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Aus der Mülltonne zurück auf den Markt

Seit Monaten zeigt sich in vielen Städten ein seltsames Schauspiel. Die privaten Entsorgungsunternehmen stellen den Bürgern eine oder sogar mehrere blaue Tonnen vor die Haustür. Was auf den ersten Blick nach einer preiswerten Entsorgung von Abfall aussieht, ist tatsächlich das gezielte Einsammeln von Wertstoffen. So wertvoll, dass die Entsorger sprichwörtlich Schlange stehen. Auf den aggressiven Wettbewerb um die Rohstoffe aus dem Müll waren die kommunalen Entsorgungsunternehmen nicht vorbereitet.

Von Dietmar Reiche | 11.10.2008
    Langsam fährt der schwer beladene Lastwagen rückwärts in die Lagerhalle und schüttet Altpapier auf den Boden. Nachschub. In der Halle türmt sich bereits ein Papierberg auf, der fast so hoch ist wie ein kleines Einfamilienhaus. Über 8000 Tonnen passen in das Zwischenlager der Papierfabrik, sagt Ingenieur Richard Thalhofer von "Rhein Papier".

    "Also hier kommt unser Rohstoff Altpapier an. Wir produzieren aus 100 Prozent Altpapier neue Zeitungsdruckpapiere. Wir setzten jeden Tag 1100 Tonnen um, so dass wir eine knappe Woche mit dem Vorrat auskommen."

    Die hochmoderne Papierfabrik in Hürth bei Köln ist also eigentlich eine riesige Recyclingmaschine, die 300.000 Tonnen pro Jahr verarbeitet. Doch seit die Rohstoffpreise rasant ansteigen, hat das Tochterunternehmen des finnischen Konzerns Myllykoski - wie die gesamte Branche - ein Problem: Die Zeiten als Altpapier vergleichsweise günstig war, sind vorbei:

    "Wir liegen im dreistelligen Bereich für eine Tonne Altpapier. Erst in den letzten zwei Jahren ist diese Grenze überschritten worden. Die Situation hat sich in den letzten Monaten noch zugespitzt. Momentan ist eine gewisse Panik im Markt, und es besteht ein richtiger Preiskampf."

    Was in den Papierfabriken mitunter Panik auslöst, sorgt in der privaten Entsorgungswirtschaft für Sektlaune. Aber auch sie muss wachsam sein. Die Branche liefert sich ein Hauen und Stechen um das begehrte Altpapier. Die privaten Entsorger sammeln überall, zum Ärger der Kommunen.

    Norbert Portz, DStGB: "Wir beobachten zunehmend einen Kampf um die Blaue Tonne, also um den werthaltigen Stoff Altpapier. Es sind teilweise Preise von 100 Euro pro Tonne gezahlt worden. Dieser Markt ist auch für die private Entsorgungswirtschaft höchst lukrativ. Wir beobachten auf diesem Feld eine schleichende Privatisierung - einen Häuserkampf um die Blaue Tonne."

    Burkhard Landers, BVSE: "Die Kommunen kommen jetzt erstmalig in die Situation, in der wir schon lange sind. Sie kriegen Wettbewerb. Wir sind daran gewöhnt, deswegen verfallen wir auch nicht in Kriegsrhetorik."

    Seit Monaten zeigt sich in vielen Städten ein seltsames Schauspiel. Die privaten Entsorgungsunternehmen stellen den Bürgern eine oder sogar mehrere blaue Tonnen vor die Haustür. Den Bürgern ist es egal, in welche Tonne sie ihr Papier werfen, Hauptsache, der Müll ist weg. Doch was auf den ersten Blick nach einer zusätzlichen bequemen und preiswerten Entsorgung von Abfall aussieht, ist tatsächlich das gezielte Einsammeln von Wertstoffen. So wertvoll, dass die Entsorger sprichwörtlich Schlange stehen. Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund:

    "Die Stadt Lübeck, die hatte es zum Teil mit vier Anbietern von blauen Tonnen zu tun. Das war einmal der kommunale Entsorgungsbetrieb. Daneben traten aber auch drei private Entsorgungsbetriebe auf, die jeweils im Häuserkampf um die Bürger mit den Angeboten der Altpapierentsorgung konkurrierten."

