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Auf Konfrontationskurs

Angesichts der Zuspitzung des Konfliktes über das iranische Atomprogramm wächst in der Bevölkerung des Landes die Angst vor einem Waffengang. Erst kürzlich hatte der französische Außenminister Bernard Kouchner diesen Befürchtungen sogar einen noch größeren Auftrieb gegeben - als er andeutete, dass man sich darauf vorbereiten müsse, Krieg gegen den Iran zu führen.

Von Martin Ebbing | 29.09.2007
    Hamid Boroundi sitzt vor seinem Elektroladen im Süden von Teheran und plaudert mit ein paar Bekannten aus der Nachbarschaft.

    "Nein, ich habe keine Angst. Es wird keinen Krieg geben. Das ist alles doch nur psychologische Kriegsführung."

    Nach Boroundis Auffassung kann es allein schon deshalb keinen Krieg geben, weil der Iran dazu keinen Anlass liefere:

    "Wir Iraner haben uns immer an alle Regeln gehalten. Mit unserem Atomprogramm tun wir nur das, was unser Recht ist. Und wenn es doch Probleme geben sollte, dann wissen auch die Amerikaner und die Israelis, dass nach einem Krieg der ganze Mittlere und Nahe Osten nicht mehr sicher sein werden. Die Amerikaner haben jetzt schon genug Probleme in Afghanistan und im Irak."

    Gemüsehändler Ali, der lieber seinen Nachnamen nicht genannt wissen möchte, würde sich sogar einen Krieg wünschen, glaubt aber nicht daran, dass es dazu kommen wird:

    "Ich würde mich sehr freuen, wenn ein Krieg ausbrechen würde. Schauen Sie sich unsere Situation doch an. Die Geschäfte laufen schlecht. Alle sind unzufrieden. Dieses Regime muss verschwinden."

    So ganz furchtbar ernst meint er es allerdings auch nicht. Er ist von der sich ständig verschlechternden wirtschaftlichen Lage frustriert, aber nachdem das Mikrophon ausgeschaltet ist, verrät er, dass er selbstverständlich sein Land gegen einen Angreifer - wen auch immer - verteidigen werde.

    Auch wenn die Unzufriedenheit mit der Situation im Land wächst, hat die Propaganda des Regimes ihre Wirkung nicht verfehlt. Das Atomprogramm gilt als verbrieftes Recht und wer nichts Unrechtes tut, der braucht auch keine Feinde zu fürchten.

    "Keiner wird mit uns einen Krieg anfangen","

    sagt der Rentner Mohammad Soleimaney auf seiner Parkbank im Park-e Melli.

    ""Wir wollen keinen Krieg. Die USA und Israel wollen uns einen Krieg diktieren, aber sie werden es nicht schaffen, weil wir nichts Falsches gemacht haben."

    Auch Präsident Ahmadinejad gab sich bei seinem Aufenthalt in New York zu Beginn der Woche gelassen. In Interviews unterstrich er immer wieder seine Zuversicht, dass es nicht zu einem Krieg kommen werde. Die an den Tag gelegte Gelassenheit an höherer Stelle ist in erster Linie Psychologie. Nach außen will man demonstrieren, dass man sich von Drohungen nicht beeindrucken lasse. Nach innen hin soll die Bevölkerung beruhigt werden. Hinter den Kulissen sieht es freilich ein wenig anders aus. Said Leylaz ist einer der prominentesten Beobachter des politischen Geschehens im Iran.

    "Unglücklicherweise werden die diplomatischen Möglichkeiten zur Lösung des Konfliktes immer geringer. Die USA sind nicht bereit, dem Iran Sicherheitsgarantien im Gegenzug für die Einstellung der Urananreicherung zu geben. Dies ist die rote Linie für Teheran und deshalb wird der Iran auch seine Anreicherungsarbeiten nicht einstellen. Auf der anderen Seite ist der Stopp der Anreicherung die rote Linie in Washington. Schritt für Schritt nähern wir uns einem Krieg. Dies ist bislang noch nicht unvermeidbar, aber dazu müssten entweder die USA die iranische Urananreicherung akzeptieren oder Teheran müsste sich damit abfinden, dass es keine Sicherheitsgarantien erhält. Beides erscheint mir im Moment unmöglich. Deshalb bewegen wir uns auf eine sehr kritische Phase zu und es wird noch ernster werden, wenn sich herausstellt, dass die Wirtschaftssanktionen nichts an der Haltung des Irans ändern."

    Auch Davoud Hermidas Bavand ist pessimistisch, dass sich ein Krieg noch verhindern lässt. Hermidas lehrt Internationales Recht an der Teheraner Universität. Früher war er iranischer Diplomat und verfügt weiterhin über gute Beziehungen zum Außenministerium in Teheran.

    "Meine Auffassung war immer, dass die USA zwar eine sehr aggressive Strategie gegenüber dem Iran verfolgen, sie aber im Schatten dieser aggressiven Haltung versuchen werden, in Verhandlungen zu einer Lösung zu kommen. Es ist aber nicht zu handfesten Ergebnissen gekommen. Nachdem die Ansätze von Verhandlungen ein Fehlschlag waren, rücken wir jetzt einem Krieg und damit einer drohenden Katastrophe immer näher."

    Welche Konsequenzen ein solcher Krieg für den Iran haben würde, wird davon abhängen, in welchem Umfang die militärischen Aktionen durchgeführt werden. Bleibt es bei Luftschlägen gegen vereinzelte nukleare und militärische Anlagen - einem so genannten "taktischen Angriff" -, dann müsste nach Meinung von Said Leylaz das gegenwärtige Regime nicht um sein Überleben bangen.

    "Bei einem taktischen Angriff könnte man das Regime, wenn es nicht mit einem Gegenschlag reagiert, natürlich demütigen. Aber das reicht nicht aus, um einen Regimewechsel herbeizuführen. Es wird Unruhen geben, aber das Regime wird in der Lage sein, die Situation zu kontrollieren. Im Moment verdient der Iran mit seinen Öleinannahmen am Tag 200 Millionen US Dollar. Mit diesen enormen Summen wäre jeder in der Lage, die Situation zu kontrollieren."

    Am letzten Montag ließ die iranische Regierung einen Probealarm des Luftabwehrsystems durchführen. Offiziell geschah dies in Erinnerung an den Kriegsbeginn mit dem Irak. Es gibt derzeit in Teheran aber auch noch andere Gründe, sich auf einen möglichen Luftangriff vorzubereiten.