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Aus Basel nach Berlin

Unter der neuen Führung von Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch aus Basel startete die "Art Forum Berlin 2009". Mit bekannten Künstlern wie Andreas Gorsky oder Ernesto Neto möchte die Leitung der Kunstmesse mehr internationales Gewicht verschaffen.

Carsten Probst im Gespräch mit Karin Fischer | 23.09.2009
    Karin Fischer: Die Berichte über Berlin als junge Kunststadt waren und sind widersprüchlich: Einerseits wird die Stadt um ihre günstigen Ateliers beneidet, der Zustrom junger Künstlerinnen und Künstler in den letzten Jahrzehnten war enorm.

    Andererseits gab es zu wenig potente Kunstkäufer, weshalb man einen neuen Umschlagplatz schuf, das "Art Forum Berlin", das zur erfolgreichen Marke wurde. Heute wird das "Art Forum Berlin 2009" eröffnet, jetzt unter neuer Leitung. Frage an Carsten Probst: Man hört schon viel Gutes darüber. Hat denn die Finanzmarktkrise doch keine größeren Auswirkungen auf die Branche gehabt?

    Carsten Probst: Doch, im letzten Jahr hatte sie Auswirkungen. Viele Galerien bangen ja eigentlich immer noch so ein bisschen um die Umsätze. Allerdings haben Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch, die ja eigentlich von der "Art Basel" nach Berlin gekommen sind, offenkundig auch ihren Basler Optimismus mitgebracht. Sie haben nämlich einfach diesem "Art Forum" ein völlig neues Gesicht gegeben, wozu unter anderem auch gehört, dass sie das Hochpreissegment hier massiv aufgestockt haben, wozu eben Werke von Andreas Gorsky, Gilbert & George, Ernesto Neto und vielen anderen zählen.

    Also, das ist durchaus für eine Stadt wie Berlin, wo es ja nach wie vor keine großen Sammler gibt und auch keine riesigen Firmen, die einfach mal so ein Kontor mit Kunstwerken voll stellen, sehr optimistisch gedacht, muss man sagen. Und sie haben darüber hinaus auch noch wohl offenkundig eine recht erfolgreiche Vernetzungspolitik für das Art Forum betrieben, die man bisher so auch nicht kannte.

    Also, man hat sehr, sehr viele Veranstaltungen, die mit der Messe assoziiert sind, in die Stadt, in den Stadtraum hineingetragen, man hat Kunst im öffentlichen Raum jetzt erstmals doch sehr prominent in der Ausstellung, und die Berliner Politik steigt auch drauf ein: Wowereit, der Bürgermeister und Kultursenator, lässt sich hier gleich zwei Mal groß blicken. Und man hat ein VIP-Programm organisiert, bei dem man ausländische Sammler in die Berliner Privatsammlungen von Privatsammlern eben einlädt und die dann ihre privaten Türen öffnen. Es hat den Anschein, als wollten sie nicht nur der Krise trotzen, sondern quasi noch sagen: Wir können sogar noch einen draufsetzen.

    Fischer: Dann lassen Sie uns zur Kunst kommen, Carsten Probst. Eine Mini-"Art Basel", sagen Sie, lässt sich das denn auch optisch ablesen, womöglich in einer Art ästhetischen Haltung oder Handschrift, die diese Messe hat?

    Probst: Ja, sie ist optisch - also schon von den Räumen her - sehr viel klarer aufgestellt, kommt mir zumindest so vor, klarer, geordneter als vorher, weniger wohnzimmerartig. Unter der vorherigen, künstlerischen Leitung von Sabrina van der Ley hatte das doch etwas sehr Gemütliches, muss man sagen. Jetzt wirkt es kühler, dafür auch geschäftsmäßiger, neutraler in gewisser Weise, aber die Qualität des Angebotes scheint mir persönlich insgesamt eher verbessert zu sein, auch im Bereich "focus", das ist ein Bereich, wo junge Galerien mit jungen Künstlern sind, und ich fand auch, dass das Thema Raum insgesamt eine große Rolle spielt.

    Vielleicht kam mir das jetzt nur aus Zufall so vor, aber viele Galerien haben ihre Stände sozusagen recht räumlich, mit räumlichen Tiefenwirkungen installiert. Man sieht also oft großformatige Fotografien oder Gemälde, die sich so in den Raum hinein verlängern lassen oder große Perspektiven zeigen und den Raum erweitern. Das Thema Raum, sich verbreitern, sich ausdehnen, mehr aus sich machen, als da ist - das spielt hier offensichtlich eine gewisse Rolle, auch ästhetisch.

    Fischer: Das "Art Forum Berlin" war ja mal die Plattform auch für die jüngere Berliner Szene, die sich dort seit den 90er-Jahren etabliert hat, und eine Art Drehschreibe für die Kunst aus Osteuropa. Was ist daraus geworden?

    Probst: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, von Osteuropa, auch von diesen Hoffnungen auf dem chinesischen Markt und so weiter ist hier absolut nichts geblieben. Diese ganzen Rosinen aus Indien, aus Moskau und so weiter, die sich Sabrina van der Ley früher noch rausgepickt hatte, sind alle eliminiert. Das hat auch zu ein bisschen Murren im Vorfeld geführt bei der Galerienauswahl.

    Junge Künstler gibt es immer noch in diesem Segment "focus", das gab es eben auch schon früher unter anderem Namen, aber Sie müssen sehen, in der Geschichte seiner Entstehung vor 14 Jahren war das "Art Forum" so mit sehr großen Hauptstadthoffnungen und dergleichen verbunden, Drehscheibe nach Osten und dergleichen. Ich habe das Gefühl, Vetsch und Eva-Maria Häusler haben einfach mal mit diesen alten, ja, Klamotten aufgeräumt und sich doch mal getraut, diese Messe mehr an den Mainstream anzuschließen. Das kann, das kann auch in die Hose gehen. Sie haben mehr Mainstream eingeführt, aber eben auch auf höherem Niveau, und man könnte es quasi paradox nennen, dass sie dadurch eben auch wieder mehr Berliner Galerien gewonnen haben. Also, man ist geschäftsmäßig geworden und für den Augenblick wirkt es so, als ob es dem "Art Forum" gut tut.

    Fischer: Danke an Carsten Probst für diesen Bericht über das "Art Forum Berlin".