    In Hamburg, Niedersachen, Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz - quer durch die Republik - machen die privaten Entsorger den Kommunen den Altpapiermarkt streitig. In den Amtsstuben geht die Angst um. Die Städte fürchten die schleichende Aushöhlung ihrer Entsorgungshoheit, klagen über Rosinenpickerei auf Kosten des Bürgers. Ohne die zusätzlichen Einnahmen aus dem Verkauf des Altpapiers würden Müllgebühren um zehn Prozent steigen, warnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund.

    Die kommunalen Entsorgungsunternehmen wurden von dem aggressiven Wettbewerb überrascht, waren darauf nicht vorbereitet. Burkhard Landers, Präsident des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung, wundert das:

    "Wenn Kommunen in veraltete Sammelsysteme investiert haben und diese nicht erneuern, wenn Kommunen nicht bereit sind, in der Sammelqualität zuzulegen, dann müssen sie damit rechnen, dass ein privater [Entsorger] in diesen Markt hineinspringt und ihm Wettbewerb macht. Das ist - aus unserer Sicht - ein ganz normaler Prozess, den es in anderen Wertstoffen schon gegeben hat. Diesen Wettbewerb wird es auch im Papier geben. Und ich denke, der Theaterdonner wird irgend mal vorbei sein, und dann werden wir alle dazu kommen, dass jeder seinen Markt bearbeitet und sich dem Wettbewerb stellt."

    Der Abfallmarkt alter Prägung ist Vergangenheit. Die rote Line, die bislang den Markt trennt - in Siedlungsabfälle mit Haus- und Sperrmüll für die Kommunen auf der einen Seite und Produktionsabfälle aus Industrie und Gewerbe für private Entsorger auf der anderen - diese rote Line verblasst zunehmend. Zwar verteidigen die Kommunen ihr Revier und wehren sich vor Gericht gegen die gewerblichen Altpapiersammlungen. Bislang aber mit wenig Erfolg: Ein endgültiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht noch aus.

    Dabei geht es um eine Grundsatzfrage: Wer wird in Zukunft die Schätze der Industrie- und Konsumgesellschaft heben und verkaufen? Die Zeiten sind vorbei, als unbehandelte Siedlungsabfälle in Deponien verbuddelt wurden. Heute wird gesammelt, sortiert und wiederverwertet. Aus Müll werden Sekundärrohstoffe!

    Und die sind gefragter denn je, und der Altpapiermarkt ist nur ein erster Test im Kampf um die knappen Güter. Rainer Cosson vom Bundesverband der Entsorgungswirtschaft:

    "Ich bin guter Hoffnung, dass sich im Bereich der sekundären Rohstoffe - und da spielt eben Altpapier eine Schlüsselrolle - eine Liberalisierung in der Abfallwirtschaft durchsetzt, und dass für diese Segmente ein öffentlich-rechtliches Konstrukt, worauf die Kommunen so großen Wert legen, mehr und mehr überflüssig wird."

    Norbert Portz, DStGB: "Die Folgen dieser Altpapierentsorgung sind in der Tat umfassend. Ich glaube, wir stehen erst am Anfang des Kampfes um den Rohstoff Abfall. Werthaltiger Schrott ist etwa in Elektrogroßgeräten enthalten und wird für die Sperrmüllentsorgung abends an den Straßenrand gestellt. Die Kommunen sehen am nächsten Morgen kaum etwas von diesen Waschmaschinen und Trocknern. Der Rest ist bereits von privaten Entsorgern entsorgt worden, weil man hiermit eben Gewinn machen kann."

    Den Kampf um den Abfall, wie er sich im Kleinen zwischen Kommunen und Entsorgern abspielt, gibt es auch im Großen - in der Industrie. Die Unternehmen suchen angesichts der stark gestiegenen Rohstoffpreise nach Alternativen. Recycling ist mittlerweile ein milliardenschwerer Markt und entlastet die Volkswirtschaft. Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft:

    "Wir sparen durch die Nutzung von heimischem Stahlschrott 1,6 Milliarden Euro an Eisenerzen oder Stahlimporten. Und wir sparen noch einmal 1,3 Milliarden Euro an Energieimporten, weil durch das Recycling viel weniger Energie aufgewendet wird als wenn ich aus Eisenerz Stahl herstelle."

