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Augenheilkunde
Stress kann zu Sehstörungen führen

Stress kann im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen. Vor allem Männer zwischen 20 und 50 in Managerpositionen klagen häufig über zeitlich bedingte Sehstörungen. Verzerrte Linien und graue Punkte im Sichtfeld sind häufige Symptome. Doch schon mit kleinen Veränderungen im Alltag kann man der sogenannten Managerkrankheit vorbeugen.

Von Anna-Lena Dohrmann | 30.09.2014
    Ein menschliches Auge.
    Vor allem Männer in verantwortungsvollen Positionen sind von RCS betroffen. (dpa/picture alliance - John Stillwell)
    Retinopathia centralis serosa, kurz RCS - so lautet der Fachbegriff für das, was Augenärzte gerne als Managerkrankheit bezeichnen. Denn der typische Patient ist männlich, mit 20 bis 50 Jahren relativ jung, beruflich sehr engagiert und oft in einer verantwortungsvollen Position, berichtet Prof. Johann Roider, Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft. Blickt der Arzt dann ins Innere des Auges, sieht er typische Veränderungen an der Retina, der Netzhaut des Auges.
    "Was bei dem Krankheitsbild auftritt ist, dass hier Flüssigkeit aus tieferen Schichten des Auges, aus der Aderhaut unter die Netzhaut eintritt. Dadurch wölbt sich die Netzhaut etwas hervor und das Krankheitsbild selber tritt immer im Zentrum auf, meistens in der Nähe des schärfsten Sehens."
    Graue Punkte und verzerrte Linien
    Deshalb sehen die Patienten plötzlich schlechter, vor allem beim Lesen oder Arbeiten am Computer. Oft bemerken sie einen grauen Punkt in der Mitte oder verzerrte Linien.
    Normalerweise verhindert eine Sperrschicht zwischen der Netzhaut und der Aderhaut, dass Flüssigkeit austritt. Doch offensichtlich gehen genau in dieser Schicht Zellverbindungen kaputt. Stress gilt als ein wichtiger Auslöser, so Roider:
    "Also natürlich weiß man, dass beispielsweise Stress auch Cortisol freisetzt und dass das Veränderungen an Gefäßen macht. So erklärt man sich das einfach mechanistisch.
    Man sieht beispielsweise mit Spezialuntersuchungen, dass die Gefäße in der Aderhaut erweitert sind, man sieht diese Schrankenstörungen. Aber das Krankheitsbild ist immer noch ungeklärt, warum es genauso ist."
    Auch genetische Ursachen oder strukturelle Veränderungen der Augenschichten werden diskutiert. In der Regel heilt die RCS innerhalb von drei bis sechs Monaten von alleine. Allerdings tritt sie bei vielen Patienten nach einer gewissen Zeit erneut auf, bei einigen verläuft die Krankheit sogar chronisch. Vor allem bei ihnen muss der Faktor Stress vielschichtig betrachtet werden.
    "Es sind oftmals auch Patienten, die haben eine extreme andere psychische Belastung - beispielsweise, dass gerade er in Scheidung lebt, gleichzeitig noch ein Haus hat, wo Schulden sind, dass er Probleme im Betrieb hat, wo er Verantwortung hat, sodass hier viele zusätzliche Punkte hinzukommen, sodass man auch fragen muss, ob nicht beispielsweise die Art und Weise, wie Stress verarbeitet wird eine gewisse Rolle spielt."
    Genau an diesem Punkt setzt auch Dr. Gabriele Emmerich an. Sie ist Augenärztin und Psychotherapeutin in Darmstadt und leitet den Arbeitskreis Psychosomatik im Berufsverband der Augenärzte.
    "Für diese Patienten ist es wichtig zu erkennen, dass diese Erkrankung zusammenhängt mit ihrem vegetativen Nervensystem, welches ich, wenn ich es kenne, wenn ich es beobachten kann, wenn ich das erspüre, auch beeinflussen kann durch Veränderungen, durch eine besondere Lebensgestaltung."
    Mehr auf sich achten
    Nicht jeder Patient braucht deshalb eine jahrelange Psychotherapie. Vielen hilft eine kurze psychosomatische Beratung. Der Patient soll sich und seinen Körper besser kennenlernen und verstehen, wann er wie reagiert. So kann er lernen, Stresssituationen anders zu bewerten und für sich eine gesunde Balance im Leben zu finden. Was genau das heißt, ist für jeden unterschiedlich. Doch Emmerich räumt auch ein:
    "Was wir nie sagen würden und dürfen ist, dass durch die Psychotherapie alleine Heilung stattfindet. Aber sie ist verbessernd und helfend und sehr gut ergänzend.
    In der akuten Phase braucht es natürlich auch den schulmedizinischen Arzt. Da muss man schon darauf hinweisen, dass das alleine nicht ausreichend ist."
    Denn in einigen Fällen heilt RCS nicht von alleine – dann können Laserverfahren helfen. Die Augenärzte dichten so den Quellpunkt, aus dem die Flüssigkeit austritt, ab. Diese Verfahren sind mittlerweile durch kürzere Laserzeiten schonender geworden. Vor allem für die sehr jungen Patienten ist das wichtig – schließlich sollen keine bleibenden Schäden durch die Therapie entstehen.
    Entscheidend ist also die Kombination aus der Behandlung in der akuten Phase, die das Sehen schnell verbessern kann, und einer Lebensumstellung, die langfristig ihre Effekte zeigt.