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Ausgeschlossen

Mit 240 Millionen Euro fördert der Bund jährlich den Spitzensport. Die Verteilung der Gelder ist durchaus von öffentlichen Interesse. Doch aus Verärgerung über kritische Medienberichte aus den bislang öffentlichen Sitzungen tagt der Sportausschuss künftig hinter verschlossenen Türen.

Von Grit Hartmann | 10.11.2011
    Es behaupte keiner, die schwarz-gelben Koalitionäre hätten gar kein Interesse an Publikum: Zum Auftakt der Sitzung nämlich, zur Verleihung von Sportabzeichen an Abgeordnete und Mitarbeiter, wollte die Sportfamilie doch nicht unter sich bleiben. Die Sitzung ist also zunächst öffentlich. Klaus Riegert, der Sportsprecher der Union, etwa bekam das Sportabzeichen in Gold, zum sechsten Mal. Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, heftete es ihm an. Dann schlossen sich die Türen wieder und selbst Bach wurde hinauskomplimentiert. Er nahm das gelassen, kein kritisches Wort von ihm zum Ausschluss der Öffentlichkeit.

    "Wir erwarten eben auch, dass wir im DOSB unsere Abläufe und Entscheidungen regeln. Das ist gegenseitiger Respekt, und deswegen werden wir uns dazu nicht in der Sache weiter äußern."

    Kein Nachteil für seinen Olympischen Sportbund, wenn über Sportpolitik nur noch geheim verhandelt wird?

    "Das glaub ich nicht, weil ich davon ausgehe, dass so wie heute auch bei Themen, bei denen der DOSB gefordert ist, wir auch eingeladen werden. Und wir werden, wie in der Vergangenheit auch, den Einladungen gerne Folge leisten."

    Mit rund 240 Millionen Euro jährlich alimentiert der Bund den Spitzensport. Dass die politische Debatte zur Verteilung öffentlicher Gelder von öffentlichem Interesse ist – diese Überlegung ist Bach eher fremd. In seinen Kreisen sind Sitzungen hinter verschlossener Tür nichts Ungewöhnliches. - Peter Danckert leitete den Sportausschuss in der letzten Legislaturperiode. Der SPD-Politiker, heute im Haushaltsausschuss, öffnete die Sitzungen 2005 für Bürger und Medien. Sein Motiv: der Kampf gegen die Hinterzimmerpolitik im Sport.

    "Deshalb haben wir, habe ich ganz bewusst darauf gedrängt, dass solche Dinge, die von anderen Beteiligten am liebsten in geschlossenen Kreisen behandelt werden, dass die öffentlich diskutiert werden, dass man die Relevanz erkennt. Das birgt natürlich auch Konflikte. Natürlich hat auch Thomas Bach das nicht immer gefallen, wenn wir etwas behandelt haben, was ihn oder seine Rolle im DOSB oder im IOC betraf, aber am Ende haben wir auch dort uns bemüht, fair zu sein. Gut, wenn man Betroffener ist, sieht man das vielleicht immer ein bisschen anders, aber das müssen wir in unserer heutigen Gesellschaft ertragen."

    Unter Danckert war der Ausschuss oft auf der Höhe der Zeit. Vor der Fußball-WM 2006 etwa verärgerte er den DFB, als er die Sicherheit in den Stadien auf die Agenda setzte. Dergleichen vermissen Beobachter heute. Danckert auch? Er zögert, schließlich sitzt dem Ausschuss Dagmar Freitag vor, wie Danckert in der SPD. Dann sagt er doch:

    "Die Entwicklung seit 2009 macht mich im Stillen betroffen. Ich habe auch bisher davon abgesehen, das von mir aus zum Thema zu machen, weil ich denke, die Kollegen müssen das selber entscheiden, was sie da machen. Und vielleicht versuchen sie es ja auch, und es gelingt nicht. Wenn man Kritik übt an einzelnen Abgeordneten oder einzelnen Handlungen des Sportausschusses und das am nächsten Tag zum Anlass nimmt zu sagen, denen werden wir das jetzt mal zeigen, die schicken wir vor die Tür – ja, was ist denn das für ein Demokratieverständnis?"

    Von der schwarz-gelben Koalition geht nur ein Sportpolitiker ein wenig auf Distanz: das stellvertretende Ausschussmitglied Reinhard Grindel (CDU). Ins Mikrofon will er nicht sprechen, sagt aber doch zwei Sätze: Einerseits könne er seiner Partei "nicht in den Rücken fallen". Anderseits halte er das Abschotten für nicht richtig.

    Joachim Günther, sportpolitischer Sprecher der FDP, dagegen will erst mal Neues zum umstrittenen Ausschusstrip nach Chile und Brasilien loswerden. Diese einwöchige Exkursion des Sportausschusses kam als "Lustreise" ins Gerede. Seit vielen Jahren, sagt Günther, liege eine Einladung des chilenischen Parlaments vor. Im ursprünglichen Reiseplan allerdings war das Treffen mit chilenischen Kollegen nicht mal erwähnt.

    "Das kann ich Ihnen nicht beantworten, diese Frage, warum das nicht drinstand. Man soll immer über Dinge sprechen, wenn sie fertig vorliegen. Es kann sich trotzdem an der einen oder anderen Stelle wieder mal was ändern. Die Welt ist sehr schnelllebig. Damit muss man zurechtkommen."

    Mit öffentlichen Sitzungen kam Günther, zu DDR-Zeiten Funktionär der Ost-Liberalen, sowieso nie sonderlich gut zurecht. Er befürwortet die abgeschottete politische Kommunikation vehement. Sein CDU-Kombattant Klaus Riegert formulierte gestern hinter verschlossener Tür sogar, Öffentlichkeit gefährde die parlamentarische Demokratie. Sieht das Günther auch so?

    "Sehe ich nicht so, ich weiß auch nicht, wie ihm das vielleicht herausgerutscht ist. Wir haben bloß eine Frage gestellt, weil natürlich kam: Der Sport muss öffentlich und transparent sein. Darauf ging die Frage auch an den DOSB und an das NOK, ob denn ihre Spitzengremien auch öffentlich tagen. Es tagt niemand öffentlich, es wird erst einmal in den Gremien getagt. Und wenn die Gremien entschieden haben, dann kann die Öffentlichkeit immer unterrichtet werden."

    Ist es eine Petitesse, wenn dem Sportpolitiker Günther entgangen ist, dass ein NOK, ein Nationales Olympisches Komitee, seit gut fünf Jahren nicht mehr existiert? Und was soll man davon halten, wenn Bundestagsabgeordneten die geschlossene Gesellschaft des organisierten Sports neuerdings als Vorbild taugt? Es ist wohl keine allzu kühne Spekulation, dass dies der Demokratie abträglicher sein könnte als der eine oder andere kritische Medienbericht.