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Auf der anderen Seite

ZDF-Moderator Steffen Seibert wird neuer Regierungssprecher und damit Nachfolger von Ulrich Wilhelm, der wiederum als Intendant zum Bayerischen Rundfunk wechselt. Doch wie gut kann so ein Rollentausch zwischen Journalismus und Polit-PR funktionieren?

Von Michael Meyer | 17.07.2010
    "Für uns Pressesprecher sind Journalisten die wichtigste Mittlergruppe, das ist natürlich völlig klar, und ich denke, umgekehrt ist das genauso."

    "Jeder profitiert von dem anderen, der eine kann ohne den anderen nicht."

    "Wir haben die Storys, die Sie für Ihre Arbeit gebrauchen können, das heißt, wir sind in einer Symbiose..."

    ...sagen Pressesprecher über das Verhältnis zwischen ihrem Berufsstand und dem des Journalisten. Zwischen beiden Berufsfeldern herrscht ein ausgeprägter "Drehtüreffekt" - viele Journalisten arbeiten mehrere Jahre als Sprecher einer Institution, eines Unternehmens oder einer Partei, um danach wieder in ihren alten Beruf zurückzukehren. Günter Gaus und Klaus Bölling etwa sind zwei Beispiele - sie waren in den 70er Jahren Regierungssprecher, arbeiteten danach wieder journalistisch. Das ist aber nicht unproblematisch, findet Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbands:

    "Ich glaube, es ist so eine Entwicklung zwischen beiden Seiten, dass die Politik mal hinguckt, wo ist ein guter Journalist, und dieser Journalist dann rübergenommen wird, weil man sich davon erhofft, mehr Einfluss auf den Journalismus zu bekommen, weil man davon ausgeht, der hat Kontakte in den Journalismus und so kann ich über den, den ich als Regierungssprecher habe, doch mehr positiv einwirken auf die journalistische Seite."

    Die Personalie Steffen Seibert sieht Michael Konken ebenfalls kritisch:

    "Was mich dabei ärgert ist, dass ein Journalist, der beim ZDF Vertrauen aufgebaut hat, da gilt man dann schon bei seriösen Medien als glaubwürdig und vertraut in der Öffentlichkeit, der will natürlich das Vertrauen mitnehmen und damit dieses Vertrauen einsetzen als Regierungssprecher, um die Öffentlichkeit zu überzeugen."

    Allgemein gilt: Pressesprecher sitzen oft am längeren Hebel - sie entscheiden, was und wie Meldungen nach draußen dringen - je nachdem, was die Geschäftsleitung, die Kanzlerin oder wer auch immer als Botschaft herübergebracht haben will. Dies kann auf Dauer durchaus dazu führen, dass man für den Journalismus verbrannt ist, meint Michael Konken:
    "… weil man hier ganz klar eine politische Richtung zugegeben hat, …,weil man ja in eine Regierung geht und weil man ja einer Bundeskanzlerin zu Diensten ist, die einer politischen Richtung angehört und insofern ist man politisch gebrandmarkt. Das heißt: Den Weg zurück kann es aus so einem Bereich in den Journalismus nicht mehr geben."

    Im Alltagsgeschäft ist das Verhältnis zwischen Pressesprechern und Journalisten nicht immer einfach, etwa wenn die Berichterstatter nur mit Informationshäppchen abgespeist werden und der Zeitdruck in den Redaktionen dazu führt, dass Pressemitteilungen einfach nur abgeschrieben und nicht mehr gegengecheckt werden. Schlecht vorbereitete Journalisten machen den Sprechern das Leben manchmal zu leicht, sagt Christian Walther, Parlamentsreporter der "Berliner Abendschau" im RBB und in den 90er Jahren Pressesprecher der Freien Universität Berlin:

    "Ich würde sagen, es macht die Arbeit leichter bei Leuten, denen es nur darum geht, einen 30 Sekunden-O-Ton abzugreifen, also bei schlechten Journalisten, es macht die Arbeit aber auch schwerer, weil es natürlich den einen oder anderen von diesen schlecht vorbereiteten Leuten gibt, denen man es dann doch noch erklären will. Weil es schon sinnvoll ist, Journalisten, …, in das Feld hineinzuführen, über das sie da gerade berichten."

    Doch auch fleißige und kompetente Journalisten sind nicht vollkommen frei von Interessen, sondern schreiben für ihren Auftraggeber, ein bestimmtes Publikum. Bei genauerem Hinsehen unterscheiden sich Pressesprecher und Journalisten gar nicht so sehr voneinander: Beide sind Vermittler von Informationen, die an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Der Journalist vermittelt direkt, der Pressesprecher über den Umweg der Massenmedien. So sieht es auch Christian Walther:

    "Ich hatte nicht wirklich den Eindruck auf der anderen Seite zu stehen, …, den Eindruck habe ich heute noch: Gute Öffentlichkeitsarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr journalistisch ist. Das heißt, dass jede Pressemitteilung den Kriterien entspricht einer guten Agenturmeldung, dass ein Universitätsmagazin so gemacht ist wie ein anständiges Magazin, dass es sich im Grunde auch ähnlichen Kriterien unterwirft: Aktualität, Wahrhaftigkeit, …, aber durchaus auch diskussionsfreudig, kritikfähig und dergleichen mehr."

    Walther gibt aber zu, dass die Bandbreite an Meinungen innerhalb einer Institution wie der Universität größer ist als etwa bei einem börsennotierten Unternehmen, wo in der Öffentlichkeitsarbeit deutlich weniger Spielraum ist. Die Rückkehr in den Journalismus nach einem Job als Pressesprecher sei im Prinzip immer möglich, meint Christian Walther:

    "Da sehe ich auch keine so großen Schwierigkeiten, …., das ist also keine Deformation, die man erleidet, wenn man in die PR geht, in die Öffentlichkeitsarbeit, als Regierungssprecher, für eine Behörde, was auch immer, und vor allen Dingen, …, es ist ja auch eine Qualifikation, die man erlangt. Man bekommt Innenansichten von Behörden, man bekommt viel tiefere Einsichten von bestimmten Themen, damit bereichert man natürlich auch die Redaktion, in die man zurückkehrt."