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Außer Spesen nichts gewesen

Auf der "Washingtoner Konferenz" wurde 1998 beschlossen, Kunstwerke, die in der NS-Zeit aus jüdischen Sammlungen geraubt wurden, an ihre Besitzer zurückzugeben. Allerdings: Kein Museum kann bis heute zu einer Restitution gezwungen werden. Um etwaige Streitfälle zu schlichten, setzte die Bundesregierung vor fünf Jahren die "Limbach-Kommission" ein. Viel zu tun gab es für die sieben teils fachfremden Mitglieder bislang nicht.

Von Stefan Koldehoff | 26.08.2008
    Die Sache war von Anfang an ein Trauerspiel. Zwar unterschrieb auch Deutschland 1998 die Washingtoner Erklärung, zwar bekräftigten und erweiterten Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände ihren Willen zur Suche nach NS-Raubkunst ein Jahr später noch einmal in einer "Berliner Erklärung" - nur geschehen ist anschließend nicht viel.

    Eine Handvoll Museen stellte - zeitlich befristet - Provenienzforscher ein. Der Bund stellte ihnen dafür kein Geld zur Verfügung, ließ stattdessen eine dünne "Handreichung" drucken und verteilen und richtete eine Datenbank im Internet ein, an der sich bis heute nur ein Bruchteil der deutschen Museen beteiligt. Sich dem Thema zu verweigern, war nicht schwer: Kein Geld, keine Zeit, kein Personal, lauten bis heute die Argumente vieler öffentlicher deutscher Kunsthäuser.

    Im Sommer 2003 trat deshalb zum ersten Mal die Limbach-Kommission zusammen - ein zur Zeit siebenköpfiges Gremium honoriger Staatsbürger - manche mit Sachkenntnis, manche ohne. Die Politiker Rita Süßmuth und Richard von Weizsäcker gehören ihm an, die Philosophen Ursula Wolf, Dietmar von der Pfordten und Günther Patzig, der Historiker Reinhard Rürup und die Juristin Jutta Limbach.

    Zu tun hatte die Kommission in den vergangenen Jahren peinlich wenig: Nur eine Handvoll Fälle wurde ihr in fünf Jahren vorgetragen - darunter eine Plakatsammlung im Deutschen Historischen Museum. Erst in diesem Jahr stimmte zum ersten Mal ein Museum in anderer Trägerschaft einem Verfahren zu: Die "Museumslandschaft Kassel" soll nun eine Entschädigung von 10.000 Euro zahlen, um ein Biedermeier-Gemälde behalten zu dürfen. Die zahlreichen Museen in Landes- oder in städtischer Trägerschaft aber, die sich zur Zeit ebenfalls mit Restitutionsanträgen auseinandersetzen müssen, verweigern die Zusammenarbeit. Will sich ein Museum einer Rückgabeforderung nicht stellen, kann auch die Limbach- Kommission nicht tätig werden. Nur wenn beide Seiten der Vermittlung zustimmen, darf sie sich mit einem Fall befassen.

    Ruth Haller, die Tochter des jüdischen Sammlers Ismar Litmann, fordert vom städtischen Lehmbruck-Museum in Duisburg ein Gemälde von Emil Nolde zurück, das ihrem Vater gestohlen worden war. Weil rechtlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, bittet die hochbetagt und krank in Israel lebende Frau die Stadt seit Jahren um Anrufung der Limbach-Kommission - und eben so lang wird sie ihr verweigert, obwohl selbst der damalige Bundespräsident Johannes Rau schon dafür plädierte.

    Es ist deshalb an der Zeit, die Limbach-Kommission entweder gründlich zu reformieren - oder sie aufzulösen, weil sie von Anfang an falsch konstruiert wurde. Es war ein Fehler, auf die freiwillige Bereitschaft der Museen bei der Aufarbeitung der NS-Raubkunst-Thematik zu setzen. Zehn Jahre nach der Washingtoner Konferenz liegt Deutschland auf diesem Gebiet weit hinter zahlreichen anderen Ländern zurück, die nicht gestohlen haben, sondern bestohlen wurden. Deutsche Museen profitieren auf diese Weise bis heute von der Ausplünderung jüdischer Sammlungen durch die Nationalsozialisten.

    In ihrer jetzigen Form und Verfassung ist die Limbach-Kommission nicht mehr als eine Alibiveranstaltung, ein zahnloser Tiger, der sich regelmäßig von deutschen Museen am Nasenring durch die Manege führen lassen muss. Gerechtigkeit kann sie nicht schaffen, weil sie es nicht darf. Standesbewusste Direktoren, die sich mehr ihrem Besitz als der Moral verpflichtet fühlen, verhindern das. Wollte man dieses peinliche Dilemma nach fünf Jahren endlich beheben, wäre vor allem ein Konsens in Bund, Ländern und Gemeinden darüber nötig, dass die Kommission auch bei nur einseitiger Anrufung tätig werden könnte - dann nämlich, wenn Sammlererben von ihr Gerechtigkeit erwarten.

    Das Ausscheiden des stellvertretenden Vorsitzenden Thomas Gaehtgens, der ans Getty Institute in die USA gewechselt ist, sollte für den Kulturstaatsminister aber auch Anlass sein, über die personelle Zusammensetzung der Limbach-Kommission nachzudenken.

    Richard von Weizsäcker, so ist zu hören, schicke zu Sitzungen des Gremiums auch schon mal einen Mitarbeiter aus seinem Büro als Vertreter. Und ob drei Philosophen einem Gremium angehören müssen, in dem dafür kein einziger professioneller Provenienzforscher über die historischen Hintergründe und verschlungenen Nachkriegswege der NS-Raubkunst aufklären kann, wäre auch zu überdenken.

    Mit der Einrichtung einer zentralen Arbeitsstelle Provenienzforschung, die von Berlin aus endlich die deutschen Museen - auch finanziell - unterstützt, hat Bernd Neumann vor wenigen Wochen dankenswerterweise begonnen, die kardinalen Fehler seiner Vorgänger auf diesem Gebiet zu korrigieren. Nun muss dringend ein weiterer Schritt folgen: die Reform oder die Auflösung der Limbach-Kommission.