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Ausbildung
Förderprogramme für den Berufseinstieg

Für manche Schüler reichen die Angebote der allgemeinbildenden Schulen in Sachen Berufsorientierung und Bewerbungstraining nicht aus. Ein Förderprogramm der Stiftung der Deutschen Wirtschaft verhilft "Jugendlichen mit Startschwierigkeiten" zu Lehrstellen, auf die sie sonst weniger Chancen hätten.

Von Franziska Rattei | 16.10.2014
    Früher Nachmittag in einer Lagerhalle der BLG Logistics, einem international agierenden Logistikanbieter. Feierabend für Tim Näther. Der 17-Jährige steht zwischen hohen Holzkisten und Metallkäfigen. Seine Kollegen machen Autoteile – Auspuffrohe, Kotflügel und so weiter – fit für den Transport. Tim Näther ist stolz, hier zu arbeiten.
    "Wie man hier auch schon sieht: Man hat sehr sehr viel Abwechslung. Ich möchte nicht den ganzen Tag eintönig arbeiten. Ich bin gern mit Menschen zusammen, ich bin gern mal draußen oder so wie hier in einer Halle unterwegs, anstatt einfach im Büro rumzusitzen. Sowas könnte ich nicht. Ich brauche Bewegung. Wenn ich Kartons auf Paletten packen muss, habe ich auch ein bisschen was Sportliches mit dabei. Ist manchmal ganz schön anstrengend, aber es macht Spaß."
    Das Zeugnis, mit dem sich der junge Bremerhavener bei dem Logistikunternehmen bewarb, war keine Glanzleistung, sagt er selbst. In Mathe hatte Tim Näther eine Fünf. Die Firma hat ihn trotzdem genommen - weil das Gesamtpaket gestimmt hat, sagt Marvin Baer, einer der Ausbildungsleiter. Und zum Gesamtpaket "Tim Näther" gehörte ein Förderprogramm.
    "Wir haben diverse Förderprogramme schon gesehen und auch Azubis aus diesen Programmen einen Ausbildungsplatz gegeben. Und wir stellen dann auch fest: Mensch, diese Förderprogramme, die bringen auch wirklich was. Leider gibt es ja nicht immer diese tollen Vorbereitungsmöglichkeiten für diese jungen Leute. Die, die in einem Förderprogramm stecken, die genießen dann die Vorteile des Förderprogramms, und wir merken das dann wirklich auch. Das ist schon echt klasse."
    Drei Jahre lang dauert das sogenannte "Systematische Übergangsmanagement", das Tim Näther während der Schulzeit, in der Bewerbungsphase und im ersten Ausbildungsjahr wahrnimmt. Tim durfte an dem Programm der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) und der Walter-Blüchert-Stiftung teilnehmen, weil er als Jugendlicher mit sogenannten Startschwierigkeiten gilt, erklärt Arndt Schnöring, Generalsekretär der sdw:
    "Das sind junge Menschen, die vielleicht aus Familien kommen, in denen keine höheren Schulabschlüsse vorliegen, deswegen auch wenig Erfahrung mit dem Schulsystem in Deutschland. Deshalb auch wenig Möglichkeiten, den Kindern auch Tipps und Ratschläge und Unterstützung mit auf den Weg zu geben. Manche Familien leben auch in Risikolagen, das heißt sie sind von Armut gefährdet, von Arbeitslosigkeit. Das wirkt sich natürlich auch auf den Bildungserfolg von jungen Menschen aus. Da möchten wir fördern."
    Mit viel Aufwand und Geld. Die Wochenend-Seminare, Coachings und Trainings kosten pro Kopf und Jahr rund 2.000 Euro. Und sie haben Erfolg, sagt Schnörig. Mehr als 90 Prozent von 200 Teilnehmenden haben dank Programm den Übergang von der Schule in die Ausbildung oder weiterführende Schule geschafft. Man muss sich um diese Jugendlichen bemühen, sagt Ingo Kramer, Vorstandsvorsitzende der sdw, und Arbeitgeberpräsident. Stichwort: demografische Entwicklung.
    "Wenn wir gar nichts tun, werden wir etwa ab 2030 um die vier Millionen weniger Menschen haben - nach heutigen Maßstäben -, die dann im Erwerbsleben sind. Und in der Zeit können wir uns nicht erlauben, eigentlich befähigte Jugendliche außen vor zu lassen, bloß weil sie in einer bestimmten – vielleicht auch für sie schwierigen - Lebensphase nicht die Unterstützung bekommen haben, die sie brauchten."
    Für Tim Näther ist klar: Ohne das Förderprogramm hätte er weniger Chancen gehabt. Auch Eva Quante-Brandt, Bremens Bildungssenatorin, räumt ein: Mitunter reichen die Angebote der allgemeinbildenden Schulen in Sachen Berufsorientierung und Bewerbungstraining nicht aus:
    "Manche brauchen einfach noch mehr. Und da kann es sein, dass wir als Schule einfach noch nachbessern müssen. Schule hat immer Luft nach oben. Schule ist ein Entwicklungsfeld. Also insofern würde ich immer sagen: Wir können gucken, was müssen wir an unserer Berufsorientierung noch verbessern, was erfahren wir auch aus der Wirtschaft, was sie von uns noch mehr erwarten. Und insofern sind solche Projekte, die eine weitere Begegnung eröffnen, gut."