    In der Aluminiumproduktion werden 35 Prozent des alten Materials wiederverwendet, beim Kupfer - ein wichtiger Rohstoff für die Elektroindustrie - sind es sogar 54 Prozent. Im Elektronikschrott steckt inzwischen mehr Kupfer als im Kupfererz. Fernsehgeräte können bis zu drei Prozent Kupfer enthalten, Mobilfunktelefone sogar 15 Prozent. Der Metallgehalt im Kupfererz beträgt gerade mal 0,5 bis ein Prozent.

    Theoretisch liegen die Rohstoffe vor der Haustür. Sie müssen nur eingesammelt, aufbereitet und in den Produktionsablauf zurückgeführt werden. Doch in der Praxis läuft das zuweilen anders. Weil das Recycling in den kapitalintensiven Anlagen zu teuer ist, werden die alten Geräte ins Ausland gebracht.

    "Wir haben einen erheblichen Sekundärrohstoffhunger aus China und Indien festzustellen. Im Bereich der Metalle interessanterweise aus den Ländern des Vorderen Orient und der Türkei. Wir machen uns mittlerweile Gedanken darüber, ob es der deutschen Volkswirtschaft gut tut, dass unsere Sekundärrohstoffe ins Ausland abfließen. Deutschland ist ein rohstoffarmes Land, und es macht sich mehr und mehr die Erkenntnis breit, dass wir gut beraten sind, darauf zu achten, Sekundärrohstoffe vor allem in der heimischen Wirtschaft einzusetzen", "

    sagt Rainer Cosson vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft. Die aufstrebenden Schwellenländer kaufen im großen Stil auf den Weltmärkten ein. Rainer Lucas vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie kennt die verschlungenen Stoffströme. Besonders begehrt, sagt er, sei Kupfer:

    " "Fast 70 bis 80 Prozent des Materials im Kupferbereich geht in die Volksrepublik China. Und das stellt hier ein industriepolitisches Problem dar, weil hier zum Teil dieses Material fehlt, und dann müssen wir auf den Primärrohstoffmärkten teures Primärkupfer kaufen."

    Die deutsche Industrie sieht sich mittlerweile im Hintertreffen. Auf den internationalen Rohstoffmärkten gebe es systematische Wettbewerbsverzerrungen, sagte Ulrich Grillo von der Wirtschaftsvereinigung Metall auf der diesjährigen Handelsblatt-Jahrestagung. "Stahlmarkt". Das betrifft auch den Recyclingschrott. Grillo fordert deshalb eine nationale und europäische Rohstoffpolitik.

    "Länder wie Russland und China betreiben ganz bewusst eine geostrategisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik mit dem klaren Ziel, den strategischen Zugang zu Rohstoffen zu sichern. China steuert seinen Aufstieg durch gezielte makroökonomische Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette."

    Die Liste der angeprangerten Wettbewerbsverzerrungen ist lang. Exportbeschränkungen, Importsubventionen und Manipulationen beim Zoll. Die WTO, die Welthandelsorganisation, hat bei den Exportzöllen nur ein stumpfes Schwert in der Hand. In der WTO-Rechtsordnung ist dieser Punkt nicht geregelt. Der BDI, der Bundesverband der Deutschen Industrie, fordert deshalb bilaterale Handelsabkommen wie mit der Ukraine. Wilko Specht.

    "Die Ukraine ist das positive Beispiel, denn in den Verhandlungen mit der Ukraine ist - entgegen den Verhandlungen mit China - nicht der gleiche Fehler begangen worden, die Rohstoffbezugsbelange außen vor zu lassen. Mit der Ukraine sind im Rahmen der WTO-Verhandlungen ein erster Abbau von Ausfuhrzöllen vereinbart worden. Die Ukraine hat zugesagt, dass im Rahmen der Verhandlungen für ein bilaterales Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union die Zölle gänzlich abgebaut werden."

