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Aufbegehren gegen "König Kurt"

Nicht nur die Opposition hält den Plan des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentens Kurt Beck zur Schließung des Koblenzer Oberlandesgerichts für falsch. Auch Becks Genossen fragen besorgt: Hat "König Kurt" die Bodenhaftung, die ihn immer auszeichnete, verloren?

Von Ludger Fittkau | 04.08.2011
    "Und wenn ich dann wirklich solche Schlagzeilen lese, wie Revolte! Wo sind wir denn, in Lateinamerika?"

    Nein, das Justizviertel am Deutschen Eck in Koblenz ist nicht Lateinamerika. Aber der Geist des Aufruhrs, den Kurt Beck offenbar mit jenem fernen Kontinent verbindet, herrscht zurzeit auch in Koblenz: An den Fassaden der Justizverwaltungen und Gerichte hängen Transparente, mit denen gegen die vom Ministerpräsidenten geplante Schließung des Koblenzer Oberlandesgerichts protestiert wird. Die Justizbeamten, die hier arbeiten, sagen offen, was sie von der Mainzer Politik halten – nämlich nichts:

    "Wir protestieren dagegen, dass das Oberlandesgericht in Koblenz mehr oder weniger verlegt wird nach Zweibrücken und die Mitarbeiter sehen müssen, wo sie bleiben."

    "Eine Verschlechterung der Situation wird eintreten, und man hätte sicherlich Modelle bringen können, die besser sind, die bürgerfreundlicher sind und nicht eine Radikallösung."

    Sogar prominente Sozialdemokraten der Region engagieren sich inzwischen im Verein "Pro Justiz Rheinland e.V.", der ein Volksbegehren gegen den Mainzer Schließungsbeschluss vorbereitet. Auch aus vielen SPD-Ortsvereinen im rheinischen Teil des Bundeslandes kommt offene Kritik an Beck – so etwas hat es in den 17 Regierungsjahren des Pfälzers noch nie gegeben. Beck versuchte es zunächst mit landesväterlicher Beschwichtigungsgeste:

    "Liebe Damen und Herren, genauso wie überall sonst reden wir auch dort vernünftig und abwägend, und ich lade dazu ein, miteinander zu reden."

    Doch dann fuhr Beck in den Sommerurlaub an die Mosel und überließ die Gespräche zunächst seinem Justizminister und dem grünen Koalitionspartner. Daniel Köbler, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag, traf sich jetzt in Koblenz mit den Betroffenen. Köbler räumte dabei "Kommunikationsfehler" ein, die es während der Koalitionsverhandlungen in dieser Frage gegeben habe.

    "Wir haben lernen müssen, dass wir zuerst mit den Betroffenen hätten reden müssen. Es ist öffentlich geworden, das Vorhaben, dass die Koalition, die damals ja noch verhandelt hat, eben vorhat, die Oberlandesgerichte zusammenzuführen, und die Betroffenen mussten das aus der Zeitung erfahren. Da muss man rückblickend sagen, dass man da einen Fehler gemacht hat und das auch offen einräumen."

    Dass Kurt Beck in den ersten Monaten der neuen rot-grünen Regierung offenbar das politische Gespür gefehlt hat, die Dynamik der Proteste gegen die geplante Schließung des Oberlandesgerichtes vorauszusehen und die brennende Lunte der Revolte auszutreten, hat auch viele Parteifreunde Becks überrascht. "Nahe bei den Leuten" – das wollte der Pfälzer immer sein. Doch nun haben gerade Sozialdemokraten aus dem rheinischen Norden zunehmend das Gefühl, Beck verliere den Kontakt zur Basis.

    Die CDU-Opposition argwöhnt, Beck wolle mit der Schließung des OLG Koblenz womöglich einzelne eigensinnige Richter bestrafen, die gegen die Besetzung des Präsidentenpostens mit einem SPD-nahen Richter protestiert hatten. Die Stelle ist deshalb immer noch unbesetzt, und der Fall beschäftigt im Moment die Gerichte. Oppositionsführerin Julia Klöckner:

    "Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Schließung des OLG und alles, was weiter noch folgt, eine Retourkutsche auf das ist, was Richter gemacht haben."

    Becks Problem: Nicht nur Christdemokraten, sondern eben auch die eigenen Genossen im Rheinland halten die OLG-Schließung für falsch. Längst muss sich die rot-grüne Regierung in Mainz mit dem unangenehmen Vorwurf auseinandersetzen, sie benachteilige den rheinischen Norden des Landes zugunsten des pfälzischen Südens. Plötzlich brechen längst vergessen geglaubte regionale Eifersüchteleien in der SPD wieder auf. Landsmannschaftliche Vorbehalte glaubte man in Rheinland-Pfalz lange Jahre lang nur noch in der CDU zu finden. Nach dem ebenfalls im Norden spielenden Nürburgringskandal, bei dem Kurt Beck die Kontrolle verloren hat, nun die Ankündigung der OLG-Schließung, ohne dass er mit führenden Sozialdemokraten der Region gesprochen hat.

    Becks Genossen fragen besorgt: Hat "König Kurt" die Bodenhaftung, die ihn immer auszeichnete, verloren? Daniel Köbler, der Fraktionschef der Grünen, wehrt sich gegen diesen Verdacht:

    "Ich glaube, dass wir ein bisschen aufpassen müssen, dass wir hier nachvollziehbare Interessen nicht überhöhen zu alten landsmannschaftlichen Gepflogenheiten, wo wir doch im 21. Jahrhundert ein gutes Stück weitergekommen sind. Ich war jetzt auf der Bundesgartenschau in Koblenz. Da hat das Land auch einen substanziellen Beitrag zu geleistet, dass das so ein Erfolg ist für die ganze Stadt und für das Image. Ich kann nicht sagen, dass Koblenz oder das Rheinland benachteiligt wird in Rheinland-Pfalz. Dem ist mitnichten so."

    Eine Lösung gibt es jedoch nicht für die Rheinländer in Rheinland-Pfalz: Sie werden nicht wie zu Zeiten, als sie noch zur preußischen Rheinprovinz gehörten, zum OLG Köln gehen können, wenn sie nicht in das westpfälzische Zweibrücken fahren wollen. Denn Köln gehört bekanntlich heute zu Nordrhein-Westfalen. Und der Geltungsbereich eines Oberlandesgerichts endet im deutschen Föderalismus eben an der Landesgrenze.

    Daran ändern wohl auch die rheinischen Rebellen aus Koblenz nichts. Doch das kann Kurt Beck, der nach seinem Urlaub am kommenden Wochenende erstmals wieder im politischen Mainz auftritt, nicht beruhigen. Wenn die Fachleute seiner Regierung nicht ganz schnell nachweisen können, dass durch die OLG-Fusion nicht mindestens eine Millionensumme jährlich eingespart wird – dann bleibt Beck nur eines: Die Schließungspläne ganz schnell wieder in der Schublade verschwinden zu lassen. Sonst revoltieren die Koblenzer weiter – und starten ein landesweites Volksbegehren. Hätte das Erfolg, bliebe "König Kurt" wohl am Ende nur der Rücktritt.