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Ausbildungsbeginn zum Kfz-Mechatroniker
Vom Flüchtling zum Azubi

Öl prüfen, Scheinwerfer einstellen, Reifen aufziehen: In einem Thüringer Autohaus haben Anfang August 14 Flüchtlinge ihre Ausbildung begonnen. Das Land hat ein eigenes Förderprogramm aufgelegt, um Unternehmen zu motivieren, Flüchtlinge einzustellen. Das Fazit im Blick auf Integration fällt positiv aus, bei allen Beteiligten.

Von Henry Bernhard | 06.09.2016
    Ein Flüchtling und ein Servicetechniker schauen sich ein Auto von unten an.
    Das Land Thüringen fördert Unternehmen, die Flüchtlinge als Azubis einstellen. (dpa / picture-alliance / Martin Schutt)
    Eine Autowerkstatt in Nordhausen. Ein Meister und ein Auszubildender stellen gemeinsam die Schweinwerfer ein. "Da kannst du reinschauen. Und wenn es an der gestrichelten Linie ist, dann passt die Höhe. Ist es drüber oder drunter, musst du den Scheinwerfer einstellen." Es ist Biniam Taklays erster Ausbildungstag als KfZ-Mechatroniker.
    "Ja, es macht mir Spaß hier. Ich war im Sprachkurs, und meine Lehrerin hat mir erzählt, dass, wenn ich Lust habe, gibt es so eine Chance von Autohaus Peter, hat sie mir erzählt. Und ich sage OK. Ich hatte auch in Eritrea Lust, Automechaniker zu lernen. Und die Chance habe ich hier bekommen, aber in Eritrea nicht."
    Ausbildungsbeginn nach Praktikum
    Biniam Taklay ist 28 Jahre alt. Er ist vor zwei Jahren aus Eritrea nach Deutschland gekommen. Im letzten halben Jahr hat er schon ein Praktikum hier im Autohaus Peter gemacht – gemeinsam mit 14 anderen Flüchtlingen. Alle in der Werkstatt seien sehr freundlich zu ihm. Schwierig ist "nur die Sprache! Die Sprache ist ein bisschen schwer für uns. Aber es geht mit Hilfe von unseren Kollegen, geht gut."
    Die 15 jungen Männer zwischen 18 und 37 aus Syrien, dem Irak und Eritrea bilden in der Berufsschule eine gemeinsame Klasse. Dass es so weit kam, ist einem Zufall zu verdanken und der Beherztheit eines Unternehmers, dessen Autohäuser die Einfallsstraße nach Nordhausen über hunderte Meter säumen, Helmut Peter. Er telefoniert unablässig, denn er hat gerade drei weitere Autohäuser erworben.
    "Am 31. Oktober letzten Jahres war der Peter Altmaier, unser Kanzleramtsminister, bei uns und hat dort eine Oktoberfestrede gehalten und hat dort über eine Stunde über das Flüchtlingsthema gesprochen und hat mich eigentlich davon überzeugt und motiviert zu sagen, 'Junge, dann gib mir doch eine Klasse, ich probiere es!' Weil es ja immer hieß, 'Die wollen nicht arbeiten. Die wollen nur unsere Mädels belästigen oder wollen in den Kaufhallen ohne Geld einkaufen!' Ich will es einfach mal so ausdrücken. Und um dieses alles selber auszudrücken habe ich das getan."
    Finanzielle Förderung vom Land
    Er wählte 15 Praktikanten unter 30 Bewerbern aus, kooperierte mit der Agentur für Arbeit, bekam Förderung und eine Menge mediale Aufmerksamkeit. Aber er musste seine Mitarbeiter überzeugen, dass es richtig war, was er tat.
    "Als ich in meiner Weihnachtsansprache in jedem Haus dieser Flüchtlingssituation mehrere Minuten geschenkt habe, bin ich natürlich auf Widerstand gestoßen, wenn auch nicht massiv, aber viele Bedenken gab es. Und speziell auch bei jungen Leuten, was mir persönlich so aufgefallen ist. Also, ich konnte mich da schnell zurückbesinnen, wie es mir mal ging, und wir kamen hier aus unserem grauen Nordthüringen. Und das hat mich auch motiviert zu sagen: Wir probieren das."
    Dass alle bei der Stange geblieben sind, gab ihm wohl Recht. Ein paar anonyme Beschimpfungen hat er dafür bekommen, dass er Flüchtlinge ausbildet, auch ein paar Kunden hätten gemurrt. Aber seine Firma hat in diesem Jahr genauso viele deutsche Lehrlinge wie immer eingestellt. Die Flüchtlingsklasse läuft zusätzlich.
    Der für alle Auszubildenden der Firma zuständige Achit Tölle ist viel für seine Jungs unterwegs, die meist ohne Familie in Deutschland sind, und hat auch Berufsschule und Handwerkskammer überzeugt, dass die ersten Prüfungen später als üblich stattfinden.
    Skepsis und Vorurteile am Anfang
    "Am Anfang waren natürlich schon viele skeptisch, es gab selbst welche mit Vorurteilen. Und bei denen, die am Anfang so skeptisch waren, sind viele mittlerweile genauso überzeugt, dass die genauso zuverlässig sind wie unsere deutschen Arbeitnehmer. Mittlerweile heißt es auch nicht mehr 'der Flüchtling', sondern dann heißt es eben Mohammed oder Omar oder Binjam. Daran merkt man schon, dass die da integriert sind."
    Der knappe Kommentar eines Meisters in der Werkstatt: "Die Zweifel bestehen immer. Die bestehen auch bei deutschen Lehrlingen." Das Schwierigste für sie ist die Sprache. Das schwierigste Wort für Biniam Taklay: Turbolader.
    "Das ist schwer! Turbo …" - "Turbolader!" - "Turbo … Das ist schwer! Turbo … Wenn ich nach Hause gehe, sage ich auch immer: Turbo…, Turbo…"