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Auf der Suche nach der geeigneten Talsperre

An drei verschiedenen Orten sucht die Aachener Firma Trianel einen Standort für den Bau eines Pumpspeicherkraftwerks. Im thüringischen Tambach-Dietharz zum Beispiel. Dort liegen die Nerven der Bürger blank - sie fürchten um ihr Trinkwasser.

Von Blanka Weber | 21.06.2013
    "Wenn man in Größenordnungen Allgemeingut vernichtet, nämlich Wald, mit seinen ganzen Funktionen, die der Allgemeinheit zugute kommen, dann muss man sich auch gefallen lassen, dass die Allgemeinheit das nach ihren Maßstäben bewertet. Und sie muss es auch. Darum sind wir hier."

    Runder Tisch in Tambach-Dietharz: Die Nerven liegen blank. Frage Nummer eins: Was wird aus den Trinkwasserreserven und aus dem Waldstück, wenn inmitten des Areals ein zweites Becken benötigt wird für das geplante Pumpspeicherkraftwerk. Ein zweites, höher gelegenes muss gebaut werden, das vorhandene der jetzigen Talsperre könnte zum Unterbecken werden. Ein Eingriff in die Natur, sagen Bürger und Umweltschützer. Burkhardt Vogel vom BUND Thüringen warnt davor, lokale Wasserreserven leichtfertig aufs Spiel zu setzen wie das Beispiel Ostthüringen zeige. Dort wird die Region per Fernleitung mit Wasser aus einer Talsperre, der Talsperre Leibis versorgt.

    "Hier geht es einseitig um den Schutz der Fernwasserversorgung, der aufrecht erhalten werden soll, das hat dazu geführt, dass dutzende, wenn nicht hunderte Trinkwasserschutzgebiete in Thüringen aufgehoben worden sind."

    Das könnte am geplanten Standort in Südthüringen auch passieren, befürchten die Umweltschützer. Aus Sicht des Unternehmens gibt es zwischen Pro und Contra beim geplanten Wasserspeicherkraftwerk eine unterschiedliche Gemengelage, sagt der Unternehmenssprecher Elmar Thyen:

    "Die verantwortlichen Gemeinderäte im Kreis Gotha, haben sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass dieses Projekt vorangebracht wird, dass es geprüft wird und das die Gemeinden, die dieses Projekt unterstützen. Und im Rahmen eines solchen Prüfung findet auch eine Bauvoranfrage – also ein Raumordungsverfahren statt, und da sind wir jetzt."

    Das Raumordnungsverfahren läuft derzeit, der Bürgerboykott hält allerdings auch an. Und das ist nicht nur in Thüringen so. Das Unternehmen Trianel hat derzeit mehrere Standorte im Blick. An der Nethe, im ostwestfälischen Kreis Höxter und am Rursee in der Eifel.

    Pumpspeicherkraftwerke könnten die nötige Grundlast als Ergänzung zum wetterabhängigen Strom aus Sonnen- und Windenergie liefern und als Speicher dienen. Wenn das allgemeine Energieaufkommen hoch ist, wird Wasser in ein höher gelegenes Becken gepumpt; wenn dann später die Energie gebraucht wird, lässt man das Wasser wieder abfließen und speist den Strom ins Netz ein.

    Doch auch an den beiden Standorten in Nordrheinwestfalen – so der Unternehmenssprecher ungewohnt offen – gebe es Kritik der Bürger:

    "Weil sich eine Gemeinde, die mit am Unterbecken am Rursee selbst liegt, gegen das Projekt ausspricht. Die zweite Gemeinde ein bisschen zwischen Baum und Borke, zwischen Talsperre und Berg liegt und die dritte Gemeinde sich im Moment dafür ausspricht. Das ist also eine andere Gemengelage, während ich hier eine Einstimmigkeit bei allen betroffenen Gemeinden habe."

    Was auch daran liegen könnte, das die Thüringer Gemeinden mit günstigen Steuereinnahmen liebäugeln. Von einigen Hunderttausend bis hin zu einem einstelligen Millionenbetrag - pro Jahr – könnte man ausgehen – das haben Beispiele anderer Kommunen wie Goldisthal gezeigt. Die Einnahmen würden von der Energiepolitik abhängen. Genau diese müsse für Investoren künftig berechenbar sein. Der Trianel- Unternehmenssprecher fordert:

    "Das wir eine Stabilität in die Energiepolitik der Bundesrepublik bekommen, das ist das, was uns in den letzten Jahren doch massiv fehlt, der gesamten Energiewirtschaft, die Berechenbarkeit der energiepolitischen Vorgaben."

    Trianel ist ein Zusammenschluss von Stadtwerken und kommunalen Energieanbietern und hat – nach eigenen Angaben – etwa 100 Gesellschafter. In acht Jahren seien bereits drei Milliarden Euro investiert worden, so der Sprecher. Erfolgreich sei man in Planung auch mit einem Chemieparkbetreiber in Krefeld.

    Nun also das Wasserspeicherkraftwerk, für das – zumindest - an der Basis, ob in Thüringen, in Höxter oder am Rursee in der Eifel, erst Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.

    Wenn in Thüringen das Raumordnungsverfahren erfolgreich wäre, könnten ab 2019 die Baulaster durch die Kommunen rollen, um das zweite Speicherbecken zu erreichten. Der Gedanke mag allerdings derzeit auch niemandem gefallen. 2025 könnte dann das neue Kraftwerk ans Netz gehen.
    Bis dahin wird es noch einige Runde Tische geben, sagt nicht nur der Leiter dieser Versammlung, Bürgermeister der anliegenden Kommune Tambach-Dietharz. Auch Burkhardt Vogel vom BUND Thüringen sieht offene Fragen bei der Energiewende:

    "Was nicht passieren darf, und diese Gefahr sehen wir natürlich auch, dass es jetzt wieder zu einer Monopolisierung kommt der Energieversorgungsunternehmen, das wieder nur Großkraftwerke und große Leitungsnetze umgesetzt werden. Wir brauchen Energiewende von unten. Wir brauchen regionale Energieversorgungsstrukturen."

    Jetzt kann das Land Thüringen entscheiden, inwiefern das geplante Projekt, eine Investition von schätzungsweise insgesamt 1,7 Milliarden Euro, genehmigt wird oder nicht und zu welchen Bedingungen.