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Ausbildung
Teurer Weg zum Meisterbrief

In Deutschland gibt es immer weniger Meister, denn die Ausbildung für den begehrten Brief kostet eine Menge Geld. Dabei werden Fachkräfte mit Meistertitel dringend gesucht. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will deshalb die Gebühren für die Meister- und Technikerausbildung abschaffen.

Von Anja Nehls | 29.04.2016
    Ein Auszubildender im Bäckerhandwerk holt Brot aus dem Backofen
    Wer später mal einen Betrieb führen will, braucht einen Meisterbrief. (imago / Olaf Döring)
    "Beispielsweise sie haben eine Torte ausgeliefert, die Torte ist nicht entsprechend groß oder schief oder es fehlt z.B. das Brautpaar drauf, dann will der nicht bezahlen, wenn er aber nicht zahlen kann, kann man dann in dem Fall eine Ratenzahlung vereinbaren? Richtig. Aber Sie müssen immer als Unternehmer denken, sie müssen Löhne bezahlen, eine Pacht bezahlen, die Steuern abführen."
    Heute geht es für die zukünftigen Bäckermeister und -meisterinnen um Betriebswirtschaft. Über ein Jahr lang treffen sie sich dreimal pro Woche neben dem normalen Job hier in der Berliner Akademie Deutsches Bäckerhandwerk nachmittags von 15.00 bis 18.30 Uhr. Mit dabei ist Candy Roß. Seit Jahren arbeitet er in der Produktion einer Berliner Großbäckerei, jetzt will er sich verändern:
    "Weil ich mir einfach nochmal eine Herausforderung gesucht habe, weil ich jetzt 31 bin und dachte, es müsste doch noch mehr gehen als nur Bäcker zu sein. Das Ziel ist natürlich den Meister zu machen und eventuell dann Lebensmittekontrolleur zu werden. Was man da verdient weiß ich nicht so wirklich, aber ich denke, dass der Job ein bisschen entspannter ist, weil der Bäckerjob ist ja auch körperlich ganz schön anstrengend. Und mein Ziel ist eigentlich, dasselbe Geld zu verdienen und nicht unbedingt am Wochenende zu arbeiten und mich nicht kaputtzumachen."
    Eigener Betrieb nur mit Meisterbrief
    Die anderen künftigen Bäckermeister wollen einen Betrieb übernehmen oder sich selbstständig machen – und das geht nur mit Meisterbrief – und viel Geld. Zwischen 4000 und 5000 Euro kostet der Lehrgang incl. Prüfungsgebühren. Pädagogik, Betriebswirtschaft, Fachtheorie und Praxis. Ein Vollzeitlehrgang ist zwar nach 14 Wochen vorbei, aber diese Zeit ist finanziell eine noch größere Herausforderung. Zu etwas über 2000 Euro netto Verdienstausfall; für Auswärtige kommen auch noch die Kosten für eine Unterkunft hinzu. Die Akademie in Berlin ist für den gesamtem Nordosten Deutschlands zuständig. Aber nur 10 bis 12 Absolventen machen hier pro Jahr den Meister, sagt Akademieleiter Wolfgang Weber - und dabei dürften auch die Kosten eine Rolle spielen.
    "Vielleicht hängt das ja damit zusammen, dass die sagen, warum soll ich da Geld in die Hand nehmen, ich will was ich verdiene für mich haben. Wir sprechen ja die jungen Leute schon an, wenn sie hier als Lehrling sind und wenn wir den Lehrlingen das vorstellen, dann sage die nö, ich will erstmal Geld verdienen und mir dann was leisten und nicht den Meister machen, da habe ich im Moment gar keine Idee dran."
    Hohe Kosten schrecken ab
    Was für das Handwerk gilt, gilt so ähnlich für die Industrie. Dabei ist der Meister im Deutschen Qualifizierungsrahmen der IHK für die Bewertung von Abschlüssen dem Bachelor als Studienabschluss gleichgestellt. Akademiker aber gibt es im Überfluss, beruflich qualifizierte, wie Industriemeister, aber z.B. viel zu wenig, klagt Oliver Heikaus vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Das könne auch daran liegen, dass die Meisterschülerausbildung viel Geld kostet, ein Studium aber kostenfrei sei:
    "Dieses Ungleichgewicht in der Finanzierung kann zum einen dazu führen, dass die Bildungsentscheidung des Einzelnen verzerrt wird. Zum Zweiten droht durch diese Fehlanreize der Fachkräftemangel im Bereich der beruflich qualifizierten sich weiter zu verschärfen. Fast könnte man sagen, das was die Wirtschaft dringender braucht kostet Geld, das was sie weniger dringend braucht, ist kostenlos verfügbar."
    Dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sich für eine Abschaffung der Gebühren für die Meisterausbildung ausgesprochen hat, findet Oliver Heikaus deshalb gut. Allerdings gebe es z.B. in Bayern auch schon weitergehende Anreize wie den Meisterbonus, in dem jede erfolgreiche Prüfung in der Aufstiegsfortbildung mit 1000 Euro honoriert wird. Der künftige Bäckermeister Candy Roß hat sich von den Gebühren nicht abschrecken lassen und von der enormen Belastung auch nicht. Wenn er sich jetzt auf Betriebswirtschaft konzentriert, hat er davor ab Mitternacht nämlich schon über 25.000 Brötchen gebacken:
    "Also ich komme dann früh so um neun oder 10 von der Arbeit, dann gehe ich zwei Stunden schlafen, dann fährt man hier mit der U-Bahn so eineinhalb Stunden, dann bis 18.30 Uhr, dann so dreiviertel acht wieder zuhause, dann gehst du zwei Stunden schlafen und dann gehst du wieder arbeiten und das dreimal in der Woche. Ich erhoffe mir ja davon, dass ich, wenn ich mich alleine schon bewerbe mit einem Meistertitel, bin ich immer höher angesehen, wie einer, der nur einen Gesellenbrief hat."
    Im März 2017 wird er seine Meisterprüfung in der Tasche haben.