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Auslaufmodell Businessmode
Warum man Kompetenz nicht anziehen kann

Businesslook als Zeichen von Seriosität und Fachkenntnis? Das war einmal. Chefs lösen ihre Krawatten und Bankangestellte sollen sie ganz ablegen - für mehr Kundennähe. Kompetenz vermittelt sich heute nicht durch einen schlecht sitzenden Anzug, sondern durch Wissen und Empathie.

Von Gesine Kühne | 14.12.2017
    Eine Frau im Businesskostüm
    Noch prägen Hosenanzüge die Damenmode in der Geschäftswelt - das könnte sich aber ändern (Picture Alliance / Patrick Pleul)
    "Und warum haben Sie sich heute so angezogen?"
    Diese Worte klingen nach 15 Jahren immer noch in meinen Ohren. Sie kamen von der RTL-Moderatorin Frauke Ludowig. Sie, diverse Fernsehkollegen und Zeitungsschreiber interviewten junge Menschen, die Journalisten werden wollten. Alle Blicke fielen auf mich, denn ich trug weder Anzug, wie der junge Mitbewerber zur Rechten, noch Kostüm, wie die Mitbewerberin zur Linken. Sondern Jeans, ein schönes Longsleeve in blau, ein wenig Schmuck dazu. Warum ich weder Rock noch Bluse getragen habe? Weil ich mich nicht verkleiden wollte.
    Kleidung als Statussymbol
    "Das optimale Business-Outfit setzt Sie in Szene, stiehlt Ihnen aber nicht die Schau."

    Ein YouTube-Businesslook-Workshop zeigt eine Frau in einem mausgrauen Anzug, der schlecht sitzt. Das rote Shirt darunter soll Farbe ins Spiel bringen, das Starre auflockern - das macht den verschnittenen Blazer aber nicht besser. Und schon sind wir mitten im Businesslook-Dilemma: Wie kann eine - oft schlecht sitzende - Uniform, der Businesslook ist letztlich eine Uniform, Kompetenz vermitteln? Jeder, wirklich jeder kann sich einen Anzug von der Stange kaufen. Wissen und Fachkenntnisse gibt es aber nicht dazu. Doch um Kompetenzpräsentation ginge es bei der Kleiderwahl gar nicht unbedingt, erzählt Dr. Vera Christopeit, die lange als Anwältin gearbeitet hat.
    "Diese Kleidung, wenn sie eine bestimmte Werthaftigkeit hat, hat auch mit Sicherheit etwas Statussymbolhaftes. Die Kleidung ist teilweise extrem teuer, dann gibt es noch Montblanc-Kulis und die passende Uhr dazu."
    In der Anwaltschaft, der konservativen, repräsentiert dieser Look also Zugehörigkeit. Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, Abgrenzung von einer anderen. Eine Intention, die in der Mode schon immer eine Rolle spielte. Das sieht man besonders gut bei Musikfans, die einem bestimmten Code folgen, um den Anderen zu vermitteln: Hier - das höre ich, also bin ich das.
    Krawattenverbot in der Bank
    "Ich finde, da verstellt man sich. Du willst ja die Person kennenlernen, nicht so ein Standardmodell. Man erkennt den Charakter einer Person am Kleidungsstil. In Businessmode sind alle gleich."
    Sarah Pinger, Fotomodel, die ihre vielen Tattoos unter keinem Hemd mehr verstecken könnte, selbst wenn sie es wollte. Die 25-Jährige bezieht sich auf Bewerbungsgespräche, für die sie sich nie verkleiden würde. Natürlich könnte man hier anmerken, dass eine langweilige Businessuniform das gegenüber nicht vom Können der Kandidatin ablenkt, aber das Wesentliche im Job ist doch viel mehr als nur Fachwissen. Da wäre noch Teamfähigkeit, Empathie, gute Ideen, die kein Lehrbuch vermittelt. In manchen Sparkassen und Banken unseres Landes gilt deshalb auch Krawattenverbot, denn der Bankangestellte soll kundennah sein, zugeknöpft geht das nicht. Auch in der Anwaltschaft sei der starre Businesslook überholt, sagt Dr. Vera Christopeit.
    "Rechtsstreits werden nicht mit Kleidung gewonnen."
    Dass wir endlich so weit sind, diese Kleidernorm langsam über Bord zu werfen, haben wir letztlich erfolgreichen Start-Ups wie Facebook zu verdanken. Diese zeigen uns, dass Unternehmen auch im Kapuzenpullover geführt werden können.
    Übrigens, ich wurde damals nicht an der Journalistenschule genommen - ob es an meiner Kleidung lag? Das ist heute egal, denn ich denke diese Gedanken in Jogginghose.