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Aus für Tihange und Doel
Belgischer Atomausstieg bis 2025

Tihange und Doel - die beiden belgischen Atomkraftwerke sorgen seit Jahren mit Störfällen und Pannen für Schlagzeilen. Die Nachbarländer machen Druck, dass Belgien aus der Atomenergie aussteigt. Bis 2025 soll es soweit sein.

Von Sandro Schroeder | 11.05.2018
    Das Kernkraftwerk Tihange am Ufer der Maas in Belgien
    Der Weg zum belgischen Atomausstieg ist ein langes Hin und Her (imago stock&people)
    Der Weg zum belgischen Atomausstieg ist ein langes Hin und Her. Die aktuelle Regierung von Premierminister Charles Michel hat sich im April dem Atomausstieg bis 2025 verpflichtet. Aber eigentlich hatte Belgien den Atomausstieg schon lange per Gesetz beschlossen, nämlich 2003. Lange vor Deutschland und der Atomkatastrophe in Fukushima 2011.
    Angela Merkel sagte damals: "Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert."
    Ausstieg war für 2015 geplant
    Schon 2003 hatte die damalige belgische Regierung aus Liberalen, Sozialisten und Grünen vorgesehen, die drei ältesten Reaktoren in Doel und Tihange 2015 vom Netz zu nehmen - danach schrittweise den Rest. Aber dann kamen die Zweifel. Zwei Jahre später weichte die Nachfolgeregierung aus Liberalen und Sozialisten den Atomausstieg wieder auf. Zu groß war die Sorge, dass die Stromversorgung ohne die Reaktoren nicht funktionieren würde. Nicht ganz unberechtigt, denn Belgien ist bis heute extrem abhängig von seinen Atomkraftwerken, tragen die doch fast die Hälfte der Stromversorgung - die erneuerbare Energien machen dagegen nur 8 Prozent aus.
    "Man darf nicht vergessen, dass Belgien durchaus eine angespannte Situation hat. Es ist auch heute schon und in der jüngeren Vergangenheit ein Importeur von Strom gewesen, es konnte sich nicht selbst, autark versorgen, sondern nur in wenigen Zeiten, wo alle Kraftwerke laufen." Sagte der Aachener Professor für Energiewirtschaft, Albert Moser, im März im Belgischen Rundfunk. Wie angespannt die Situation in der belgischen Energieversorgung ist, zeigt sich auch am Hin und Her in der belgischen Atompolitik, das nach Fukushima weiterging. Angela Merkel: "Das Atomgesetz wird novelliert. Damit wird bis 2022 die Nutzung der Kernenergie in Deutschland beendet."
    Ängste in den Nachbarländern
    Deutschland stieg komplett aus, in Belgien verpflichtete sich wieder eine neue Regierung dem ursprünglich geplanten Atomausstieg bis 2025. Aber als einzelne Reaktoren in Doel und Tihange wegen Problemen heruntergefahren werden mussten, wurden die Laufzeiten der Reaktoren Tihange 1, sowie Doel 1 und 2 nochmal um 10 Jahre verlängert, obwohl die alle eigentlich 2015 vom Netz gehen sollten. Aus Sorge vor Stromengpässen und Komplettausfällen. Dass die über 40 Jahre alten Atomkraftwerke in Belgien damit jetzt bis 2025 weiterlaufen sollen, sorgt aber wiederum für Ängste in den europäischen Nachbarländern, wie die belgische Europaabgeordnete Kathleen van Brempt im Europäischen Parlament Anfang Mai klagte:
    "Wenn ich hier mit den Kolleginnen und Kollegen rede, und die über Belgien reden, dann kommt immer wieder sehr schnell das Thema nukleare Sicherheit auf das Tapet. Die deutschen Kolleginnen und Kollegen, die niederländischen Kolleginnen und Kollegen machen sich mehr Sorgen über nukleare Sicherheit, als die belgische Regierung. Das kann nicht sein."
    Die Angst vor Tihange und Doel ist mittlerweile auch nicht nur eine deutsche. Nach der Region Aachen, die nur 60 bzw. 140 km Luftlinie von beiden Kraftwerken entfernt ist, hat nun auch Belgien selbst Jodtabletten an seine Einwohner verteilt. Und die aktuelle Regierung zeigt sich entschlossen, den Atomausstieg nun wirklich anzugehen, wie Premier Michel im Europaparlament versicherte:
    "Zur nuklearen Sicherheit, Frau van Brempt. Wir haben hier eine Entscheidung getroffen für den Atomausstieg im Jahr 2025. Ist das leicht? Nein. Aber es ist ein ehrgeiziges Vorhaben und wir wollen alles daran setzen, hier auch Ergebnisse zu erzielen."
    Problemreaktoren könnten eher vom Netz gehen
    Dass Belgien den Atomausstieg bis 2025 noch schaffen kann, hält der Aachener Energiewirtschafts-Professor Moser für realistisch - wenn Belgien jetzt in erneuerbare Energien und beispielsweise Gaskraftwerke investiert. In einer Studie für das nordrhein-westfälische Umweltministerium kommt er zu dem Schluss, dass die beiden Problemreaktoren Tihange 2 und Doel 3 sogar eher vom Netz gehen könnten:
    "Wir haben Untersuchungen gemacht, für das Jahr 2020. Den kleinen Ausstieg, damit ist gemeint, eben diese beiden Reaktoren - also einen einzelnen aus Doel und einer aus Tihange, die in der Presse stärker diskutiert werden - der kleine Ausstieg geht. Der große Ausstieg - aus Sicht der Versorgungssicherheit geht das nicht."
    So Moser im Belgischen Rundfunk. Erst im April hatte es wieder einen Vorfall in Doel gegeben, ein Leck am Notkühlkreislauf. Der Betreiber Electrabel informierte die Öffentlichkeit nicht innerhalb der vorgesehen Frist, versicherte aber, dass das Leck kein Sicherheitsproblem darstellt. Der Reaktor wurde heruntergefahren.