nicht sagen, dass es mich nicht befriedigt. Mit dieser Rolle war ich in vielen Ländern, auf vielen Touristenmessen. Und viele ausländische Fernsehsender haben mich bei dieser Show gefilmt. Das sind Sachen, die einen freuen, denn wir haben ja alle unsere Eitelkeiten."

    Außerdem, sagt Moraru, sei zwar das Stück immer dasselbe gewesen, aber er habe seine Rolle verändert. Es geschah bei einem Auftritt irgendwann vor sieben, acht Jahren.

    "Ich stieg aus dem Sarg, und vor mir stand ein Mann, der mich ironisch ansah. Das machte mich wütend, ich gebe es zu. Ich nahm mir also vor, direkt in sein Gehirn einzudringen. Ich sah ihn an, und ich merkte, wie seine Ironie verflog, wie seine Augen sich weiteten und er anfing zu schwitzen. Nach der Show kam er zu mir und fragte, was ich mit ihm gemacht hätte, er arbeite für eine Inkasso-Firma und hätte sich noch nie erschreckt. Und da habe ich mich vor mir selbst erschreckt und habe gesagt, Schluss. Seitdem bin ich nicht mehr Dracula, sondern ein Schauspieler, der Dracula interpretiert. Seitdem spiele ich wirklich."

    Die Show hat begonnen. Petre Moraru alias Dracula verschwindet für einige Minuten in einem Sarg, der in eine Wand eingelassen ist, dann steigt er wieder heraus. Einigen Gästen vergeht das Lachen schnell. Die Arme weit ausgebreitet, bewegt sich Dracula mit seinem schwarzen Umhang wie eine Fledermaus in Zeitlupe durch den Raum.

    Eine gute halbe Stunde lang geistert Dracula durch das Restaurant, schreit und flüstert in kaum verständlichem Englisch, lacht mal brüllend laut, mal mit gehauchter Häme. Er schleicht um die Gäste herum und schaut sie genau an.
    Schließlich hat er sie gefunden, eine junge Frau, eine deutsche Touristin Anfang zwanzig, die zusammen mit ihrer Freundin zum Abendessen hergekommen ist. Sanft nimmt er ihre Hand und führt sie weg vom Tisch, hin zu seinem Sarg. Wie unter Hypnose starrt sie ihn an und lässt sich willenlos führen. Vor dem Sarg hält er einen Moment inne, fixiert sie mit einem durchdringenden Blick, dann:

    Er beisst sie in den Hals. Sie bricht in einen langen Schrei aus, der erst entsetzt klingt und dann leicht verzückt. Sie sieht erschöpft aus, ebenso willenlos, wie sie gekommen ist, lässt sie sich zu ihrem Platz zurückführen.

    Die Show ist zu Ende. Die meisten Gäste lassen sich noch zusammen mit Petre Moraru alias Dracula fotografieren, dann geht der Schauspieler in den Umkleideraum, legt seinen Umhang ab und reibt sich die Schminke aus dem Gesicht. Es sei schade, sagt Petre Moraru, dass fast niemals rumänische Gäste in das Restaurant kämen.

    "Leider nehmen wir Rumänen die Dracula-Geschichte als Beleidigung. Wir möchten nicht, dass Touristen nach Rumänien kommen, um hier den Teufel zu sehen. Man versteht diese Geschichte hier nicht, und man versteht nicht das touristische Interesse an ihr. Es ist eine Geschichte, die schon immer fasziniert hat. Das Böse, das Unglückbringende, der Schrecken, verkörpert in diesem Geschöpf, das immer leben wird, denn der Vampir ist unsterblich, solange, bis es jemandem gelingt, ihm einen Pfahl ins Herz zu stoßen. Diese Geschichte wird auch weiterhin faszinieren. Und wir sollten uns damit abfinden, dass das Markenzeichen Rumäniens und vor allen Transsylvaniens in der Welt Dracula ist."



    Das waren "Gesichter Europas" an diesem Samstag. "Zwischen Horror-Tourismus und Nationalheiligtum. Eine Sendung "Auf den Spuren Draculas in Transsylvanien". Mit Reportagen von Keno Verseck. Er hat auch die Musik ausgesucht. Die Literaturpassagen aus Bram Stokers "Dracula - Ein Vampirroman" hat Ernst August Schepmann gelesen. Redaktion hatte Thilo Kössler. Und am Mikrofon verabschiedet sich Bettina Nutz!