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Aufstieg für jeden
Bundesminister präsentieren nationale Weiterbildungsstrategie

Der Staat will mit 245 Millionen Euro pro Jahr die Weiterbildung in Deutschland stärken. Dabei geht es vor allem um berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten für Geringqualifizierte. Aber auch mittelständische Unternehmen sowie Fach- und Führungskräfte könnten von der neuen Strategie profitieren.

Philip Banse im Gespräch mit Lena Sterz | 12.06.2019
Mitarbeiter in einem Büroraum mit Laptops und Flipchart
Menschen mit Hochschulabschluss nehmen zu mehr als 50 Prozent an betrieblichen Weiterbildungen teil und Menschen ohne Berufsabschluss zu weniger als 20 Prozent (Imago)
Lena Sterz: Weiterbildung stärken, dazu haben eben Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ihre Pläne vorgestellt, wie in Zukunft mehr Menschen neue berufliche Perspektiven durch Weiterbildung bekommen sollen. Philip Banse war dabei für uns und ist mir jetzt aus Berlin zugeschaltet. Herr Banse, welche Weiterbildungen will die Große Koalition besonders stärken?
Philip Banse: Es geht vor allem um berufliche Weiterbildung und Weiterbildung für Menschen, die bisher seltener weitergebildet wurden. Die Regierung will aber auch kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, wenn diese ihre Leute weiterbilden wollen, aber keine großen, riesige Personalabteilungen haben, um so etwas zu planen und umzusetzen. Anja Karliczek, die Bundesbildungsministerin, sagte das so:
"Wir müssen in Deutschland eine echte Weiterbildungskultur entwickeln und zwar für jeden."
So zumindest der Anspruch, der mit dieser "Nationalen Weiterbildungsstrategie", die ja nicht nur von der Bundesregierung getragen wird, sondern auch von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden.
Sterz: Was heißt das, dass das Aufstiegs-Bafög gestärkt werden soll, wer profitiert davon?
Banse: Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz soll geändert werden. Und zwar so, das Fach- und Führungskräfte unterstützt werden können, die fortgebildet werden sollen. Da soll der Staat die Weiterbildung etwa zahlen zum Meister, Fachwirt oder zum Betriebswirt, sagt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek:
"Und damit werden wir die individuellen Förderleistungen deutlich steigern, damit alle Menschen einen Aufstieg möglich bekommen. Dafür werden wir dann im Vollausbau 245 Millionen Euro pro Jahr bereitstellen."
Das Arbeitsministerium will zudem prüfen, ob Bildungszeiten zur Weiterbildung staatlich gefördert werden sollen – über den Bildungsurlaub hinaus.
Finanzielle Förderung fehlender Berufsabschlüsse
Sterz: Während Menschen mit Hochschulabschluss laut einer Umfrage zu mehr als 50 Prozent an betrieblichen Weiterbildungen teilnehmen und Menschen ohne Berufsabschluss zu weniger als 20 Prozent – was will die Große Koalition tun, damit besonders gering Qualifizierte sich mehr weiterbilden?
Banse: Die wichtigste Maßnahme da ist sicher: Wer keinen Berufsabschluss hat, soll das verbriefte Recht bekommen, dass der Staat ihn finanziell fördert, um diesen Berufsabschluss noch zu machen, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil:
"Wir wollen einen Anspruch auf das Nachholen eines Berufsabschlusses einführen auf die Förderung des Berufsabschlusses. Wir reden über Fachkräftemangel und haben gleichzeitig ungefähr 1,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 30 ohne jede Form von beruflicher Erstausbildung. Deshalb ist es wichtig, denjenigen, die es noch nicht gepackt haben, eine zweite Chance zu geben und diese Chance für Fachkräftegewinnung zu nutzen, indem wir den Anspruch auf das Nachholen eines Berufsabschlusses einführen."
Bisher konnte die Bundeagentur für Arbeit solche Berufsabschlüsse finanzieren, demnächst muss sie es. Menschen mit wenig bis keinen Abschlüssen sollen ihre Kenntnisse aus der Praxis zukünftig prüfen lassen und auch zertifizieren lassen können. Die Regierung will mit den Ländern dazu bundesweit Zentren einrichten, wo man sich Kenntnisse nachweisen lassen kann. Wie akzeptiert die Zertifikate sein werden, muss man sehen.
Orientierung im Weiterbildungsangebot
Um auch gering qualifizierte Menschen in Weiterbildungen zu bekommen, sollen in den Betrieben "Weiterbildungsmentoren" dafür werben und helfen.
Sterz: Wenn man nach Weiterbildungen googlet, hat man das Gefühl, es gibt ein Angebot, das kann kein normaler Mensch alleine überblicken – welche Anbieter sind seriös, welche ihren Preis wert. Es wäre doch hilfreich, wenn es da eine allgemeine Beratung zu dem Thema gäbe, das jeder nutzen könnte.
Banse: Ja, da wollen die Ministerien prüfen, wie die klarer gemacht werden könnte, welche Weiterbildungen etwas taugen. Etwas konkreter scheint der Plan, ein Portal im Internet zu bauen, um die Übersicht zu erleichtern:
"Mit digitalen Plattformlösungen werden wir dann die vielen Weiterbildungsangebote im Netz gut geordnet und sichtbar machen."
Sagt die Bundesbildungsministerin. So einen Überblick bietet jedoch heute schon das Kursnet, wo die Bundesagentur für Arbeit 4,5 Millionen Weiterbildungs-Angebote auflistet. Der Ministerin schwebt vor, dass ihre "Digitale Plattform berufliche Weiterbildung" für Weiterbildungsanbieter so aufgebaut ist,
"dass sie auch direkt und miteinander vergleichbar digitale, modulare Lernangebote zur Verfügung stellen können."
Diese Plattform soll aber erst noch über einen Wettbewerb ausgeschrieben werden.
Sterz: Wie konkret ist das alles?
Banse: Das, was ich geschildert habe, ist recht konkret zugesagt. Ganz viele Sachen in der Strategie sollen aber erst noch geprüft, besprochen und abgestimmt werden. Die Strategie soll in zwei Jahren von externen Experten überprüft werden, da wird sich dann herausstellen, was aus diesen Prüfungen geworden ist.