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Aufstand am Ostermontag

Die "Sizilianische Vesper" zählt zu den weniger bekannten Opern Giuseppe Verdis. Der historische Hintergrund des Werkes ist kaum bekannt. Die "Sizilianische Vesper" bedeutete einen Wendepunkt in der Geschichte, der den Autoritätsverlust des Papsttums und den Aufstieg der Nationalstaaten markierte.

Von Rolf Wiggershaus | 30.03.2007
    Nach dem Tod des deutschen Kaisers und sizilianischen Königs Friedrichs II., des Staufers, im Jahre 1250 versuchten die Päpste in Mittelitalien alles, um zu verhindern, dass es unter dessen Nachfolgern noch einmal zu einer Verbindung von Kaiserreich im Norden und Königreich im Süden kam. Von einer solchen Umklammerung sah das Papsttum sich in seinem eigenen universalen Machtanspruch geschwächt und bedroht. Also hielten die Päpste Ausschau nach einem starken, aber ihnen ergebenen Fürsten für das Königreich Sizilien, das die Insel dieses Namens und Süditalien mit Neapel als Zentrum umfasste und über das sie die oberste Lehnsherrschaft beanspruchten.

    Sie verfielen schließlich auf Karl von Anjou, einen Bruder Ludwigs IX., des mächtigen und frommen Königs von Frankreich. 1266 wurde Karl in Rom zum König von Sizilien gekrönt. Unter dem neuen Herrscher aus Frankreich wurden alle wichtigen Posten mit Franzosen besetzt, so dass die Regierung den Charakter einer Fremdherrschaft trug.

    Dank frankreichfreundlicher Päpste konnte Karl von Anjou allmählich soviel Macht ansammeln, dass er die Errichtung eines Mittelmeerreichs ins Auge fasste. Nachdem von päpstlicher Seite die Verhandlungen über eine friedliche Vereinigung von römischer und Ostkirche abgebrochen worden waren, war es soweit. In seinem Standardwerk über "Die Sizilianische Vesper" schildert der englische Historiker Steven Runciman die damalige Situation:

    "Mit dem Anbruch des Jahres 1282 war Karl, König von Sizilien, Jerusalem und Albanien, Graf von Provence, Forcalquier, Anjou und Maine, Regent von Achäa, Oberherr von Tunis und Senator von Rom, unzweifelhaft der größte Machthaber in Europa. [ ... ] in wenigen Wochen sollte ein [ ... ] Kriegszug gegen den christlichen Osten in See gehen, um ihn zum Herrn des Mittelmeers und Herrscher über ein Reich zu machen, das seit den Tagen Justinians nicht mehr seinesgleichen gehabt hatte."

    Doch es lag Spannung in der Luft. Besonders die Bewohner der Insel Sizilien fühlten sich durch die französische Fremdherrschaft ausgebeutet und unterdrückt. Ihre Unzufriedenheit und Empörung wurde von mehreren Seiten geschürt. Da gab es zum einen König Peter III. von Aragόn, der über eine starke Kriegsflotte verfügte und als Ehemann einer Tochter aus staufischem Haus Anspruch auf das Königreich Sizilien erhob. Da gab es ferner Michael VIII. Paläologos, den Kaiser des geschwächten byzantinischen Reichs. Gegen dessen Hauptstadt Konstantinopel richtete sich Karls Kreuzzug. Michael musste hoffen, dass es gar nicht erst zum Auslaufen von Karls Kriegsflotte kam, für deren Versorgung in der Karwoche bei den Sizilianern rücksichtslos Getreide, Vieh und Reitpferde requiriert wurden.

    Am Ostermontag, dem 30. März 1282, strömten die Sizilianer zum Vespergottesdienst. Als vor der Kirche zum Heiligen Geist bei Palermo Franzosen eine Sizilianerin belästigten, wurde das zum Auslöser des Aufstandes. Während die Vesperglocken läuteten, liefen Boten durch die Stadt und riefen zur Erhebung gegen die Unterdrücker auf. Am nächsten Morgen waren Tausende von Franzosen umgebracht. Der Aufstand erfasste die ganze Insel, schließlich auch das besonders gesicherte Messina. Die dort vor Anker liegende Flotte Karls wurde in Brand gesteckt und vollständig vernichtet. Die Großmachtpläne musste er aufgeben. Doch der Kampf um Sizilien ging weiter.

    Runciman schildert die schwierige Lage der Sizilianer, deren Vorschlag, Sizilien zu einer Gruppe von Kommunen unter der Oberhoheit des Heiligen Stuhles zu machen, der Papst ablehnte:

    "Die Sizilianer hatten sich anfänglich dagegen gesträubt, die Herrschaft des einen ausländischen Machthabers gegen die eines anderen einzutauschen. Aber sie konnten nicht auf sich allein gestellt bleiben. Königin Konstanze von Aragon war schließlich [ ... ] Erbin der großen Königsdynastie. Ihr Gemahl befand sich aufs prächtigste gerüstet und gewappnet in unmittelbarer Nähe. Kluge Umsicht und Rechtmäßigkeit ließen es ihnen gleicherweise geraten erscheinen, Peter und Konstanze als ihren König und ihre Königin anzunehmen."

    Nachdem der Einfluss aus Byzanz offenbar für den Zeitpunkt des Ausbruchs des Aufstandes entscheidend war, war es vor allem dem Eingreifen Aragόns zu verdanken, dass alle Rückeroberungsversuche des Hauses Anjou scheiterten. Als die Insel 1442 wieder mit dem Königreich Neapel vereinigt wurde, geschah das unter aragonischer Herrschaft. Für die Päpste war mit dem Scheitern Karls von Anjou der Traum von einer christlichen Universalpolitik mit Unterstützung einer gefügigen weltlichen Macht ausgeträumt. Die Zukunft gehörte Nationalstaaten und ihren Herrschern, die sich nicht mehr durch päpstliche Bannflüche und Bullen lenken ließen.