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"Ausschließeritis ist was von gestern"

Bei der Debatte um die Spitzenkandidatur müssten die Grünen es schaffen, ein breites Milieu abzudecken und die jüngeren Generationen anzusprechen, sagt Dieter Janecek, Vorsitzender der Grünen in Bayern. Er hatte Katrin Göring-Eckhardt, Vize-Vorsitzende des Bundestages, anstelle von Claudia Roth als Spitzenkandidatin ins Gespräch gebracht.

Dieter Janecek im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 14.08.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Bundestagswahl 2013 ist ja noch einige Zeit hin, aber die Oppositionsparteien sind bereits dabei, sich darauf einzustellen. Bei der SPD haben sich jetzt die Befürworter von Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück zu Wort gemeldet, und auch die Bündnisgrünen beschäftigen sich immer intensiver mit der Frage: Welches Spitzenduo soll die Partei in die Wahlen führen? Parteichefin Claudia Roth war vor Monaten ja die Erste, die ihren Hut in den Ring warf, jetzt hat Jürgen Trittin per "Spiegel"-Interview nachgezogen. Teilen der Partei kann das nicht gefallen, denn beide, Roth wie Trittin, werden dem linken Flügel zugerechnet. Die sogenannten Realos, die sagen aber: Wir müssen auch Wähler ansprechen, die nicht zu klassischen Grünen-Wählern zählen – und sie haben Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt ins Spiel gebracht. Am Telefon dazu begrüße ich Dieter Janecek, er ist Vorsitzender der Bündnisgrünen in Bayern. Schönen guten Morgen!

    Dieter Janecek: Guten Morgen, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Janecek, Jürgen Trittin und Claudia Roth, die haben als erste ihre Kandidatur angekündigt. Läuft das bei den Grünen also nach dem Prinzip "Reise nach Jerusalem" – wenn alle Plätze besetzt sind, hat Göring-Eckardt Pech gehabt?

    Janecek: Ja, ich bin nicht besonders glücklich über den Gesamtverlauf der Debatte. Man hat sich da sehr schnell dann verengt auf eine Konstellation, zwei Personen müssen das sein, dann muss man sich da in den Ring schmeißen – mir hätte es besser gefallen, wenn man mal geschaut hätte: Was wollen wir als Grüne eigentlich schaffen für 2013? Das eine ist natürlich, erfahrene Personen vorne zu haben, das Zweite ist aber auch, ein bisschen zu zeigen: Wir haben uns auch erneuert, und wir sprechen natürlich Wählerschichten an, die breit sind. Wenn man nach Baden-Württemberg schaut, Kretschmann, dann ist das ein anderes Klientel, als wenn Sie jetzt nach Berlin-Mitte schauen. Und das sollte man auch darstellen, auch bei den Grünen in Deutschland.

    Heckmann: Aber ich verstehe Sie richtig: Jürgen Trittin und Claudia Roth sind jetzt mehr oder weniger gesetzt?

    Janecek: Das hängt davon ab, wie jetzt bis zum 2. September, so ist das Verfahren, sich noch Kandidatinnen oder Kandidaten äußern. Natürlich ist Jürgen Trittin jemand, wo man mit rechnet, der macht das, der kann das auch, der ist gut, der hat die harten Themen – Europakrise, Finanzpolitik. Bei den Frauen ist das noch nicht so ganz klar, noch gibt es ja keine offizielle Kandidatur, aber ich würde mir natürlich schon wünschen, dass wir da im Zweifelsfall auch Wettbewerb kriegen.

    Heckmann: Na ja, Claudia Roth hat ja gesagt, dass sie bereit ist, anzutreten. Sie hatten ja zusammen mit anderen Frau Göring-Eckardt ins Spiel gebracht, aber müsste sie sich nicht langsam auch selbst mal erklären, ob sie dazu bereit ist? Das wissen wir ja gar nicht.

