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Auf heißen Kohlen

Eine Militärintervention afrikanischer Staaten in Mali wird immer wahrscheinlicher. Auch die EU erwägt Ausbildungshilfen für das malische Militär. Mit welchem Auftrag dann auch deutsche Soldaten in die Wüste geschickt werden sollen ist umstritten. Frankreich ist da weniger zögerlich.

Von Hans Woller | 27.10.2012
    Die offizielle Sprachregelung in Paris lautet schlicht und einfach: Frankreich wird nicht direkt intervenieren. Präsident Francois Hollande höchstpersönlich:

    "Ich will es ganz klar sagen: Die Entscheidung liegt bei den Afrikanern, bei der Eingreiftruppe der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS und der Afrikanischen Union. Wir werden diesen Partnern gegenüber loyal sein und das internationale Recht respektieren. Wenn man uns um logistische Unterstützung bittet, um Material und Informationen, werden wir das liefern. Wir werden nicht an Stelle der Afrikaner intervenieren. Wir können materielle Unterstützung bieten, wir können ausbilden, aber Frankreich wird nicht intervenieren."

    In der südmalischen Hauptstadt Bamako haben französische Spezialkräfte bereits eine Abhörzentrale eingerichtet und einige hundert der inzwischen nur noch 5000, in Afrika stationierten französischen Soldaten sind in umliegende Länder verlegt worden.

    Alle französischen Experten sind sich jedoch einig, dass eine militärische Intervention ein extrem langwieriges Unterfangen werden könnte. Philippe Hugon, Forscher am Institut für internationale und strategische Studien, nennt Mali "eine der verwundbarsten Zonen des Erdballs", wo die Situation schon bald der in Somalia ähneln könnte, sagt aber mit Blick auf ein militärisches Eingreifen:

    "Erst einmal muss ja die malische Armee aufgebaut werden, die völlig am Boden liegt. Es gibt keine Legitimität für eine Intervention afrikanischer Truppen der ECOWAS ohne eine nationale Armee, die ihr eigenes Territorium zurückerobern will. Und außerdem gibt es in Mali momentan nicht mal eine legitimierte politische Macht."
    Frankreich ist bemüht, sich nicht dem Vorwurf des postkolonialen Verhaltens auszusetzen. Doch im Grunde hält es sich immer noch für den Garant der Sicherheit der Staaten seines ehemaligen Kolonialreichs, wozu auch Mali gehört. Ein frankofones Land, in dem 5000 französische Bürger leben, während in Frankreich selbst rund 150.000 Malier eine der grössten schwarzafrikanischen Gemeinden des Landes bilden.

    Die ökonomischen Interessen Frankreichs in dem westafrikanischen Land sind derzeit eher gering – wenn, dann hat Frankreich mittelfristige strategische Interessen. Denn im Norden Malis liegen drei bislang noch nicht erforschte Erdölfelder. Und, so die Afrikaexpertin Gaelle Aerson:

    "Es gibt im Norden des Landes bislang zwar noch keinen Bergbau, aber beachtliche Bodenschätze, vor allem Uran. Die Uranvorkommen liegen in der Gegend zwischen Gao und Kidal. Es handelt sich um eine ähnliche geologische Formation, wie die, die im benachbarten Niger die Uranminen des französischen Atomkonzerns AREVA beherbergt und es gibt große Phosphatvorkommen im Norden."

    Frankreich bewegt sich angesichts des Krisenherdes im Norden Malis wie auf heißen Kohlen. Denn zu allem Überfluss hat eine mit "Al-Kaida im Maghreb" verbundene Terrororganisation seit fast zwei Jahren sechs französische Geiseln in ihren Händen. Dies allein ist schon kompliziert genug, aber, so Verteidigungsminister Le Drian:

    "Diese bewaffneten Gruppen erklären jedem, der es hören will, dass sie jeder Zeit weitere Geiseln nehmen könnten. Diese Situation ist ausgesprochen unerträglich. Wir müssen alle Mittel einsetzen, um unsere Geiseln zu retten und gleichzeitig die territoriale Integrität Malis sichern. Daran arbeiten wir auch, aber die einzelnen Schritte sind extrem schwierig."

    Extrem schwierig, für das mittelfristige Gelingen einer militärische Intervention aber unerlässlich, wäre es, Malis Nachbarstaat Algerien mit an Bord zu holen. Frankreichs Präsident wird bei einem Staatsbesuch Anfang Dezember in Algier dafür Druck machen. Der Afrikaexperte, Antoine Glaser:

    "Algerien will keine internationalen Truppen an seiner südlichen Staatsgrenze haben. Algerien hat die Kolonnen von schwer bewaffneten Kämpfern gesehen, die vom Süden Libyens nach Mali zogen, ohne den Finger zu rühren. Algerien hat sozusagen seine eigenen Probleme exportiert, denn man muss wissen, dass die Leute von 'Al-Kaida im Maghreb' ja überwiegend Algerier sind. Algerien aber schweigt zu diesem Problem und das ist ein wenig beunruhigend."

    Schließlich ist Paris noch mit einer weiteren Schwierigkeit konfrontiert, mit dem Widerspruch, dass diese bewaffneten, radikalislamistischen Gruppen im Norden Malis, laut mehreren Geheimdienstberichten, finanziell und materiell von Katar unterstützt werden, eben jenem Golfstaat, mit dem Frankreich seit Jahren privilegierte Beziehungen pflegt, dem es den roten Teppich ausrollt, unter anderem mit Steuervorteilen bei den spektakulären Milliardeninvestitionen des Scheichtums in Frankreich.