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Ausgezeichnetes Abitur und doch kein Studienplatz

Eltern klagen, weil Super-Abiturienten durch die neuen Hochschul-Aufnahmetests des italienischen Bildungsministerium fallen und damit keinen Studienplatz ergattern. Die Test wurden eingerichtet, um dem Andrang der Studierenden Herr zu werden.

Von Thomas Migge | 22.09.2010
    "Ja, ich bin ein wenig nervös aber auch ziemlich kaputt, denn nach den Abiturprüfungen musste ich ja gleich ran und für diesen Test lernen. Hier wollen viele studieren, aber es gibt nur wenig Studienplätze. Es ist mein Traum hier zu studieren."
    Claudia del Monte will Tiermedizinerin werden seit sie acht Jahre alt ist. Ein Ziel, dass sie während ihrer Zeit auf dem Gymnasium immer vor Augen hatte. Ihr Abitur: "110 con lode", wie man in Italien sagt, also beste Noten mit Auszeichnung der Schulleitung. Beste Voraussetzungen also, um den Zugang zu einem besonders begehrten Studienplatz zu erhalten: wie zum Beispiel Medizin und Jura. Doch dummerweise wollen seit Jahren immer mehr Schulabgänger Ärzte und Juristen werden. Im Vergleich zum vergangenen Jahr sind es 30 Prozent mehr junge Leute allein für das Medizinstudium. Die Folge: überfüllte Hörsälen, überforderte Hochschulverwaltungen und in Zukunft eine Ärzte und Juristenschwemme.

    Claudia ließ sich von dieser Realität nicht einschüchtern. Vor dem Zulassungstest zur tiermedizinischen Fakultät der Universität Parma, die als eine der besten Italiens gilt, hatte sie keine Angst - in ihrer Schule war sie eine der Besten überhaupt. Doch jetzt hat sie erfahren, dass sie bei dem Zulassungstest durchfiel. Das bedeutet, dass Claudia in diesem Jahr weder in Parma noch anderswo Tiermedizin studieren kann, denn die nächsten Aufnahmetests finden erst in einem Jahr statt.

    "Man muss den Dingen realistisch die Augen schauen. Was bleibt mir anderes übrig, denn ich will ja das Studienjahr nicht verlieren. Also werde ich mich in eine Fakultät einschreiben, die keine Zulassungstests erfordert, also etwas studieren, was ich eigentlich gar nicht wollte."
    Dann kann die 18-Jährige nicht mehr weiter sprechen und beginnt zu weinen. Ähnlich wie Claudia geht es vielen Schulabgängern in diesen Tagen. Die Ergebnisse der neuen Aufnahmetests in bestimmte Fakultäten werden jetzt, Tag für Tag, bekannt gegeben. Das große Zittern findet damit ein Ende, aber der Protest gegen diese Tests wird immer lauter.

    Carlo Roscioni's Sohn Matteo fiel ebenfalls durch. An der juristischen Fakultät in Rom. Auch Matteo ist ein Einser-Schulabgänger. Carlo ist ärgerlich:
    "Er hat sich den ganzen Sommer über auf diese Tests vorbereitet. Was uns so stört und weshalb meine Frau und ich uns mit anderen Eltern zusammengetan haben, um im Bildungsministerium zu protestieren, ist der Umstand, dass bei dieser Aufnahmeprüfung das Abiturresultat nichts zählt. Diese Noten werden überhaupt nicht in Erwägung gezogen! Da muss man doch wohl andere Auswahlverfahren einsetzen!"
    Bildungsministerin Maria Stella Gelmini entschied sich mit den heftig umstrittenen Tests der Flut von immer mehr Studierenden in bestimmten Fakultäten Herr zu werden. Doch anscheinend, klagen Eltern und ihre Kinder, ohne richtig nachgedacht zu haben. Wie Carlo Roscioni finden sie unmöglich, dass die Schulnoten in keiner Weise bei der Frage zur Uni-Zulassung ins Gewicht fallen. Außerdem kritisieren die Eltern und angehenden Studierenden, dass sie teure Vorbereitungsbücher für diese Tests kaufen müssen.

    Carlotta Tiziani fiel zwar nicht durch und darf nun in Rom Jura studieren, dennoch hat sich aber trotzdem dem Protest gegen die neuen Zulassungstests angeschlossen:

    "Das wurde doch alles vom Bildungsministerium in großer Eile organisiert, ohne an die Folgen zu denken. Massenweise müssen sich jetzt junge Leute nach einer neuen zulassungsfreien Fakultät umsehen, die sich eigentlich gar nicht interessiert. Das geht uns allen doch recht nah, denn es betrifft ja unsere Zukunft."
    Protestiert wird gegen die neuen Test im Bildungsministerium und beim Staatspräsidenten - mit Appell von Tausenden von Eltern und Schulabgängern und Unterschriftensammlungen zur Abschaffung dieser Prüfungen, wenn nicht auch Abiturnoten mitberücksichtigt werden. Gefordert wird, dass neue Tests - und zwar so schnell wie möglich - durchgeführt werden, damit die jetzt durchgefallenen Bestnotenschulabgänger doch noch eine Chance bekommen.