    Janecek: Am Ende muss das natürlich so sein, ja. Sie hat ja auch in Interviews schon angedeutet, dass sie sich das vorstellen kann, sie möchte aber auch eine Lösung finden – so war zumindest ihr Ansatz –, die im Einvernehmen ist, weil so wirklich prickelnd ist ja die Vorstellung auch nicht, dass wir dann in eine Urabstimmung gehen, wer jetzt neben Jürgen Trittin sozusagen dann als Frau auch noch antritt, weil es ist auch ein Stück weit Selbstbeschäftigung. Am Ende, glaube ich, ist es schon auch eine Führungsaufgabe, zu sagen: Wer kann uns da in welcher Konstellation am besten in den Wahlkampf führen und nicht nur eine Frage von Formalia und wer kann jetzt […]

    Heckmann: Aber ein bisschen direkte Demokratie steht einer grünen Partei doch eigentlich nicht schlecht, oder?

    Janecek: Das ist schon so, das haben wir in München ja gemacht, wir haben ja unseren Oberbürgermeisterkandidaten […] Urabstimmung benannt, aber man muss natürlich immer auch schauen, was will man und welche Alternativen hat man, und mutet man sich das dann an, dass man über Monate dann sozusagen nur Personaldebatten führt? Und wir hatten jetzt über Monate sehr stark Personaldebatten. Wird auch Zeit, dass wir wieder in Inhalt reinkommen.

    Heckmann: Gehen wir mal davon aus, Herr Janecek, dass Frau Göring-Eckardt sich dann doch noch bereit erklärt, zu kandidieren, dann käme es ja zu so einer Urwahl. Hätte sie denn aus Ihrer Sicht überhaupt Chancen gegen Claudia Roth, oder wäre sie nicht mehr als eine Zählkandidatin?

    Janecek: Ich glaube, da unterschätzt man die breite Parteibasis. Wir hatten ja in München wie gesagt eine Urabstimmung, da ist der Amtsinhaber, der Herr Monatzeder, dann deutlich unterlegen, weil eben auch ein Bedürfnis an der grünen Basis da ist, mal zu schauen: Gibt es Gesichter, die ein bisschen was anderes ausdrücken? Also da würde ich nicht sagen, dass ein Rennen schon gleich gegeben ist. Insofern: Ich wünsche es mir, ehrlich gesagt, nicht, ich wünsche mir, dass man eine Lösung findet, die gemeinsam trägt. Ich hatte auch von dieser Zweierlösung nicht die größte Überzeugung, aber jetzt ist es so, wie es ist. Wir werden in wenigen Wochen eine Entscheidung haben, das ist dann auch gut so.

    Heckmann: Aber Sie gehen jetzt auch davon aus, dass es eben so ein Zweiergespann geben wird? Sie hatten ja eben auch eine Dreierkonstellation ins Spiel gebracht, die würde allerdings dann doch ein bisschen unübersichtlich werden, hat man den Eindruck. Andere Parteien, die spitzen alles auf einen Kopf zu, allen voran die CDU beispielsweise.

    Janecek: Ja, aber die Grünen haben in der Vergangenheit schon öfter … auch mit mehreren Personen angetreten, insofern wäre das jetzt nichts Neues. Bei uns zählen ja auch stärker die Inhalte als die Personen, aber es zählt halt eben auch, dass wir es schaffen, die Breite unserer Milieus abzudecken und ebenso auch die jüngeren Generationen, und das halte ich für wichtig. Das haben wir in den Ländern oft geschafft jetzt, und das wäre auch mal wichtig, dass der Bund, unsere Führung hier da hinkommt, es auch sichtbar zu machen, dass wir auf verschiedenen Generationen, verschiedenen Ebenen stark sind und das auch zum Ausdruck bringen.

    Heckmann: Über Renate Künast spricht in diesem Zusammenhang niemand mehr nach ihrer erfolglosen Kandidatur in Berlin als regierende Bürgermeisterin. De facto ist sie also draußen aus dem Spiel?

    Janecek: Jeder kann sich bewerben, sie kann sich bewerben, sie ist auch eine starke Figur. Aber in den letzten Wochen ist es doch ein bisschen ruhig geworden, das habe ich auch wahrgenommen letztlich, aber entscheidet sich, glaube ich, jetzt einfach in den nächsten Tagen, wer sich wirklich auch das zutraut, so ein Rennen einzugehen oder nicht. Und natürlich wäre es schön, wenn wir auf allen – wenn es schon zu einer Urabstimmung kommt –, auf allen Ebenen, also Männer und Frauen, Alternativen hätten, wie gesagt. Deswegen bin ich momentan ein bisschen skeptisch, dass das das Instrument ist, das uns nach vorne bringt.

