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Ausgelesen, verdorben, weggeschmissen

Umwelt. - Für die Produktion von Nahrungsmitteln werden Unmengen Energie und Wasser verbraucht. Auch hier lässt sich also viel Energie sparen, um das Klima zu schonen - bei Anbau und Transport wie auch beim Endverbraucher, der zum Beispiel weniger Nahrungsmittel wegwerfen sollte.

Von Volker Mrasek | 19.08.2009
    Es ist eine kleine Fallstudie mit großer Sprengkraft. Bradley Ridoutt und einige Kollegen von der australischen Forschungsorganisation Csiro verfolgten den Weg von Mango-Früchten durch die gesamte Lebensmittel-Kette - vom Produzenten bis zum Konsumenten. Die Mango-Industrie unterhält Plantagen im Norden Australiens, in der Nähe von Darwin und nördlich von Brisbane ...
    "Im Schnitt produziert die australische Mangoindustrie über 44.000 Tonnen Früchte im Jahr. Wir haben festgestellt, dass davon rund 14.000 Tonnen verloren gehen. Das sind zwischen 30 und 40 Prozent. Es geht hier nicht um Schalen oder Kerne, sondern um den essbaren Fruchtanteil. Das sind enorme Mengen unnötigen Abfalls!"

    Nach der Studie des ausgebildeten Forstwissenschaftlers kommt es auf allen Stufen der Versorgungskette zu Verlusten. Die Früchte verderben bei Lagerung und Transport. Im Supermarkt werden sie verschmäht, wenn sie nicht perfekt aussehen. Und am Ende landen viele Mangos im Hausmüll: Verbraucher kaufen die Früchte zwar, essen sie am Ende aber doch nicht.
    Australische Mangos sind dabei nur ein beliebiges Beispiel. In anderen Industriestaaten ist die Situation sicherlich nicht anders. Der schwedische Geograf Jan Lundqvist, bis vor kurzem Professor für Wasser- und Umweltstudien an der Universität Linköpping:
    "Nur sehr wenige Menschen sind sich darüber im Klaren, wie viel tatsächlich weggeschmissen wird. Die bisher detaillierteste Studie dazu ist in Großbritannien erstellt worden. Dort hat man 2000 Haushalte eingehend befragt. Heraus kam, dass sie im Schnitt 30 Prozent der eingekauften Lebensmittel wegwerfen. Wobei 60 Prozent davon noch völlig in Ordnung und ohne Weiteres essbar sind."

    Das Thema kommt nicht ohne Grund jetzt in Stockholm zur Sprache. Denn für die Erzeugung von Lebensmitteln werden weltweit große Mengen Wasser verbraucht. Oder eben sinnlos verschwendet, wenn Früchte, Gemüse oder andere Nahrungsmittel am Ende gar nicht auf dem Teller landen. Bradley Ridoutt präsentiert seine Bilanz für die australischen Mangos:

    "Insgesamt werden für nicht gegessene Mangos jedes Jahr 26 Milliarden Liter Regen- und Bodenwasser verschwendet. Und noch einmal über 16 Milliarden Liter für die zusätzliche Bewässerung der Plantagen."

    Die globale Lebensmittelproduktion wird sich bis Mitte des Jahrhunderts verdoppeln müssen. Um Schritt zu halten mit dem Anstieg der Weltbevölkerung und zunehmend höheren Lebensstandards. Das sagt die FAO, die Lebensmittel- und Agrarorganisation der Vereinten Nationen. Wissenschaftler wie Bradley Ridoutt fragen dagegen: Welchen Sinn macht das, wenn auf der anderen Seite so viele Nahrungsmittel auf dem Müll landen? Und woher soll überhaupt das ganze Wasser kommen, um die Produktion so stark zu steigern?
    "Schwedische Forscher haben abgeschätzt, wie viel Wasser man bräuchte, um die Nahrungsmittel-Produktion zu verdoppeln. Sie kommen auf 5000 bis 6000 Kubikkilometer pro Jahr. Es ist ganz klar: So viel Wasser haben wir nicht! Wir müssen also über andere Strategien nachdenken. Und dazugehört die Verringerung von Lebensmittel-Abfällen."
    In den reichen Ländern geht es darum, das Bewusstsein der Verbraucher zu schärfen. Sie gehen sorglos mit Lebensmitteln um, auch wenn diese aus Weltregionen stammen, in denen das Wasser knapp ist. Darauf macht die britische Regierung neuerdings aufmerksam. Sie hat eine entsprechende Öffentlichkeitskampagne gestartet. In armen Ländern ist die Situation eine andere. Dort gehen Nahrungsmittel gerade in Jahren mit viel Niederschlag und reichen Ernten verloren. Weil die Bauern oft keine Möglichkeit haben, ihre Feldfrüchte lange zu lagern. Und weil es an den nötigen Transport- und Vermarktungsstrukturen fehlt. Nach Überzeugung von Forschern wie Bradley Ridoutt und Jan Lundqvist wird es in Zukunft zwingend sein, dies zu ändern.