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Ausgründungen an Hochschulen
Hotspot Berlin

Berlin ist beliebt, auch für Neugründung von Unternehmen. In der Hauptstadt starten zahlreiche Absolventen direkt aus der Hochschule heraus ihr eigenes Start-up-Unternehmen - gefördert mit Geldern des Bundeswirtschaftsministeriums.

Von Philip Banse | 19.12.2016
    Blick auf einen Arbeitsplatz in der Factory Berlin.
    In Berlin haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Unternehmen angesiedelt, die sich aus den Hochschulen heraus gegründet haben (dpa/ picture alliance/ Jörg Carstensen)
    "Mein Name ist Daniel Kania, Mitgründer von Greenlab Berlin, einem Produzenten von Biodünger, der aus Abfällen gemacht wird."
    Daniel Kania hält ein Glas mit seinem Biodünger hoch: kleine braune Krümel, hergestellt aus Resten der Zuckerrübenverarbeitung und der Schale von Kakaobohnen:
    "Genau. Aus einem Abfallstoff, der normalerweise verbrannt wird. Daraus machen wir unseren Dünger, der riecht dann auch leicht nach Schokolade, können sie gern mal eine Nase nehmen."
    Philip Banse: "Sehr angenehm."
    Der Biodünger mit Schokoduft ist Ergebnis einer Doktorarbeit von zwei Agrar-Ingenieurinnen. Daniel Kania traf die beiden auf einem Vernetzungstreffen der TU Berlin und als Wirtschaftsingenieur passte er gut zum Team. Die Unternehmensgründer bewarben sich für das EXIST-Stipendium vom Bundeswirtschaftsministerium: Ein Jahr Gehalt für alle, Geld für Investitionen und Schulungen.
    "Das war super ja, wir hätten das Projekt auf jeden Fall sonst nicht umsetzen können. Das war total toll. Man wird ein Jahr unterstützt. Man hat die Uni im Background, man hat die Möglichkeit Coachings zu machen; man hat Beratungen im Bereich auch intellectual property. Das war super. Ohne das würde es die Produkte nicht geben."
    Populäre Geldquelle für Ausgründungen aus Berliner Hochschulen
    So ist das EXIST-Stipendium auch die mit Abstand populärste Geldquelle für Ausgründungen aus Berliner Hochschulen: 42 Prozent der Gründer nutzen dieses Stipendium. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage im Auftrag der Hochschulen. Befragt wurden 650 Unternehmen, die sich aus den Hochschulen heraus gegründet haben. Fast die Hälfte dieser Unternehmen ist in den letzten fünf Jahren gründet worden. Diesen Boom erklärt der Präsident der TU Berlin, Christian Thomsen, so:
    "Aus meiner Sicht ist vor allem das diverse Klima in Berlin wichtig, das heißt, die Human Ressources, die Menschen, die bereit sind, sich auf ein Abenteuer einzulassen, die ist hier in Berlin besonders hoch."
    Dazu mag auch beitragen, dass es in Berlin keine Industriegiganten gibt, die mit hohen Gehältern locken. Auch das mag ein Grund dafür sein, weshalb Berlin bundesweit in Sachen Ausgründungen laut Stifterverband zur Spitzengruppe gehört – weit etwa vor Baden-Württemberg.
    Und wenn man das noch mit anderen Zahlen unterlegt, wird deutlich, dass wir über einen bedeutenden wirtschafts- und wissenschaftspolitischen Bereich für Berlin reden."
    Sagt Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller:
    "In diesen 650 befragten Unternehmen sind 22.000 Menschen beschäftigt inzwischen und die erwirtschaften gemeinsam einen Umsatz von drei Milliarden Euro. Das sind wirklich beeindruckende Zahlen."
    Die Hochschulen in Berlin und Potsdam loben besonders, dass sie Gründungen in ihr Wesen aufgenommen, in ihr Curriculum eingebaut hätten. Netzwerke, Beratung, Förderung – all das sei in den letzten Jahren besser geworden. Die von den Hochschulen präsentierten Firmen bestätigen das:
    "Hallo, mein Name ist Karsten Görsdorf, ich bin Geschäftsführer vom Institut für Spielanalyse."
    Kontakte zur Industrie müssen verbessert werden
    Karsten Görsdorf hat in Augsburg Sportwissenschaft studiert und mit zwei Kollegen eine Firma gegründet, die etwa Fußballspiele auswertet, Datenbanken erstellt und das Wissen an Vereine und Medien verkauft. Die Geschäftsidee entstand zwar in Augsburg, wo Görsdorf studierte, warum aber kam er dann zur Gründung nach Potsdam vor den Toren Berlins?
    "In Augsburg gab es keinen Ansprechpartner für EXIST. Wir hatten das Programm identifiziert und dann sagten die uns, in Augsburg gibt es keinen Ansprechpartner und dann haben wir landesweit gesucht und Potsdam hatte den besten Ruf, also sind wir nach Potsdam gegangen. Die haben uns da systematisch geholfen – sowohl bei der Antragsstellung, als auch im Prozess. Das war für uns ein Gedicht. Doof für Augsburg."
    Doch die Berliner Hochschulen lesen aus der von ihnen beauftragten Umfrage auch Nachholbedarf heraus: Die Kontakte zur Industrie müssten besser werden, außerdem würden zu wenige Frauen aus der Hochschule heraus ein Unternehmen gründen. Greenlab, die Firma mit dem Dünger aus Kakaoschalen, wurde von zwei Agraringenieurinnen gegründet – doch sie sind nicht mehr dabei, hatten Kinder, wollten mehr Sicherheit:
    "Operativ sind sie leider ausgeschieden, um in der freien Wirtschaft noch etwas mehr Geld zu verdienen."