    Heckmann: Würden Sie ihr denn dazu raten, Renate Künast, zu kandidieren?

    Janecek: Ich würde mich da raushalten, da gebe ich keine Empfehlungen ab. Ich habe ja eine Präferenz für mich geäußert, was ich gut fände. Aber natürlich kann sie uns auch vertreten, sie ist auch eine starke Figur.

    Heckmann: Katrin Göring-Eckardt, Herr Janecek, wäre ja ein Signal Richtung konservative, Richtung christlich geprägte Wähler, womöglich auch Richtung Schwarz-Grün. Hat man aber mit einem solchen Signal nicht ausreichend schlechte Erfahrungen gemacht, zum Beispiel in Berlin? Da hat man Schwarz-Grün ja nicht ausgeschlossen, lange Zeit zumindest.

    Janecek: Ja, darum geht es uns ja nicht. Wir haben ja das Ziel, dass wir Rot-Grün bilden im nächsten Jahr, dass wir auch Schwarz-Gelb ablösen, das ist auch mit einer Spitzenkandidatin Göring-Eckardt nicht anders. Wir haben aber auch die Aufgabe, gerade im Süden von Deutschland, zu sehen, dass unsere Milieus eben auch zum Teil konservativ, progressiv geprägt sind, auch aus dem christlichen […] ansprechen, und da haben wir auch einiges zu bieten, gerade in Bayern, in Baden-Württemberg. Winfried Kretschmann, wie gesagt, ist ja jetzt auch niemand, der originär für nur ein linkes Spektrum gestanden wäre, in Anführungszeichen. Insofern tun wir gut daran, da unsere Breite auch zu erkennen.

    Heckmann: Sie selber haben gestern im "Münchner Merkur" gesagt, sie wollten eine Zusammenarbeit über die Parteigrenzen, Sie hätten keine Berührungsängste, Sie hätten also auch nichts dagegen, mit der CSU gemeinsame Sache zu machen in Bayern nach den Wahlen im September 2013.

    Janecek: Na ja, das haben wir auch klar festgelegt: Nach 52 Jahren ist hier mal Schluss mit der CSU, das wäre schon unser Ziel. Aber natürlich registrieren wir auch, das ist auch unser Ziel, dass es so auch in anderen Parteien frischere Kräfte gibt, die auch ein bisschen weg von dem alten Lagerdenken kommen. Das tut uns ganz gut in der Politik. Und auch im Bundestag wird ja über die Parteigrenzen zusammengearbeitet. Das will ich auch weiter befördern.

    Heckmann: Heißt, Sie schließen eine Zusammenarbeit jetzt in der Regierung aus mit der CSU, ja oder nein?

    Janecek: Wir schließen nichts aus. Wir haben allerdings ein klares Ziel, wir werden unseren Wählern sagen: Wenn es eine Mehrheit gibt jenseits der CSU in Bayern, dann werden wir die machen. Und das ist im Bund auch nicht anders. Aber Ausschließeritis, das ist aus meiner Sicht was von gestern.

    Heckmann: Und wenn Sie das Ziel verfehlen, dann würden Sie auch mit der CSU zusammen gehen?

    Janecek: Das wissen wir ja noch nicht, weil wir noch gar nicht wissen, wie die Ergebnisse sind. Aber natürlich würden wir mit jedem reden, mit dem wir unsere Ziele durchsetzen können. Allerdings muss ich sagen, kann ich mir das mit der CSU in Bayern – das ist noch mal was anderes als eine Großstadt-CDU, zum Beispiel in Hamburg – schon sehr schwer vorstellen.

    Heckmann: Wir werden es weiterverfolgen. Der Vorsitzende der Bündnisgrünen in Bayern war das, Dieter Janecek, hier live im Deutschlandfunk. Herr Janecek, danke Ihnen für das Gespräch!

    Janecek: Danke auch, schönen Morgen noch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.