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Auslese kompakt
Klein, rosa, genmanipuliert

Vieles, was Martin Suter in seinen Roman "Elefant" beschreibt, mag unwahrscheinlich klingen, unmöglich ist es nicht. Der Autor thematisiert in seinem aktuellen Bestseller die neue "Wunderwaffe" der Gentechnik, CRISPR/Cas. Die DLF-Forschungsredaktion hat den Faktencheck gemacht.

Von Michael Lange | 07.02.2017
    Martin SUTER, Schriftsteller, am 11.10.2012, Frankfurter Buchmesse
    In seinem neuen Roman erzählt Martin Suter von einem Tier, das es noch nicht gibt, aber als Produkt der Gentechnik geben könnte. (imago/Sven Simon)
    Für seinen neuen Roman "Elefant" hat sich der Schweizer Bestseller-Autor Martin Suter etwas Besonderes einfallen lassen. Ein Tier, das es noch nicht gibt, aber als Produkt der Gentechnik geben könnte.
    "Ein Elefäntchen, rosarot wie ein Marzipanschweinchen, aber intensiver. Und es leuchtete wie ein rosarotes Glühwürmchen."
    Ein Sympathieträger von Geburt an – unglaublich süß. Wissenschaftlich steckt dahinter mikrozephaler, osteodysplastischer, primordialer Zwergwuchs mit einem Luciferase-Gen, das zu Bioluminiszenz führt. Einfacher gesagt: Das Tier ist kleinwüchsig und hat Leucht-Gene. Gezeugt wurde es im Labor.
    Sauber recherchiert
    "Sie näherte sich der Eizelle und traf sie genau in der Mitte. Die Zellwand leistete etwas Widerstand, es entstand eine kleine Delle, sie gab leicht nach und die Pipette drang ein. Noch immer hielten beide die Luft an. Vorsichtig löste Vera die Injektion aus."
    Martin Suter hat sauber recherchiert. Vieles, was er beschreibt, mag unwahrscheinlich klingen und auch sein, unmöglich ist es nicht. Denn die Technik, die dahintersteht, ist real, auch wenn sie der Roman nur oberflächlich als eine Art gentechnischen Alleskönner darstellt.
    Gut und Böse sind klar verteilt
    "Das System nannte sich CRISPR/Cas und erlaubte es, Gene gezielt zu zerstören, zu reparieren oder zu verändern. Man konnte damit Keimzellen gezielt modifizieren. Und Veränderungen am Erbgut eines Lebewesens betrafen nicht nur dieses, sondern alles seine Nachfahren."
    Martin Suter arbeitet mit einfachen Bildern. Gut und Böse sind klar verteilt. Ein Tierpfleger, ein Obdachloser und eine Tierärztin sind die Guten. Im Labor wirkt das Böse. Der Gentechniker Roux ist rachsüchtig, geldgierig, egoistisch und auch noch jähzornig. Als der Tierpfleger behauptet, die angebliche Totgeburt "entsorgt" zu haben, um den Zwergelefanten zu schützen, rastet Roux aus.
    "Das nützt mir nichts deine Entschuldigung! Die kann ich mir nicht unters Mikroskop legen! Die kann ich nicht chemisch analysieren! Nicht einmal den Arsch wischen kann ich mir mit dieser Entschuldigung!"
    Kein Tatsachenbericht
    Wissenschaftler sind klischeehafte Darstellungen in Filmen und Romanen zwar gewöhnt, dürften sich bei der Lektüre aber dennoch an mancher Stelle wundern: Wenn der Gentechniker angeblich nur die Zellen des Elefanten braucht, warum nimmt er nicht den Elefantendung, den er überall findet? Darin wimmelt es nur so von Zellen aus dem Darm des Elefanten. Und wenn es ihm wirklich ums Geld geht, warum züchtet er dann rosarote Elefanten als Spielzeug für reiche Kinder? Schon die geklonten Haustiere waren doch alle finanzielle Flops. Diese kleinen Ungereimtheiten stören aber nicht weiter. "Elefant" ist eben kein Tatsachenbericht aus der Wissenschaft, sondern ein modernes Märchen und als solches lesenswert.
    Zielgruppe: Für alle, die kleine, rosarote Elefanten mögen. Und wer mag die nicht?
    Erkenntnisgewinn: Die Technik macht den Elefanten. Crispr/Cas sollte nicht in die falschen Hände gelangen.
    Spaßfaktor: Martin Suter schreibt spannend, amüsant, einfach, aber nicht banal. Lesevergnügen mit einer Prise Wissenschaft.
    Martin Suter: "Elefant"
    Diogenes, Zürich 2017, 352 Seiten, 24,00 Euro