    Von der Ukraine nach Lünen in Nordrhein-Westfalen ist es nur ein Gedankensprung - zumindest wenn man im internationalen Metallhandel unterwegs ist. Hier hat die Norddeutsche Affinerie - der größte Europäische Kupferhersteller - seine zentrale Recyclinganlage. Der Kupferschrott wird aus 50 Ländern importiert. Der Zugang zu Kupferschrott aus Übersee sei in letzter Zeit aber immer schwieriger geworden aufgrund des starken Wettbewerbes aus Asien und insbesondere aus China, erklärt Manager Hans Gerhard Hoffmann. Das hat den deutschen Industriestandort kräftig unter Druck gesetzt.

    "Wir haben alle hier noch in Erinnerung, dass wir hier in Lünen im Jahr 2002/2003 ein Drittel der Belegschaft abbauen mussten. Das war im Wesentlichen ausgelöst durch Marktveränderungen und Marktverzerrungen, die damals auch schon aus dieser Richtung kamen."

    Doch Probleme kommen auch noch aus einer ganz anderen Richtung - aus Brüssel. Aus Angst vor illegaler Müllentsorgung in anderen Mitgliedsstaaten muss im europäischen Binnenmarkt die ganze Handelskette lückenlos dokumentiert werden. Weil aber die europäische Abfallpolitik nicht zwischen Abfall- und Wertstoffen unterscheidet, muss auch der Weg des teuren Kupferschrotts dokumentiert werden.

    Das ist bürokratisch aufwendig und ökonomisch unsinnig. Denn eine Tonne Kupferschrott kostet immerhin 5000 Euro, und niemand würde das teure Gut auf eine Deponie kippen. Doch gerade wegen dieser bürokratischen Hürden verkaufen die Händler ihren Kupferschrott gerne nach Fernost.

    "Was es noch schlimmer macht, dass dies nicht nur eine bürokratische Behinderung ist, sondern dass es natürlich für denjenigen, der über Schrotte verfügt, sehr viel einfacher ist, zusagen: `Ich fahre das nach China und sonst irgendwohin außerhalb der Europäischen Union. Dann habe ich diese ganzen Mühen gar nicht` Dann muss ich jedenfalls nicht durch diese vielen Länder hindurch und muss diese ganze Bürokratie betreiben."

    China - immer wieder taucht dieses Land auf, wenn es um das Thema Müllaufbereitung und Sekundärrohstoffe geht. Der ökonomische Riese ist Deutschland viel näher als es die Verbraucher vermuten. Spätestens wenn die PET-Kunststofflaschen in der gelben Tonne verschwinden, fließen die Stoffströme nach Fernost.

    Zwischenstation Troisdorf. - Hier steht eine fast vollautomatische Sortieranlage von Remondis, und hier landen die Verpackungen der Dualen Systeme. Betriebsleiter Udo Koch:

    "Also die PET-Flaschen gehen von hier aus nach China. Und in China werden sie dann noch einmal nach Farben sortiert, und die transparenten Flaschen gehen dann komplett in die Textilindustrie. Da kommt der Fleece-Pulli her."

    Auch in der gelben Tonne schlummern wahre Schätze, wenn man sie entsprechend aufbereitet. Und auch hier zeichnet sich ein Kampf um den Wertstoff ab. Die Kölner Entsorgungsfirma Reclay will ihren Konkurrenten zuvorkommen und die Verpackungen nicht erst beim Kunden einsammeln, sondern direkt an der Quelle - beim Handel.

    Ein altes Geschäftsmodell mit viel neuer Technik, das aber in der Branche für Unruhe sorgt. Zusammen mit dem norwegischen Automatenbauer Tomra will Reclay riesige Rücknahmeautomaten vor Supermärkten aufstellen. In Großbritannien gibt es solche Automaten bereits. Sollten die Wirtschaftlichkeitsberechnungen aufgehen, könnten Anfang des kommenden Jahres die ersten Rücknahmeautomaten in Deutschland auftauchen, sagt Martin Schürmann, Geschäftsführer von Reclay:

    "Ein solcher Rücknahmeautomat, wie wir ihn uns vorstellen, ist entsprechend groß, der dann natürlich nur auf großen Parkplätzen vor großen Handelsunternehmen ausreichend Platz findet, und diese Automaten sollen auch entsprechend bedient werden. Es sollen enorm viele Verpackungen unterschiedlichster Fraktionen zurückgegeben werden."

