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Ausnahmezustand in Frankreich
Nationalversammlung für Verfassungsänderung

In Frankreich soll der Ausnahmezustand künftig in der Verfassung festgeschrieben werden. Die Nationalversammlung hat den Plänen der französischen Regierung zugestimmt. Die Änderung ist eine Reaktion auf die Terroranschläge von Paris. Ein anderer Teil der Verfassungsänderung bleibt heftig umstritten.

09.02.2016
    Die französische Nationalversammlung debattiert am 5. Februar 2016 Verfassungsänderungen nach den Anschlägen von Paris.
    Die französische Nationalversammlung hat zugestimmt, den Ausnahmezustand in der Verfassung zu verankern. (afp / Lionel Bonaventure)
    Bisher ist der Ausnahmezustand in Frankreich nur in einem Gesetz geregelt. Präsident François Hollande und seine Sozialisten wollen ihn jetzt aber in der Verfassung verankern, um ihn auf eine stabilere gesetzliche Grundlage zu stellen. Dieses Vorhaben ist unter den Parlamentariern wenig umstritten. Bei der Abstimmung darüber in der Nationalversammlung stimmten 103 Abgeordnete für, 26 gegen die Pläne.
    Der Ausnahmezustand darf nach der aktuellen Regelung zunächst nur für 12 Tage verhängt werden. Über eine Verlängerung muss das Parlament entscheiden. Das soll auch künftig so bleiben. Aktuell gilt der Ausnahmezustand, auch Notstand genannt, noch bis Ende Februar in Frankreich. Präsident François Hollande hatte ihn nach den Terroranschlägen von Paris am 13. November ausgerufen. Bei den Angriffen waren 130 Menschen getötet worden. Auch über Ende Februar hinaus soll der Ausnahmezustand, der Polizei und Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse einräumt, verlängert werden. Darüber wird das französische Parlament in der nächsten Woche abstimmen.
    Der Ausnahmezustand in Frankreich

    Der Ausnahmezustand räumt den Behörden umfassende Befugnisse ein, darunter nächtliche Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, Versammlungsverbote sowie Hausarrest für mutmaßliche Gefährder.
    Seitdem der Ausnahmezustand in Frankreich ausgerufen wurde, gab es nach Angaben von Premierminister Manuel Valls insgesamt 3289 Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung. 341 Menschen seien in Gewahrsam genommen, 571 Verfahren eröffnet worden. Für 407 Betroffene wurde demnach Hausarrest ausgesprochen. Laut Valls wurden zudem radikal beeinflusste Moscheen und Gebetsräume geschlossen.
    Menschen- und Bürgerrechtler kritisieren die Maßnahmen als ineffektiv und überzogen und fordern, den Ausnahmezustand nicht zu verlängern.
    Umstritten ist dagegen ein weiterer Teil der Verfassungsänderung: Wer wegen terroristischer Taten verurteilt wurde und eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, soll künftig seinen französischen Pass verlieren können. Beim linken Flügel der regierenden Sozialisten löste das Kritik aus, weil es aus ihrer Sicht zu einer Stigmatisierung der doppelten Staatsbürgerschaft und einer Aufspaltung der Franzosen führe. Ende Januar war deswegen Justizministerin Christiane Taubira zurückgetreten. "Ich bleibe uns treu", schrieb sie auf Twitter.
    Die Beratungen in der Nationalversammlung zu diesem Punkt werden voraussichtlich noch bis Mittwoch andauern.
    Danach gehen die Entwürfe zur Diskussion in den Senat. Erst wenn sich beide Häuser auf einen gemeinsamen Text geeinigt haben, kommt er zur Abstimmung. Um die Verfassungsänderungen durchzusetzen, ist bei einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Nationalversammlung eine Drei-Fünftel-Mehrheit notwendig.
    (pr/jasi)