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Aufarbeitungspreis der Bundesstiftung Aufarbeitung
DLF-Legende Karl Wilhelm Fricke wird ausgezeichnet

Karl Wilhelm Fricke ist nach dem Fall der Mauer zu dem Experten über Repressionen in der DDR geworden. Der Journalist sagte im Dlf, er habe sich bemüht, saubere journalistische Arbeit zu machen. Nun wird er mit dem Aufarbeitungspreis ausgezeichnet

Von Brigitte Baetz | 14.06.2017
    Karl Wilhelm Fricke
    Karl Wilhelm Fricke ist der erste Preisträger des Aufarbeitungspreises (picture alliance / dpa )
    Programmsprecherin: "Hier ist der Deutschlandfunk mit einem Kommentar von Karl Wilhelm Fricke. Sein Thema: Gefährliche Feindbild-Agitation."
    "Mit der Saurengurkenzeit ist nicht zu entschuldigen, was sich zurzeit Ideologen und Propagandisten in der DDR leisten."
    Er sagte darüber:
    "Die waren schon geprägt auch, sagen wir mal, vom Geist des Kalten Krieges," sagt der heute 87-jährige Karl Wilhelm Fricke, über seine Beiträge und Artikel.
    "Insofern war ich schon das, was man damals einen Kalten Krieger nannte. Aber das war natürlich bei meiner Vergangenheit auch eine relativ normale Reaktion, ich muss ja berücksichtigen, dass mein Vater als politischer Häftling im Gefängnis in Waldheim ums Leben gekommen ist. Und das hat mich natürlich geprägt und hat mich motiviert, gegen das Regime und die Justiz in der DDR eben publizistisch anzukämpfen."
    Karl Wilhelm Fricke deckt Stasi-Chefs Beiteiligung an Mord auf
    Die Gewissheit, dass dieser Weg für ihn der richtige war, verfestigte sich noch durch ein zweites entscheidendes Ereignis in den beruflichen Anfangsjahren von Karl Wilhelm Fricke. Als freier Journalist im Westteil Berlins lebend, hatte er schon 1954 berichtet, dass der spätere Stasi-Chef Erich Mielke während der Weimarer Republik an einem Doppelmord beteiligt gewesen war. Die Staatssicherheit, ohnehin, wie Fricke sagt, zu dieser Zeit von einer "Spionage-Hysterie" erfasst, beschloss, den unbequemen Autor zu entführen.
    "Die Staatssicherheit hat aufgrund meiner Veröffentlichungen über die DDR geglaubt, ich hätte Kontaktleute in der DDR und würde die preisgeben, wenn man meiner habhaft würde. (…)"
    Fünf Jahre im Stasi-Gefängnis
    Der 25jährige Fricke wurde in eine Falle gelockt. Ein Bekannter, der ihm regelmäßig Bücher aus der DDR zur Rezension verschafft hatte, ließ ihm während eines Treffens Schlaftabletten in den Cognak schütten. Fricke wurde übel, verlor das Bewusstsein und wachte in der DDR wieder auf, genauer: im berüchtigten Gefängnis in Hohenschönhausen, umringt von Stasi-Offizieren.
    "'Weißt Du, wo Du bist, Du Schwein. Du bist im demokratischen Sektor.' Und ich habs gar nicht erst begriffen. Weil ich war noch so benommen (…) Ich hab dann tatsächlich unter dem homerischen Gelächter der Stasi-Offiziere gesagt, na wenn ich Euch nicht passe, dann kann ich ja gehen. Da haben die natürlich gewiehert."
    Journalistische Heimat beim Deutschlandfunk
    Gehen ließ das Regime der DDR Karl Wilhelm Fricke erst über fünf Jahre später - nach 15 Monaten Untersuchungshaft und vier Jahre Gefängnis wegen "Kriegs- und Boykotthetze". Fricke verbrachte sie in Isolationshaft und sagte sich Gedichte auf, um die Angst vor dem Sprachverlust zu bekämpfen. Ausgesagt hatte er nichts - weil er nichts auszusagen hatte, wie er sagt. Seine Entführung hält er heute noch für eine "riesengroße Dummheit" der Staatssicherheit - die Fricke nach seiner Entlassung und der Rückkehr nach Berlin im Westen große Bekanntheit verschaffte. Beim Deutschlandfunk fand er 1970 seine journalistische Heimat und baute die Ost-West-Redaktion auf, die sich zur Abteilung Hintergrund weiterentwickelte.
    "In der Tat wollte ich nicht meine Vergangenheit bewältigen, indem ich nun den Haudrauf gebe, sondern ich habe mich bemüht, saubere journalistische Arbeit zu machen, gerade in der Auseinandersetzung mit der DDR."
    "Auf der richtigen Seite" stehen war richtig
    Und wäre dies nicht so gewesen, Fricke wäre nicht zu dem DDR-Experten des Westens geworden, auch anerkannt von der Politischen Wissenschaft. Nicht nur durch seine Rundfunkbeiträge, auch durch Bücher, Vorträge und - nach dem Fall der Mauer - als Sachverständiger der beiden Enquete-Kommissionen des Bundestages zur Aufarbeitung und Überwindung der SED-Diktatur. Ältere Kollegen sagen, dass sich Karl Wilhelm Fricke durchaus als Gewinner im Kalten Krieg begreift. Aber was meint er selbst?
    "Ist vielleicht ein bisschen hochgegriffen. Aber es ist sicherlich richtig, dass ich auf der richtigen Seite stand."