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Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit
Entschädigung für Dopingopfer

25 Jahre nach der Wiedervereinigung dauert die Aufarbeitung des DDR-Unrechts immer noch an - auch im Sport. Bei vielen Opfern des systematischen DDR-Zwangsdopings zeigen sich die Folgeschäden erst jetzt. Als Entschädigung will der Bund nun 10 Millionen Euro zahlen - pocht aber auch auf die Verantwortung des organisierten Sports.

Von Andrea Schültke | 15.11.2015
    Die DDR-Leichtathletin Birgit Uibel (l., 382) und ihre Landsmännin Petra Pfaff (r., 371) kurz vor dem Start des Finallaufes der 400m Hürden bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Athen, Griechenland, am 10.09.1982.
    Nach eigenen Angaben wurde die DDR-Leichtathletin Birgit Uibel (l.) bereits mit 15 Jahren sehr stark gedopt. Sie wurde später offiziell als DDR-Dopingopfer anerkannt. (picture alliance / dpa / Wolfgang Weihs)
    Einen entsprechenden Vorschlag hatte Ole Schröder bereits vor sechs Wochen im Deutschlandfunk gemacht. Jetzt kann der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, das für den Sport zuständig ist, Vollzug melden:
    "Ich bin sehr froh, dass der Haushaltsausschuss jetzt entschieden hat, dass der Bund zehn Millionen für die Dopingopfer der DDR zur Verfügung stellt. Denn in der DDR wurden auch Kinder gedopt mit Steroiden. Folgeschäden zeigen sich erst jetzt, Karzinome, aber auch schwere Depressionen, deshalb ist es sehr gut, dass dieser Beschluss jetzt gefasst wurde."
    Viele Dopingopfer warten immer noch auf Entschädigung
    Das Geld soll den Betroffenen zugute kommen, die bisher noch keine Entschädigung erhalten haben, etwa nach dem Dopingopferhilfegesetz vor 13 Jahren. Oder vor neun Jahren durch das Arzneimittelunternehmen Jenapharm, das in der DDR die Dopingmittel produziert hatte, den Bund und den Sport. Den nimmt Ole Schröder auch jetzt wieder in die Pflicht:
    "Natürlich war es in der DDR auch Doping der Verbände, Doping des Sports, und die jetzigen Verbände stehen in unmittelbarer Rechtsfolge und deshalb erwarten wir selbstverständlich vom Sport, dass auch der Sport seiner Verantwortung gerecht wird."
    Der aber will offenbar nicht und scheint froh, dass die Zahlungen aus anderen Töpfen kommen. So begrüßt Michael Vesper,Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), "dass jetzt der Bund eine weitere Welle im kommenden Jahr in Angriff nehmen will und dafür 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat."
    Dabei möchte es der DOSB-Chef gern bewenden lassen. Weitere Fragen zum Thema Entschädigung der DDR-Dopingopfer möchte er lieber gar nicht hören. Zum Beispiel die nach der Verantwortung des Sports und seiner finanziellen Unterstützung der Geschädigten:
    "Ich geh davon aus, dass diese zehn Millionen Euro auskömmlich sein werden, und man muss jetzt abwarten, wie die Regeln aufgestellt werden, nach welchen diese Mittel dann verausgabt werden sollen. Und daran werden wir uns, wenn das gewünscht ist, auch beteiligen, aber wir sind nicht in der Lage, Millionenbeträge für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Jetzt ist gut, danke."
    Wird der organisierte Sport seiner Verantwortung gerecht?
    Danach bricht Michael Vesper das Interview ab. Das Thema passt offenbar nicht in seine Agenda. Viel lieber spricht er über die Olympiabewerbung Hamburgs, richtet den Blick in die Zukunft. Aufarbeitung der Vergangenheit passt anscheinend nicht ins Konzept. Also kein Geld vom Sport für die DDR-Dopingopfer. Vespers Aussagen decken sich mit einem schriftlichen Statement des DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann von Ende Oktober. Die Absage des Sports will Staatssekretär Ole Schröder nicht gelten lassen. Er hat offenbar ganz andere Signale vernommen:
    "Ich höre vom Sport und auch vom DOSB, dass man sich seiner Verantwortung gerecht werden wird und darüber beraten wird. Und ich geh davon aus, dass der Sport jetzt auch klar erkennt, dass auch der Sport seinen Beitrag leisten muss."
    Statements wie diese sollen dem erwarteten Erkenntnisgewinn des Sports wohl auf die Sprünge helfen. Der DOSB habe jetzt Zeit, darüber nachzudenken welchen Beitrag er leisten kann, so Ole Schröder. Anfang Oktober hatte er noch zehn Millionen Euro als Anteil des Sports ins Gespräch gebracht. So konkret wurde er jetzt nicht, beharrt aber weiter auf einer Beteiligung des Sports am neuen Dopingopferhilfefonds:
    "Ich fordere den Sport auf, seiner Verantwortung gerecht zu werden und seinen Teil dazu beizutragen. Ich geh davon aus, dass das auch stattfinden wird. In welcher Form, das bleibt abzuwarten."
    Mit anderen Worten: Wir haben vorgelegt, jetzt seid ihr dran.