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Aussenamtssprecherin Chebli
"Ich hoffe, dass ich ein gutes Vorbild bin"

Eigentlich spielt die Religionszugehörigkeit eines Regierungssprechers keine Rolle. Mit Sawsan Chebli übernimmt aber nun erstmals eine Muslima, Migrantin und Nicht-Diplomatin eine Sprecherrolle im Auswärtigen Amt. Das mediale Interesse ist riesig.

Von Klaus Remme | 06.02.2014
    Mit 35 ist es vermutlich noch etwas früh, zu sagen, man habe es geschafft, doch Sawsan Chebli kann mit Fug und Recht zu sich sagen: So weit, so gut.
    "Mein Name ist Sawsan Chebli, ich bin Deutsche, in Berlin geboren, habe palästinensische Wurzeln, habe Politikwissenschaft studiert, mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen und habe dann im Bundestag gearbeitet, Außenpolitik gemacht, habe den Abstecher in die Innenpolitik gewagt und bin heute im Auswärtigen Amt."
    Sawsan Chebli ist der Posten einer stellvertretenden Sprecherin im deutschen Außenministerium wahrlich nicht in die Wiege gelegt worden. Ihre Eltern flohen Ende der 40er-Jahre aus Palästina in den Libanon, kamen in den 70ern auf der Suche nach Asyl in Berlin an. Chebli, das bedeutet übersetzt Löwenkind, vielleicht kein schlechter Name in ihrer Ausgangslage, allein war sie vermutlich selten:
    "Ich habe zwölf Geschwister, ich, sechs Schwestern und sechs Brüder, und ich bin die vorletzte von 13."
    Deutschland tat sich über Jahre schwer mit den Cheblis. Sie wurden geduldet, so nennt sich das im Behördendeutsch, ohne sichere Perspektive, ohne staatliche Identität. Zu Hause wurde arabisch gesprochen und als Sawsan eingeschult wurde, sprach sie ein paar Brocken Deutsch:
    "Es war mir als Kind in der Grundschule sehr unangenehm, zu sagen, ich bin staatenlos, weil die Lehrer das auch nicht verstanden haben, die wussten überhaupt nichts damit anzufangen. Ich war in einer Grundschulklasse, wo wir vielleicht drei Migranten waren, obwohl ich in Moabit zur Grundschule gegangen bin, das war nicht so wie heute, dass die Lehrer ständig damit in Kontakt waren, mit staatenlosen Kindern."
    1993, mit 15 Jahren, dann ein Meilenstein. Die Einbürgerung der Familie Chebli und: ein deutscher Pass!
    Deutscher Pass war unglaublich wichtig
    "Eigentlich hat man eine Identität auch ohne Pass, aber für mich war dieser deutsche Pass unglaublich wichtig, weil ich mich dann auch viel stärker mit diesem Land identifizieren konnte, ich war superstolz darauf, dann sagen zu können: Ich bin Deutsche."
    Beruflich hatte Chebli nach ihrem Abitur sicher mehrere Alternativen, und wer sie sieht, denkt sich vielleicht, eine Modelkarriere wäre auch denkbar gewesen. Doch sie entschied sich für die Außenpolitik, nach Stationen als Referentin im Bundestag und im Berliner Senat betritt sie jetzt als Sprecherin Neuland. Das Interesse ist groß, sogar aus dem Ausland kommen Interview-Anfragen, sagt sie:
    "Wenn Sie die Nachrichtenlage verfolgt haben, nachdem bekannt wurde, dass ich dieses Amt übernehme, werden Sie sicherlich auch festgestellt haben, dass die Schlagzeilen überwiegend lauteten: Erste Muslima, erste Palästinenserin als stellvertretende Sprecherin im Auswärtigen Amt, das war natürlich das, was Journalisten interessiert hat."
    Die Zusammenarbeit mit den Hauptstadtjournalisten in der Regierungspressekonferenz gehört ab jetzt zu ihren Aufgaben. Als sie sich kürzlich dort vorstellte, fügte sie selbstbewusst an:
    "Ich würde mir wünschen, dass wir irgendwann mal dahinkommen, dass es total normal ist, dass jemand wie ich auch einen solchen Posten innehaben kann, ohne auf den religiösen oder ethnischen Hintergrund, ich möchte nicht sagen, reduziert, aber doch dass es so hervorgehoben wird. Ich hoffe, dass ich dazu einen Beitrag leisten kann und freue mich, fühle mich geehrt, hier zu sitzen und mit Ihnen zusammenzuarbeiten."
    Familie und Religion sind zentrale Werte
    Zusammenarbeiten, das bedeutet ab jetzt, die Politik des Ministeriums und des Ministers zu erklären. In der neuen Großen Koalition ist Chebli in guter Gesellschaft, wenn es um Aufsteiger mit Migrantenhintergrund geht. Die Berufungen in den Reihen der SPD sind auffallend. Eine politische Strategie, eine parteipolitische gar?
    "Das weiß ich nicht, ich würde es auch nicht in Zusammenhang bringen, die Einstellung von Frau Fahimi als Generalsekretärin oder dass Aydan Özoguz Staatsministerin ist und ich hier. Ich glaube, dass wir alle Qualität mitbringen, wir alle sind gut in dem, was wir tun, und deswegen ist es richtig."
    Familie und Religion, für Sawsan Chebli sind es zentrale Werte. Als Muslima betet sie regelmäßig, sie fastet entsprechend den Regeln ihrer Religion, sie hat sich gegen das Kopftuch entschieden. Ein gesundes Elternhaus, eine gute Schule, ein stabiler Freundeskreis, das sind die wichtigsten Gründe für ihren Erfolg. Von Glück mag sie nicht sprechen, eher davon Chancen ergriffen zu haben. Auf die Frage, was in diesem kurzen Porträt keinesfalls fehlen darf, nennt sie ein Anliegen:
    "Dass wir Vorbilder brauchen. Es ist wichtig, dass junge Menschen sehen, dass es sich lohnt, sich in der Schule anzustrengen, dass es Chancen gibt, dass Deutschland Chancen bietet und dass die Türen nicht verschlossen sind, und dazu brauchen wir Vorbilder, und ich hoffe, dass ich ein gutes Vorbild bin."
    Sawsan Chebli, einst staatenlos, jetzt stellvertretende Sprecherin im Auswärtigen Amt.