Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Auf der Höhe der Zeit

Carl Maria von Webers "Freischütz" gilt als die erste deutsche Nationaloper. Vier Jahre arbeitete er daran. Es sollte etwas Besonderes werden, die Linie fortführen von Mozarts "Zauberflöte" über den Beethovenschen "Fidelio". Heute vor 185 Jahren war die Uraufführung im Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt.

Von Georg-Friedrich Kühn | 18.06.2006
    Die Erwartung war riesig, die Atmosphäre aufgeheizt. E.T.A. Hoffmann begrüßte Carl Maria von Weber schon bei dessen Ankunft in Berlin überschwänglich. Da hatte der Freischütz noch gar keinen Probeschuss getan.

    "Ja, ganz unser bist Du. Deinen Werken erstrahlt in vollem Himmelsglanz das Wahrhaftige wie den Werken unseres Händel, Hasse, Gluck, Mozart… Denn nur dem Wahrhaftigen mag sich noch der echte deutsche Sinn erschließen."

    Zur Premiere rieselte es Flugblätter. Die lobten Weber und schossen auf das "große Tier" der Berliner Oper, Gasparo Spontini und dessen hohlen Bühnengigantismus.

    "Das Hurrah jauchzet, die Büchse knallt / Willkommen, Du Freischütz, im duftenden Wald /…/ Und wenn es auch keinem Elefanten gilt, / Du jagst wohl nach edlerem Wild."

    Es war Zufall, dass der "Freischütz" gerade am 18. Juni 1821 uraufgeführt wurde, dem Tag von "Belle Alliance", dem Gedenktag an den Sieg Wellingtons über Napoleon bei Waterloo. Zum eigentlichen Termin ein paar Tage vorher wollte König Friedrich Wilhelm III. noch der "Olimpia" seines verehrten Musikgenerals Spontini Unter den Linden beiwohnen.

    Als Aufführungsort für den "Freischütz" war das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt bestimmt. Dort sollte die neue Nationalkultur ihren Platz haben. Nach einem Brand war der Schinkel-Neubau mit Goethes "Iphigenie" eben eröffnet worden. Webers Werk war die erste Oper dort.

    "'Der Freischütz' wurde mit unglaublichstem Enthusiasmus aufgenommen. Ouvertüre und Volkslied da capo verlangt, überhaupt von 17 Musikstücken 14 lärmend applaudiert. Alles ging auch vortrefflich… Gedichte und Kränze. Soli Deo Gloria", "

    so notiert der Komponist ins Tagebuch. Und die "Vossische Zeitung" war sich sicher,

    ""dass seit Mozart nichts Bedeutenderes für die Deutsche Oper geschrieben ist als Beethovens 'Fidelio’' und dieser 'Freischütz'"

    Was war so neu, so elektrisierend? Zum einen: Weber und sein Librettist Friedrich Kind trafen ein Gefühl der Zeit, den in den Befreiungskriegen erwachten deutschen Nationalismus. Im Finale, wenn der Eremit vom Fürsten den Verzicht auf das barbarische Ritual des Wettschießens um eine Braut verlangt, formulieren sie zugleich Erwartungen an eine aufgeklärte Monarchie.

    Zum anderen ist es ein neuer "romantischer" Ton, der zumal in den Arien der Agathe und des Max stilbildend wurde. Ludwig Tieck beschreibt ihn so:

    "Der rechte Ton muss wie die Sonne aufgehen, klar majestätisch, hell und immer heller. Man muss die Unendlichkeit in ihm fühlen."

    Dass im "Freischütz" auch die politischen Fronten des von der Restauration Metternichs bestimmten Biedermeier verschwammen, kommentierte Richard Wagner einigermaßen verblüfft:

    "Es lallte der Berliner Philosoph: 'Wir winden dir den Jungfernkranz’… Fürst Metternich tanzte nach dem Ländler der böhmischen Bauern, und die Jenaer Studenten sangen ihren Professoren den Spottchor vor."

    Dass das Ganze glückte, hatte Weber auch dem so ehrgeizigen wie hellsichtigen Schauspielhaus-Intendanten zu verdanken, dem Grafen Brühl. Der animierte den Dresdner Kapellmeister zu diesem Werk. Brühl wiederum hatte von Kanzler Fürst Hardenberg als Maxime mit auf den Weg bekommen:

    "Machen Sie das beste Theater Deutschlands, und danach sagen Sie mir, was es kostet."

    Es waren sehr besondere Bedingungen, die Max schließlich die Wälder von Petersburg bis Sydney durchstreifen und den "Jungfernkranz" zum Volkslied werden ließen.