Freitag, 29. März 2024

Archiv

Aussehen
Biologisches Alter ins Gesicht geschrieben

Man ist so alt, wie man aussieht. Dass in diesem Sprichwort offenbar eine Menge Wahrheit steckt, haben chinesische Wissenschaftler nun mit harten Fakten untermauert. Für ihre Untersuchung schickten die Forscher über 300 Personen in einen 3D-Scanner.

Von Michael Gessat | 02.04.2015
    Das Foto zeigt die untere Gesichtshälfte einer älteren Frau
    Es sind offenbar bestimmte Stellen im Gesicht und ihre räumliche Lage zueinander, die den anatomischen wie optischen Unterschied zwischen Jung und Alt ausmachen. (picture-alliance / dpa-ZB / Britta Pedersen)
    Dass Menschen ihr biologisches Alter tatsächlich im Gesicht geschrieben steht, ist zunächst einmal nur eine intuitive Vermutung. Um sie zu überprüfen, setzte Jing-Dong Han, Professorin am Institut für Rechnergestützte Biologie in Shanghai, 331 Chinesen im Alter zwischen 17 und 77, zur Hälfte Männer und Frauen, in einen 3D-Scanner.
    "Für eine grobe Altersabschätzung, etwa anhand der Gesichtsgröße, reichen einem Computer auch schon 2D-Abbildungen, also Fotos aus. Aber um die subtilen Veränderungen im Alterungsprozess zu identifizieren, brauchen wir die räumlichen Proportionen der Gesichts-Geometrie."
    Das Gesicht sackt ab
    Ein von Jing-Dong Han und ihren Kollegen erstelltes Computerprogramm analysierte die 3D-Daten und errechnete zunächst, welche räumlichen Proportionen jeweils besonders charakteristisch für die Testpersonen einer bestimmten Altersgruppe waren. Es sind offenbar bestimmte Stellen im Gesicht und ihre räumliche Lage zueinander, die den anatomischen wie optischen Unterschied zwischen Jung und Alt ausmachen. Die Auswertung der 3D-Daten bestätigte denn auch Erkenntnisse aus älteren Studien, bei denen man mit Fotos gearbeitet hatte – wichtige Parameter sind zum Beispiel der Abstand zwischen Nase und Mund oder der Winkel der Augen. Aber der Computer spürte eine Reihe weiterer Veränderungen der Gesichtsgeometrie auf, die offenbar signifikant für Alterungsprozesse sind.
    "Da ist zum Beispiel ein Absacken des gesamten Gesichts, eine Art Gravitationseffekt. Die Stirn wird schmaler, das untere Gesicht wird vergleichsweise breiter – das muss man wirklich in 3D messen."
    Der Ergebnis der Datenanalyse: Ein idealtypisches Modell, wie Gesichtsgeometrie und Alter zusammenhängen. Damit konnte das Programm nun aber auch jene Probanden identifizieren, die im Vergleich zu ihrem tatsächlichen Alter deutlich jünger oder deutlich älter aussahen. Wie gut der Algorithmus dabei abschnitt, überprüfte Jing-Dong Han anschließend klassisch – mit einer Blutuntersuchung ihrer Probanden:
    "Wir haben vier, fünf Blutwerte identifiziert, die eine besonders starke Korrelation zum Alter hatten. Auch bei der Blutuntersuchung fielen Personen auf, die vorzeitig gealtert waren oder besonders jung geblieben sind – und das stimmte mit den Ergebnissen aus der Gesichtsanalyse überein."
    Der 3D-Scan taugt also zum Abschätzen des biologischen Alters. Die Methode ist nicht nur schnell und schmerzlos, sie ist auch robuster als der Bluttest – bei dem sind nämlich manche Parameter entweder nur für Männer oder nur für Frauen signifikant. Und wo könnte man das neue Verfahren einsetzen?
    "Die Hauptanwendung wird vielleicht sein: Für viele medizinische Behandlungen, vor allem für Behandlungen bei Krebs, hängt die optimale Behandlungsstrategie vom wahren, vom biologischen Alter ab."
    Außerdem, so Jing-Dong Han, könnte man den Schnelltest auch nutzen, um den Erfolg von Anti-Aging-Behandlungen zu messen und zu dokumentieren. Eins zu eins werden sich die jetzigen Ergebnisse übrigens nicht auf andere Ethnien übertragen lassen, vermutet Jing-Dong Han – dazu ist die Gesichtsgeometrie, dazu sind auch die Veränderungen im Altersprozess zu verschieden.