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Aus für Kaiser's Tengelmann
"Das ist definitiv"

Der Handelsexperte Gerrit Heinemann glaubt nicht, dass Kaiser's Tengelmann noch vor der Zerschlagung bewahrt werden kann. Alle Lösungen, die jetzt noch vorgeschlagen würden, dauerten zu lang, sagte er im Deutschlandfunk. Er selbst hätte genauso gehandelt wie Tengelmann-Chef Haub.

Handelsexperte Gerrit Heinemann im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 14.10.2016
    Gerrit Heinemann, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Niederrhein
    Gerrit Heinemann ist Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Niederrhein (picture alliance/Eventpress)
    Sina Fröhndrich: Jetzt also doch das Aus für die Teekanne. Kaiser's Tengelmann soll zerschlagen werden. Knapp 16.000 Mitarbeiter wissen nicht, wie es weitergeht. Einzelne Filialen könnten vielleicht verkauft werden, aber sicher nicht alle. Vergangene Woche um die Zeit, da hatten alle noch Hoffnung; die wurde jetzt zerstört. Entsprechend ist die Stimmung bei den Beschäftigten. Keine Rettung mehr für die Kaiser's-Tengelmann-Mitarbeiter. Oder doch? Das besprechen wir mit Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Er ist Handelsexperte. Guten Tag.
    Gerrit Heinemann: Schönen guten Tag.
    Fröhndrich: Der Poker um Kaiser's Tengelmann, der dauert schon zwei Jahre lang. Ist das jetzt tatsächlich das Ende, oder glauben Sie, da kommt noch was?
    Heinemann: Nein. Ich glaube, da kommt jetzt nichts mehr. Das ist definitiv. Sonst wäre Herr Haub auch nicht vor die Mitarbeiter getreten und hätte das gesagt. Ich gehe nicht davon aus, dass sich da jetzt noch irgendwas ändern wird.
    Fröhndrich: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagt, vielleicht könnte ein Schlichter helfen. Auch Rewe-Chef Caparros hat das gesagt, man könnte noch mal einen letzten Anlauf nehmen. Lässt sich da nicht vielleicht doch noch etwas schlichten?
    Heinemann: Glaube ich nicht, denn ich versetze mich mal in die Lage von Herrn Haub, der jeden Monat mindestens zehn Millionen verliert, Verlust schreibt, und das wird sich jetzt mit jedem Tag erhöhen. Wir sind an einem Punkt, wo das Unternehmen anfängt, in den freien Fall zu gehen, und da haben wir gar keine Zeit mehr. Alle Lösungen, die vorgeschlagen werden, auch von Minister Gabriel oder von den Gewerkschaften, dauern zu lange. Und selbst wenn Rewe einen Teil der Filialen in Berlin übernehmen würde, müsste das Kartellamt auch dafür noch mal ein Prüfverfahren einleiten, was mindestens sechs Monate dauert. Das würde ich als Herr Haub auch nicht mehr machen.
    Fröhndrich: Das heißt, Sie würden es jetzt auch wie Herr Haub machen und einzelne Filialen versuchen zu verkaufen, was nächste Woche schon beginnen soll?
    Heinemann: Ja, oder ich glaube eher abgeben. Über Verkauf kann man da nicht mehr sprechen. Wenn ein Unternehmen, eine Unternehmenstätigkeit beendet wird, heißt das sicherlich Schließungen bei Filialen, die niemand haben möchte, und bei den Filialen, die vielleicht interessant sind für Rewe oder Edeka, glaube ich nicht, dass es um einen Verkauf geht, sondern eine Abgabe.
    Fröhndrich: Wäre ja aber ein gutes Geschäft für Rewe und Edeka.
    Heinemann: Ja, sicher. Wenn aber auch die ganzen Verpflichtungen damit verbunden sind, die sind ja auch nicht ohne. Aber sicherlich, muss man sagen, ist das, worauf es hinausläuft, für die, die sich jetzt die Rosinen rauspicken können, vorteilhaft - muss man so sehen.
    Fröhndrich: Viele Mitarbeiter sind sauer, vielleicht auch zurecht. Auf wen sollte sich denn jetzt ihre Wut richten? Wer trägt denn Schuld an diesem Debakel?
    Heinemann: Ich denke mal, dass das Bundeskartellamt diese Hängepartie mit verursacht hat, mit Argumentationen, die so nicht nachvollziehbar sind. Denn von einer Preistreiberei zu sprechen, wenn Edeka übernehmen würde - genau das Gegenteil ist der Fall. Kaiser’s Tengelmann hat aufgrund der kleinen Betriebsgröße die schlechtesten Einkaufskonditionen und war deswegen eigentlich überteuert, gilt auch als Apotheke in der Branche, und es wäre für den Konsumenten eigentlich günstiger geworden. Dann muss man sehen, dass sicherlich der Einspruch von Rewe und Norma, weil ja die Ministererlaubnis durchsetzbar gewesen wäre, im Grunde den letzten Stein vor die Tür geschoben hat.
    Fröhndrich: Aber man könnte ja auch sagen, dass Tengelmann vielleicht einen Trend verschlafen hat, vielleicht seine Filialen hätte fitter machen können, vielleicht mehr Bio oder eine bessere Ausleuchtung beispielsweise. Hat man da nicht auch ein bisschen verschlafen?
    Heinemann: Wenn ich mal auf die Konzernebene gehe, eine Ebene drüber von Herrn Haub, muss man sagen, hat er eigentlich das Richtige gemacht, nämlich in die Geschäftsfelder zu investieren wie Obi oder Kick, die sehr viel renditeträchtiger und zukunftsfähiger sind, und das ist immer so das Problem, wenn man diversifiziert ist und in unterschiedlichen Branchen tätig ist, dann natürlich zu entscheiden, auf welches Pferd setze ich. Da haben es sicherlich Edeka und Rewe einfacher, die nur auf ein Pferd, nämlich Lebensmitteleinzelhandel gesetzt haben, und insofern hat auch alleine aufgrund der Betriebsgröße Kaiser's Tengelmann keine Chance gehabt. Die hätten tun können was sie wollten, die Größe hätte es nicht möglich gemacht.
    Fröhndrich: Einschätzungen waren das vom Handelsexperten Gerrit Heinemann. Vielen Dank dafür.