Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Aufschub für den Dreißigjährigen Krieg

Kaiser Rudolf II. wollte den Frieden in seinem Land sichern, und gewährte 1609 mit dem "Majestätsbrief" im österreichischen Böhmen Religionsfreiheit. Dadurch wurde der drohende Krieg vorübergehend aufgehalten. Doch schließlich fiel er umso verheerender aus, und dauerte ganze 30 Jahre.

Von Christian Berndt | 09.07.2009
    "Was ist? - Man schießt auf Truppen, die der Stadt sich nahen. - Man soll nicht schießen. - Mit Gut und Blut und für unseren Herrn und Kaiser! - Da steht's vor mir, der Mord, der Bürgerkrieg. Was ich vermieden all mein Leben lang, es tritt vor mich am Ende meiner Tage. Es soll nicht! Steckt die Schwerter ein!"

    Rudolf II., der Friedenskaiser. Er wollte den Bürgerkrieg verhindern, jetzt, 1611, marschiert der eigene Bruder Matthias gegen seine Residenz in der böhmischen Hauptstadt Prag. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ist endgültig besiegt. So stellt es im 19. Jahrhundert Franz Grillparzer in seinem Drama "Der Bruderzwist im Hause Habsburg" dar. Der Machtkampf zwischen den Brüdern schwelte seit Jahren. Der kunstbegeisterte Rudolf, der nach dem Regierungsantritt seine Residenz von Wien nach Prag verlegte und die Stadt zur geistigen Metropole Europas machte, war an Politik Zeit seines Lebens wenig interessiert. Zudem litt er an Depressionen - möglicherweise auch an Schizophrenie. Seine Brüder wollten ihn loswerden. Schon 1606 setzen sie ihn als Oberhaupt des Hauses Habsburg ab und wählen Matthias zum Nachfolger:

    "Aus dem gegenwärtigen, betrübten Umstand, in dem das hochlöbliche Haus Österreich steht, wird leider allzu offenbar, dass die kaiserliche Majestät, unser Bruder, zur Regierung sich nicht tauglich befinden. Auf reifliche Beratschlagung und nach Bedenkung über des Kaisers Blödigkeit sehen wir kein anders Mittel, als unseren durchlauchtigen Erzherzog Matthias zur Verfügung zu wählen."

    Drei Jahre später zieht Matthias mit seinen Truppen nach Prag, um dem Bruder die böhmische Krone streitig zu machen. Doch Rudolf kann sich retten, indem er sich die Unterstützung des böhmischen Adels sichert. Der Tribut dafür ist hoch: für ihre Loyalität muss der katholische Kaiser den protestantischen böhmischen Adligen die Religionsfreiheit garantieren: Am 9. Juli 1609 erlässt er den sogenannten Majestätsbrief:

    "Da wir nun wollen, dass in diesem Königreiche zwischen Unseren lieben getreuen Untertanen Liebe und Eintracht, Friede und gutes Vernehmen herrsche, beschließen wir kraft Unserer königlichen Gewalt, dass jede Partei ihre Religion, bei welcher sie ihre Seligkeit hofft, frei und unverhindert ausüben könne."

    Als wichtigstes Kronland der Habsburger hat Böhmen reichsweite Bedeutung. Und damit birgt der "Majestätsbrief" einen Sprengstoff, der Folgen für die gesamte deutsche Geschichte hat. Denn er gesteht der mehrheitlich protestantischen Bevölkerung nicht nur die freie Ausübung ihrer Religion zu. Ein böhmisches Kontrollorgan soll auch die Einhaltung des Gesetzes garantieren. Damit wird der Keim für einen eigenen - von Habsburg unabhängigen - Staat gelegt. Wie überall im Reich, dient auch hier die Konfession zum Ausbau und der Erweiterung des eigenen Territoriums. Die Folge sind verschärfte Konflikte und Bündnissysteme, dem Reich droht die Auflösung. Und Rudolfs Untätigkeit verschlimmert in den Augen seiner Familie die Lage. 1611 kommt es zum erneuten Machtkampf der Brüder. Rudolf sucht Unterstützung bei seinem Vetter Leopold, doch dessen Truppen verwüsten das Land. Die Böhmen wenden sich entsetzt gegen Rudolf. Der Kaiser ist verbittert:

    "Hier war mein Königssitz. Für Prag gab ich das lebensvolle Wien, den Sitz der Ahnen seit des Reiches Wiege. Doch bist Du müde in deiner Herrlichkeit und stehst in Waffen gegen Deinen Freund. Also fluch ich Dir, die Du die Wohltat zahlst mit bösen Taten."

    Als Rudolf 1612 starb, wurde Matthias endlich Kaiser. An den "Majestätsbrief" hielt er sich nicht - entgegen seinem Versprechen. Fünf Jahre später folgte sein Vetter Ferdinand auf den böhmischen Königsthron. Mit der religiösen Toleranz war es von nun an ganz vorbei. Als er den Böhmen verbot, einen Protest-Landtag abzuhalten, marschierten Adlige in die Prager Burg und warfen zwei kaiserliche Statthalter aus dem Fenster. Der Prager Fenstersturz 1618 war die Initialzündung für den Dreißigjährigen Krieg. Der "Majestätsbrief" Kaiser Rudolfs hat diesen Krieg zehn Jahre lang hinausgezögert. Gleichzeitig hatte er ihn aber auch befördert, denn er stärkte den böhmischen Widerstand. So bleibt dieses, als Friedenssicherung gedachte Dokument, Mitauslöser einer verheerenden Katastrophe.