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Aus Liebe zum Tabak

"Rauchzeichen" von Christa Jekoff ist kein Plädoyer zum Rauchen, doch ein Werk gegen das Rauchverbot. Die Autorin selbst hat den Sprung von der Sucht- zur Genussraucherin geschafft. Die Schattenseiten des Rauchens verschweigt sie gänzlich.

Von Brigitte Neumann | 29.06.2006
    Es sind erste ernste Zeichen des körperlichen Verfalls: drei Glas Rotwein hintereinander, mehr als zehn Zigaretten täglich - plus eine oberhessische Wurstplatte vor dem Schlafengehen. Der menschliche Organismus, wenn er denn die 50 Mal überschritten hat, hält solche Schadstoff- und Kalorienattacken nicht mehr gut aus. 4000 Chemikalien stecken in einer Zigarette, 40 davon hat die Weltgesundheitsorganisation WHO als krebserregend eingestuft. Das ist zu viel, dachte sich, so ungefähr zu der Zeit ihres 50. Lebensjahres, auch die Autorin Christa Jekoff und reduzierte ihren Zigarettenkonsum von drei Päckchen auf maximal drei Stück täglich, was ihrer frenetischen Liebe zum Tabak, wie wir lesen, aber keinen Abbruch tat.

    1967 war Christa Jekoff eine kettenrauchende Buchhändlerin, nennt sich rückblickend in ihrem Buch gelegentlich sogar Tabak-Junkie. Und ihre nur kurz skizzierten, dafür aber zahllosen Entwöhnungsversuche waren offenbar schmachvoll. Heute aber ist alles gut. Schon bevor die Autorin diverser Katzenkrimis mit dem Brevier "Rauchzeichen" begann, hatte sie den Sprung geschafft: von der süchtigen zur Genussraucherin.

    In "Rauchzeichen" zitiert sie Schauspieler, Regisseure und Schriftsteller des letzten und vorletzten Jahrhunderts; eine Truppe, die sie gegen die von ihr so erlebte "fanatische Nichtraucherlobby" in Stellung bringt. Lauren Becall und Humphrey Bogart als sexy Raucherpaar der Kinogeschichte, Thomas Mann und Sigmund Freud als nette Suchtbolzen oder auch den Journalisten und Schriftsteller Friedrich Torberg, der ganz sachlich konstatierte: "Ich für meine Person muss, um leben zu können, schreiben, und um schreiben zu können, muss ich rauchen." Dieses Zitat entstammt seinem Aufsatz "Auch Nichtraucher müssen sterben", eine Tatsache, die man der Fit-and-fun-Generation heute ab und zu ruhig ins Gedächtnis rufen sollte.

    In einem sehr kurzen Exkurs über die Geschichte des Rauchverbots erwähnt Jekoff zwar unter anderem den englischen König Jacob I., der vor 400 Jahren eine Streitschrift wider das Rauchen herausgab, vergisst aber den fanatischen Nichtraucher Adolf Hitler. Dessen Propagandaabteilung fuhr eine ausgesprochen erfolgreiche Nichtraucherkampagne. Es entfällt deshalb auch der Verweis darauf, dass staatliche Anti-Raucher-Maßnahmen in Deutschland - vielleicht mit Blick auf diese Geschichte - noch sehr zögerlich verordnet werden.
    Tatsächlich gelten in Amerika, Norwegen, Italien weitaus strengere Gesetze als hierzulande - oder zum Beispiel auch in Schottland, wo seit diesem Jahr in allen Räumen außerhalb der Privatwohnung striktes Rauchverbot herrscht.

    "Wie hoffnungslos frustriert muss eine Nation sein, die sich mit Dosenpfand und Rauchverbot beschäftigt!", schreibt Christa Jeckoff. Und schwärmt von früher, wo selbst im Fernsehstudio geraucht werden durfte. Zitat: "Vielleicht ging es dort deshalb anspruchsvoller und interessanter zu als in den Talkrunden von heute, denn es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass das Nikotin die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigert." Christa Jekoff schießt etwas übers Ziel hinaus, zum Beispiel auch, wenn sie von Thomas Manns "Zauberberg" als Hymne an den Tabakgenuss als Halt, als Lebenselexier, ja Lebensinhalt" schwärmt. Die Schattenseiten des Rauchens verschweigt sie gänzlich.

    Dieses Buch, es ist doch nicht etwa im Auftrag der Zigarettenlobby geschrieben, so wie Fay Weldon einmal einen Krimi im Auftrag des Edeljuweliers Bulgari verfasst hatte. Allemal keimt dieser Verdacht, wenn Christa Jekoff im schönsten PR-Jargon ihre Lieblingsmarke besingt: "Eine neue Zigarette ist auf dem Markt, welche die alten Zeiten wiederaufleben lässt. ... Eine Soft-Packung, weich und glatt – es knistert, wenn man eine Zigarette herausnimmt – wie zur Zeit meiner ersten Liebe. .. Aber auch ihr Inhalt ist ein Genuss"" und so weiter und so fort.

    Was bleibt sind die vielen schönen Zitate über leidenschaftliche Raucher aus Romanen der Weltliteratur von Guy de Maupassant, Gustave Flaubert, Graham Greene, Jules Verne oder Ernst Bloch. Der schrieb in seinem Aufsatz "Philosophische Ansicht des Detektivromans": "Die Lage ist doch zu gemütlich, in der Detektivgeschichten am liebsten genossen werden. Im bequemen Sessel, unter der abendlichen Stehlampe, mit Tee, Rum und Tabak, persönlich gut gesichert und ruhevoll in gefährliche Dinge vertieft." Weil aber viele der in "Rauchzeichen" versammelten Zitate von Christa Jekoff ohne den rechten Schwung montiert und kommentiert wurden, wirkt das Büchlein ein wenig steif und ungelenk. Es hat den Touch einer germanistischen Magisterarbeit.