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Aufforstung auf einer fast kahlen Insel

Gletscher, viel Schnee und Eis, allenfalls noch große Weiden für die Schafe: Das verbindet man mit Island. Kaum zu glauben, dass die Insel früher zum großen Teil bewaldet war. Zaghaft gehen die Isländer an die Wiederaufforstung.

Von Monika Lüpschen | 09.08.2013
    Überraschend viele große Bäume sind im Wald von Hallumstadur zu sehen. Das sei vor über 100 Jahren anders gewesen, sagt Ragnildur Freistandottir vom isländischen Forstverein:

    "Zu Beginn der Aufforstung gab es nur Reste eines Birkenwaldes hier. Wir stehen hier an der Stelle mit den ältesten Bäumen. Sie stammen noch aus der Gründungsphase dieses Waldes. Es handelt sich um die Engelmannfichte, eine Fichtenart aus Amerika."
    Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts erließ das isländische Parlament ein Forstgesetz, um die vorhandenen Wälder zu schützen und neue anzupflanzen. Als die ersten Siedler gegen Ende des 9. Jahrhunderts aus Norwegen kamen, soll noch ein Drittel des Landes bewaldet gewesen sein, und zwar hauptsächlich mit Birken. Doch die Siedler brauchten Brenn- und Bauholz sowie Weideland für ihre Tiere, für die Schafe. So waren die Wälder in kurzer Zeit abgeholzt. Der kurze Polarsommer trug dazu bei, dass sich die Vegetation bis heute nicht erholt hat. Zudem begünstigen Wind und Regen die Erosion. Heute ist nur noch weniger als ein Prozent der Fläche Islands bewaldet.

    85 verschiedene Baumarten wurden gepflanzt
    Das Forstgesetz, im Laufe der Zeit immer wieder den neuen Erfordernissen angepasst, ermöglichte solchen Wald wie beispielsweise jenen in Hallumstadur. Er gehört zu einem staatlichen Forstbetrieb von über 700 Hektar. Aus fossilen Funden weiß man, dass es im Zeitalter des Tertiärs, also vor etwa 70 Millionen Jahren, eine große Vielfalt an Bäumen gab. Nach der Eiszeit hat sich die Moorbirke als bodenständige Art am meisten verbreitet, weil sie kaum Ansprüche an den Standort stellt. Sie wächst allerdings selten zu großen Bäumen heran.

    Jahrzehntelang wurde geforscht, mit welchen anderen Baumarten man aufforsten könnte:

    "Man hat sich auf die Suche begeben nach geeigneten Baumarten, vor allem in Norwegen, dann nach Alaska, Sibirien und wendet sich jetzt Zentraleuropa zu im Bereich der Alpen."

    Erläutert Forstexperte Bernhard Mühlhaus im Wald von Hallumstadur. 85 verschiedene Baumarten wurden hier gepflanzt. Besonders gute Voraussetzungen bieten die Aspe oder Zitterpappel sowie die sibirische Lärche.

    Für neue Aufforstungen wurden im Laufe der Zeit immer mehr Flächen gekauft und neue vorbereitet. Je nach Jahreszeit sieht man über viele Kilometer blaublütige Lupinen. Diese Stickstoff liefernden Pflanzen sollen den Boden fruchtbarer machen, außerdem binden sie Sand und Flugasche.

    Auch wirtschaftliche Aspekte spielen eine Rolle
    In den letzten 20 Jahren wurde die Waldfläche in Island bereits verdoppelt. In den kommenden Jahren sollen fünf Prozent des gesamten Tieflandes von Island aufgeforstet werden. Die Verwendung fremder Baumarten ist dabei eingeschränkt - obwohl sie schneller wachsen und insofern auch den Boden schneller vor Erosion schützen. Auch wirtschaftliche Aspekte spielen eine Rolle. Bei der Pflege des Waldes fällt Holz an, das als Bau- und Brennmaterial verkauft wird. Mobile Sägewerke werden eingesetzt. Außerdem gibt es auch Weihnachtsbaumplantagen.

    Für Europa könnten die guten Erfahrungen mit eigentlich fremden Baumarten in Island nützlich sein. Beispielsweise mit Ulmen. Seit Jahrzehnten gibt es in Europa ein Ulmensterben:

    "Im Augenblick werden Exemplare gesucht, die überlebt haben, weil man dort Resistenzen vermutet."

    Da wären auf Sicht Chancen, mit isländischem Ulmensamen neue gesunde Bestände aufzubauen.


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