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Aus der Nachrichtenredaktion
Warum wir über "Nazi-Patrouillen in Dortmund" nicht berichtet haben

"Nazis patrouillieren in Dortmunder Bussen und Bahnen." Diese Meldung ging vor einigen Tagen durch zahlreiche Medien. Die Deutschlandfunk-Nachrichtenredaktion hat die dramatisch klingende Meldung nicht aufgegriffen. Einige Hörer fragten uns nach den Gründen.

Von Marco Bertolaso | 14.08.2015
    Bürger halten in Dortmund (Nordhein-Westfalen) vor dem Rathaus während einer Demonstration Schilder gegen Rechtsextremismus hoch.
    Bürger demonstrieren vor dem Rathaus gegen den Einzug des Rechtsextremisten Siegfried Borchardt in den Stadtrat. (dpa picture alliance/ Caroline Seidel)
    Auch wir sind den Berichten nachgegangen, die Zeitungen, Zeitschriften wie der "Focus" oder auch "n-tv" aufgegriffen haben. Die Behörden in Dortmund sagten uns allerdings, den selbst ausgerufenen "Stadtschutz" gebe es praktisch nicht. Es handle sich vielmehr um einzelne Provokationen, die im Internet und in den sozialen Medien von den Rechtsextremen selbst beworben würden.
    Auch Radikale sind Medienprofis
    Der Düsseldorfer Wissenschaftler Alexander Häusler sieht in der medialen Selbstinszenierung eine Strategie der gewaltbereiten Neonazi-Szene, um neue Anhänger zu rekrutieren. Zu bedenken sei, dass auch Rechtsextreme sich immer geschickter des Internets und der sozialen Medien bedienten.
    An der Lage in Dortmund ist nichts zu beschönigen
    Keine Frage: Dortmund hat ein echtes Problem mit Rechtsextremen. Die Partei "Die Rechte" hat seit der Kommunalwahl 2014 ein Mandat im Stadtparlament. Aufsehen erregte sie im November 2014 mit der Anfrage nach der Zahl der in Dortmund lebenden Juden. Es gab in Dortmund Todesdrohungen gegen Journalisten. Nicht von ungefähr berichtete der WDR im Juni 2015 darüber, wie Dortmund mit dem Ruf umgeht, Hochburg der Neonazis zu sein. Und ebenfalls nicht von ungefähr wurde die öffentliche Diskussionsveranstaltung aus Sicherheitsgründen aus dem Rathaus in ein Studio verlegt.
    Die "Stadtschutz"-Aktionen sind nicht neu. Es gab sie schon früher in Dortmund, aber auch in anderen Städten wie in Wuppertal. In Dortmund erklärte "Die Rechte" im August 2014, "nationale Aktivisten" hätten einen "Rechten Stadtschutz" gegründet. Zu dessen Aufgaben zählten "soziale Hilfsdienste oder das Präsenzzeigen an Orten mit hohen Verbrechensquoten". (Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Beleglink zu diesen Aussagen entfernt. Inzwischen findet sich auf dieser Webseite nämlich antisemitisches Material.)
    Die Botschaft hinter dem "Stadtschutz"
    "Stadtschutz" spielt sprachlich mit Begrifflichkeiten aus der NS-Zeit. Heute soll suggeriert werden, dass da eine Gruppe im öffentlichen Raum an Stelle eines "versagenden Staates" Ordnung und Sicherheit gewährleistet. Wuppertals Polizeichefin Birgitta Radermacher sagte im September 2014, die Partei "Die Rechte" versuche, sich den Deckmantel der Rechtschaffenheit umzuhängen, wolle aber "Ängste schüren und provozieren." Ähnlichkeiten mit dem Vorgehen der einstigen Wuppertaler "Scharia-Polizei" sind vermutlich nicht beabsichtigt, aber auffällig.
    Unser Fazit
    Es ist immer eine Gratwanderung und keine leichte Abwägung. Über wichtige Themen müssen und wollen wir berichten. Wir machen aber keine PR. Erst recht nicht für Rechtsextreme in Dortmund. Daher haben wir die Meldung letztlich nicht in unseren Nachrichten aufgegriffen, berichten aber weiter über die Hintergründe und die Lage in Dortmund.