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Auf Wiedersehen Günter Netzer

Für Günter Netzer ist es Zeit, "Auf Wiedersehen" zu sagen. Nach 13 Jahren hat sich die Gesprächskultur des Erfolgsduos Netzer/Delling überholt. Nun sind frische Typen wie Mehmet Scholl gefragt.

Von Heinz Peter Kreuzer | 11.07.2010
    "Herzlich willkommen hier im Gottlieb-Daimler-Stadion, einen schönen Guten Abend auch unserem neuen Mitspieler Günter Netzer für diese Weltmeisterschaft."

    Für die Weltmeisterschaft 1998 hatte die ARD wieder einen Experten verpflichtet. Der exzentrische Fußballer und erfolgreiche Geschäftsmann Günter Netzer bildete mit Moderator Gerhard Delling ein erfolgreiches Paar. Dabei war die Skepsis am Anfang groß. Denn das Experiment mit dem Kommentatorenpaar Gerd Rubenbauer und Karlheinz Rummenigge war Jahre zuvor in einem Fiasko geendet. Und Netzers erste Schritte im Fernsehen waren ebenfalls eine Pleite. An der Seite von Moderator Ulli Potofski sollte er in der RTL-Bundesligasendung "Anpfiff" die Spiele nicht nur analysieren, sondern auch schönreden. Das Experiment scheiterte kläglich.

    Aus diesen Erfahrungen hat Netzer gelernt, im Dialog mit Delling setzte er auf Authentizität, als Experte und beim Outfit. In den 13 Jahren änderte sich er nie, Anzug, Krawatte und die seit den 70er-Jahren unvermeidliche Matte waren sein Markenzeichen. Dazu kamen die gespielten Streitgespräche.

    "Guten Abend, Günter Netzer." - "Guten Abend." - "Alles was sie sagen, kann gegen sie verwendet werden." - "Ihr Pseudowissen ist hier nicht gefragt." - "Warum aus mir nichts geworden ist, wissen sie am besten, deswegen stehe ich ja hier." - "Ungebildeter Mensch."

    Die Krönung ihrer Streitkultur erlebte das Traumpaar Netzer/Delling im Jahr 2000 mit dem Gewinn des Grimme-Preises für die Präsentation der Fußball-Länderspiele. Ein Novum in der Geschichte des Fernsehpreises. 2008 erhielten sie den Medienpreis für Sprachkultur.
    Aber Netzer erhielt nicht nur Lob. Im Hauptberuf war der heute 65-Jährige Rechtehändler, verkaufte unter anderem die TV-Lizenzen für die Partien der deutschen Nationalmannschaft. Für seine Doppelrolle wurde er von den Medien kritisiert.

    "Es gab mal ganz findige Journalisten, die haben versucht, das rauszufinden. Also wir als Firma verkaufen Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft an die ARD. Jetzt haben die gesagt, das ist ein amerikanisches Prinzip, das, was man verkauft hat, redet man gut. das ist ja selbstverständlich, das ist ein wertvolles Gut. Jetzt wollen wir uns anschauen, wie der Netzer das präsentiert und kommentiert. Und dann haben sie feststellen müssen, die haben das über ein Jahr untersucht, das genau diese Spiele, die ich Ihnen verkauft habe, dass die am schlechtesten weggekommen sind."

    Das hörte sich dann so an.

    "So kommen wir nicht weiter. Das ist keine Philosophie, das ist keine Strategie, das ist kein System, das ist gar nichts."

    Privat verstehen sich die beiden gut, Netzer war sogar Dellings Trauzeuge.

    "Wir sind ein Herz und eine Seele, das glauben uns die Menschen nicht. Das kommt auch manchmal nicht so rüber, von Ihnen." - "Von mir." - "Ich bin ja viel zu höflich, um aufzudecken, dass sie auch nicht alles wissen. Deswegen spiele ich meinen Part so."

    Das Erfolgsgeheimnis des Erfolgsduos beschreibt der Medienexperte Bernd Gäbler so:

    "Zwei Spröde reiben sich aneinander - und, oh Wunder! - da schlägt es Funken."

    Zum Abschied sagte Delling einfach danke, sein Partner hielt eine Laudatio auf das Fernsehteam und besonders auf seinen Moderator.

    "Ich muss ihnen auch danken. In diesen 13 Jahren haben sie sich als echter Freund erwiesen, auch vor der Kamera. Wenn ich wieder mal nicht fähig bin, irgendwelche Dinge zu verstehen, haben sie mir geholfen, sie haben darüber weggesehen und es ist wirklich eine Freude gewesen, mit ihnen zu arbeiten."

    Jetzt ist es Zeit, "Auf Wiedersehen" zu sagen. Nach 13 Jahren hat sich die Gesprächskultur des Erfolgsduos überholt. Nun sind frische Typen wie Mehmet Scholl gefragt, die den modernen Fußball erklären. Scholl wird Netzers Position übernehmen, aber ein Traumduo wird es nicht mehr geben. Delling muss sich den Experten mit Reinhold Beckmann teilen.