    Es geht darum, als erster an die sortenreinen und damit wertvollen Verpackungen ranzukommen. Was für die Konkurrenz übrigbleibt, lohnt oft das Sortieren und Recyceln nicht, weil es mit hohem Aufwand und Kosten verbunden ist. Bereits heute wird ein Drittel des haushaltsnahen Plastikmülls in Europa verbrannt.

    Ein Greifarm schiebt den Müllberg zusammen. Rund 10.000 Tonnen Ersatzbrennstoff türmen sich in dem riesigen Brennstoffbunker des Kraftwerks im Chemiepark Hürth. Hier vor den Toren Kölns endet der Stoffstrom. Die Experten sprechen von thermischer Verwertung, alle anderen nennen es einfach Abfallverbrennung. Das EBS-Kraftwerk läuft im Probebetrieb und soll Ende des Jahres die Unternehmen im Chemiepark mit Dampf und Strom beliefern. Allein mit der Elektrizität könnte eine Stadt wie Köln versorgt werden, sagt E.ON-Kraftwerksleiter Wolfgang Althaus. Er steht hoch oben im Leitstand mit Blick auf die zahlreichen Monitore und erklärt, woher die Ersatzbrennstoffe kommen.

    "Wir haben aufbereitete Gewerbeabfälle. Es ist eigentlich mehr hausmüllähnlicher Gewerbeabfall, der bei uns hereinkommt, und dann haben wir auch echten Hausmüll zum Beispiel aus Trier, der wirklich als Hausmüll getrennt, sortiert und vorgetrocknet wird und uns dann zur Verbrennung angeliefert wird."

    Noch bekommen die Kraftwerksbetreiber Geld dafür, dass sie den energiehaltigen Abfall verbrennen. Und so lockt das lukrative Müll-Geschäft neue Investoren. Zahlreiche weitere Kraftwerke könnten in Zukunft entstehen. Mit möglicherweise dramatischen Folgen für die Entsorgungswirtschaft. Was heute noch verwertet, also recycelt wird, könnte schon morgen in der Müllverbrennung landen. Michael Schneider, Unternehmenssprecher vom Entsorger Remondis, rechnet mit einer Kraftwerks-Überkapazität von sechs Millionen Tonnen:

    "Geht man davon aus, dass diese Anlagen alle realisiert werden, wirkt sich das auf den Preis für Ersatzbrennstoffe unter Umständen so negativ aus, dass Anlagen, die heute in Planung oder Bau sind, möglicherweise gar nicht mehr so wirtschaftlich betrieben werden können, wie Planer und Erbauer es sich so gedacht haben."

    Diese EBS-Kraftwerke könnten sogar wie ein Staubsauger Müllmengen aus dem benachbarten Ausland aufsaugen, fürchtet EPEA, die Gesellschaft für Internationale Umweltforschung in Hamburg. Die Abfall-Verbrennung entzöge damit der Kreislaufwirtschaft die nötigen Wertstoffe.

    Dieser Widerspruch, dass Materialkreisläufe nicht geschlossen und die knappen Ressourcen für spätere Generationen verloren gehen, dieser Umstand hat für Prof. Michael Braungart vom Hamburger Forschungsinstitut EPEA keine technische, sondern vor allem einen moralische Dimension. So wie der Sozialismus nie sozial gewesen sei, so entstehe ein Ökologismus, der in keiner Weise der Ökologie diene. Zur echten Kreislaufwirtschaft gebe es eigentlich keine Alternative.

    In der Metallindustrie, die unter den hohen Preisen und knappen Mengen leidet, ist diese Botschaft angekommen. Andere Branchen dürften dieser Erkenntnis folgen. Das letzte Wort hat deshalb Ulrich Grillo von der Wirtschaftsvereinigung Stahl:

    "Rohstoffe sind nämlich keineswegs der brüchige Klebstoff für den Erhalt einer untergehenden Industriegesellschaft. Sie sind vielmehr der Treibstoff für unsere nachhaltige und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit, und dafür kämpfen wir alle. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit"