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Ausgangssperre auf Verdacht

Die gezielte Tötung von Terroristen als letztes Mittel im staatlichen Anti-Terror-Kampf? Die Überlegungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zum Umbau des Rechtsstaats sind auf heftige Kritik gestoßen. Allerdings haben schon andere solche Überlegungen angestellt, die Briten zum Beispiel. Aus London berichtet Martin Zagatta.

11.07.2007
    Terrorverdächtige unter Hausarrest zu stellen, ihnen die Benutzung von Telefon und Internet zu untersagen, das ist auch auf der Insel umstritten, gehört aber zu den gängigen Maßnahmen. Der britische Innenminister kann ohne Anklage und Gerichtsverfahren so genannte "Control orders" erlassen - polizeiliche Auflagen. Personen, die als "terrorverdächtig" oder als "nationales Sicherheitsrisiko" eingestuft werden, können damit zum Tragen von elektronischen Fußfesseln verpflichtet werden, zu Kontakt- und Ausgangssperren. Auch für Kritiker in London eindeutiger Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien.

    "Diese Control Orders haben sich als Katastrophe erwiesen. Denn zum einen werden die Betroffenen ohne Gerichtsverfahren mit Strafmaßnahmen belegt, als Terroristen gebrandmarkt ohne Anklage. Und zum anderen: Wenn Leute ernsthaft verdächtigt werden, gefährliche Terroristen zu sein, dann","

    so fordert Shami Chakrabarty, die Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation Liberty,

    ""dann sollten sie verhaftet und vor Gericht gestellt werden."

    Die britische Regierung dagegen argumentiert, dass in der Praxis Beweise oft nicht prozessverwertbar gemacht werden könnten, etwa um Informanten zu schützen oder Ermittlungsmethoden nicht offen zu legen. In diesen Fällen die Beschuldigten sogar in Haft zu nehmen, dieser Praxis hat der Oberste Gerichtshof vor zwei Jahren ein Ende gemacht. Seitdem sind rund 20 Terrorverdächtige unter Hausarrest gestellt worden mit Telefon- und Internetverbot. Einem Palästinenser zum Beispiel, der zuvor dreieinhalb Jahre ohne Anklage inhaftiert war, hat das Innenministerium zusätzlich auferlegt, weder Familienangehörige noch Freunde zu besuchen und auch keine Moschee.

    Bewährt allerdings haben sich die Kontrollauflagen kaum: Drei der so Festgesetzten haben sich erst kürzlich aus dem Staub gemacht, darunter ein Iraker und ein Brite pakistanischer Herkunft, denen Verbindungen zum El-Kaida-Netzwerk nachgesagt werden. Damit ist jetzt schon rund die Hälfte der mit "Control Orders" belegten Verdächtigen auf der Flucht.

    Die Regierung müsse nach einem Weg für strengere Kontrollen suchen, und man könne nur hoffen, dass diese dann von den Gerichten mitgetragen werden, verlangt Lord Carlile, der Anti-Terrorismus-Beauftragte des britischen Parlaments. Der neue Premierminister Gordon Brown hat angedeutet, dass er auf Kontakt- und Ausgangssperren bald schon wieder verzichten möchte. Terrorverdächtige sollen stattdessen schneller in Haft genommen werden. Die Regierung habe vor, künftig abgehörte Gespräche und Geheimdienstinformationen viele häufiger als Beweismittel heranzuziehen. Und terrorverdächtige Ausländer sollen zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer gedrängt werden. Andernfalls droht ihnen die Abschiebung.

    Die britische Regierung wolle noch weitere Vereinbarungen treffen mit anderen Staaten, um die Abschiebung von Leute zu ermöglichen, die besser in diesen Ländern sein sollten als in Großbritannien, so Gordon Brown. Von Jordanien, Libyen und vom Libanon haben sich die Briten in solchen Abkommen schon zusichern lassen, auf eine Misshandlung von Abgeschobenen zu verzichten. Wertlose Zusagen, um Auslieferungen auch in Länder zu ermöglichen, in denen Folter droht, so kritisieren Menschenrechtsorganisationen.

    Doch im Kampf gegen den Terrorismus scheint der neue Premierminister Gordon Brown nun zum Äußersten entschlossen. Er will sogar durchsetzen, woran sein Vorgänger Tony Blair gescheitert ist: die verbindliche Einführung von Personalausweisen - für viele Briten die Ausgeburt eines Polizeistaates.