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Ausblick auf 2015
Chemieindustrie erwartet keine großen Sprünge

Die Chemiebranche ist mit ihren Lacken, Kunststoffen und sonstigen Materialien nach dem Auto- und dem Maschinenbau der drittwichtigste Wirtschaftszweig der deutschen Industrie. Sie wächst zwar stetig, aber dafür nur langsam. Dementsprechend sind die Erwartungen an das kommende Jahr verhalten.

Von Brigitte Scholtes | 08.12.2014
    Mehrere Studenten in weißen Kitteln arbeiten in einem Labor. Eine Studentin hat einen Mörser in der Hand. Andere betrachten Reagenzgläser.
    Die Chemiebranche hofft auf mehr Nachfrage in Europa, USA und Asien (Picture Alliance / dpa / Jan Woitas)
    Überschwänglich sind die Erwartungen nicht, die die deutsche Chemieindustrie für das kommende Jahr hegt, trotz eigentlicher guter Stimmung der Branche. Das sagt Bayer-Chef Marijn Dekkers, seit wenigen Wochen Präsident des VCI, des Verbandes der Chemischen Industrie:
    "Die aktuelle Geschäftslage wird zwar von den Chemieunternehmen überwiegend positiv eingeschätzt. Die Branche rechnet aber nicht mehr mit einer raschen Belebung in den kommenden Monaten. Daher erwarten wir nur einen moderaten Aufwärtstrend für das kommende Jahr."
    Die Branche hofft auf eine wirtschaftliche Stabilisierung und anziehende Nachfrage in Europa, auf bessere Geschäfte in den USA und in Asien. Das laufende Jahr hingegen blieb unter den Erwartungen: Die Chemieproduktion stieg nur um 1,5 Prozent. Marijn Dekkers:
    "Der Grund ist: Die globale Großwetterlage für Chemiegeschäfte hat sich im Verlauf des Jahres eingetrübt. Europa konnte zwar wie erhofft die Rezession überwinden. Der Aufwärtstrend blieb jedoch kraftlos. Auch viele Schwellenländer enttäuschten mit niedrigem Wachstum."
    Fünf Mal in Folge Rekordzahlen
    Das Produktionsplus wurde nur von der Pharmasparte getragen, die etwa ein Fünftel der deutschen Chemieproduktion ausmacht. Mit knapp 194 Milliarden Euro setzte die gesamte Branche 1,5 Prozent mehr um, das war zum fünften Mal hintereinander Rekordniveau. Im Inland war der Zuwachs stärker als im Ausland. Aber gleichzeitig gingen die Preise zurück: Denn die Industrie musste die gesunkenen Rohstoffpreise an ihre Kunden weitergeben. Auch wenn Rohöl im Jahresverlauf zehn Prozent billiger wurde, entlastete das die Unternehmen nur um zwei Prozent. Denn Öl wird ja in Dollar fakturiert, der aber legte gegenüber dem Euro deutlich zu. Andererseits hilft der Euro beim Export, denn für die Kunden außerhalb des Euroraums werden die hier produzierten Waren dann billiger. Die Euroschwäche helfe zwar kurzzeitig den deutschen Chemieunternehmen, sagt Dekkers:
    "Wenn es so weitergehen würde, glaube ich, dass die Amerikaner auch gegensteuern würden. Und das ist dann ein Streit, der eigentlich langfristig keinen Sinn macht. Wenn wir uns beim VCI fokussieren auf Wettbewerbsfähigkeit, sprechen wir eigentlich nicht über kurzfristige Wettbewerbsfähigkeit, vielmehr langfristige Wettbewerbsfähigkeit wie die Energiepreise und die Innovationsfähigkeit in unserer Industrie."
    Die Branche steht der Energiewende zwar grundsätzlich positiv gegenüber. Aber mehr Unternehmen als bisher müssten von den Kosten entlastet werden. Denn bisher profitieren nur 140 der 2000 Firmen davon. Und auch die neuen EU-Vorgaben zur CO2-Reduzierung scheinen der Branche zu hoch: Wenn sie ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 um 70 Prozent senken solle, dann werde das womöglich nur noch mit Produktionseinschränkungen zu erreichen sein.