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Ausstellung
Die Zurschaustellung des Reichtums

Die Hamburger Schau "Fette Beute" macht die Selbstdarstellung extrem reicher Menschen zum Thema - anhand von Fotos. Wer schon immer die entsprechenden Blättchen verschlugen hat, um am Treiben der Schickeria zumindest als Zaungast teilzuhaben, bekommt auch in dieser Ausstellung Manches geboten.

Von Carsten Probst | 17.10.2014
    Zwei Champagnergläser stehen auf einem Tisch.
    Durch die Kameraaugen von Paparazzi und Undercover-Künstlern kommt man dem dem hemmungslosen Champagnersuff und den bekleckerten Diorkleidern selig nahe. (picture alliance / ZB - Jens Kalaene)
    Die "Theorie der feinen Leute" des US-amerikanischen Soziologen Thorstein Veblen entstand zwar schon 1899, aber sie umschreibt doch gewisse Elemente der demonstrativen Prunksucht, die auch aus jüngster Gegenwart vertraut erscheinen: Die Jagd der Superreichen nach dem absolut ungewöhnlichen Prestigeobjekt; die mediale Aura, die die ebenso abgeschirmte wie gucklochhaft hergezeigte Welt des Reichtums umgibt; Faszination und Abstoßung des breiten Publikums angesichts frivoler Attitüden der Reichen, deren pseudokultivierte Sitten nichts anderes zu sein scheinen als der letzte, perverse Kick für die Eitelkeit.
    Wer schon immer die entsprechenden Blättchen und TV-Sendungen verschlugen hat, um am Treiben der Schickeria sein Mütchen zu kühlen, bekommt auch in dieser Ausstellung Manches geboten. Durch die Kameraaugen von Paparazzi und Undercover-Künstlern kommt man den sich mit Hummer und Kaviar vollfressenden Schnöseln, den gierig schlingenden Fratzen schwitzender Geldsäcke in edlem Zwirn, dem hemmungslosen Champagnersuff und den bekleckerten Diorkleidern, die sich über feisten Frauenleibern spannen, selig nahe: oder den Anwesen von Hollywoodstars, die ja normalerweise kein Mensch je zu Gesicht bekäme, gäbe es nicht Paparazzi wie Sébastien Valiela, der sie mithilfe von Drohnenkameras aus der Vogelperspektive ablichtet. Oder man kann den Zöglingen der globalen Geldelite dabei zusehen, wie sie sich und ihre Statussymbole per Instagram in den sozialen Netzwerken produzieren.
    "Seltsam faszinierende Welt der Ausschweifung"
    Zugleich bietet die Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe eine Zeitreise durch die Geschichte der medialen Selbstdarstellung von Protz- und Prunksucht – von den vergleichsweise noch kultivierten Szenen, die Edward Steichen in dezent-pittoresken Aufnahmen von der High Society bei Pariser Pferderennen am Beginn des 20. Jahrhunderts machte, über die Repräsentationsfotografie des europäischen Geldadels für die bunten Blätter der 1960er- und 70er-Jahre, die Slim Aarons in rokokohaften Inszenierungen umsetzte, bis hin ja zu jenen "Kids of Instagram", die sich mittlerweile global in den sozialen Netzwerken verschalten.
    Man kann auch Stile unterscheiden, verschiedene Blicke auf diese seltsam faszinierende Welt der Ausschweifung: Mal nüchtern-soziologisch oder romantisierend, mal ironisch-grotesk oder dokumentarisch-entlarvend – aber der fotografische Blick auf diese Welt, soviel lässt sich als erstes Fazit dieses Überblicks festhalten, kann niemals beiläufig sein. Denn hergezeigter Reichtum in all seiner Geschmacklosigkeit und bizarren Übertreibung übernimmt die Inszenierung ja schon meistens ganz von selbst, er fordert eine Gegenposition heraus, sei sie naheliegender Weise moralisch oder nur ironisch.
    Das gilt auch und nicht zuletzt für die gleichzeitige Inszenierung von Armut und Reichtum, wenn etwa die – nicht selten dunkelhäutigen – Hausmädchen ins Spiel kommen, während sich die Herrschaften zum Beispiel ausgiebig mit ihren Haustieren beschäftigen. Auch Armut bietet einschlägige Klischees und Muster. Womit auch schon das große Defizit dieser Ausstellung benannt wäre: Der Blick auf die Armut wird unverhohlen durch den Blick auf den Reichtum diktiert – oder besser gesagt: durch die Klischees, die diese Ausstellung in ihrer geläufigen Bildzusammenstellung von beiden, Reichtum wie Armut, bedient.
    Offenkundig soll sich das Publikum hier moralisch ins Recht gesetzt fühlen, durch ein ziemlich klares Gut-böse-Schema: hier die Armen, die von bescheidenem Wohlstand träumen, sich versuchsweise mal edel kleiden und dann vor ärmlichen Hütten in Afrika posieren; dort jene, die es haben und horten. Die faktische Ungleichheit der Welt lässt sich mit Klischees aber nicht einfangen. Dass diese Ungleichheit vor allem ein politisches Problem ist, von den reichen Ländern wie Deutschland fleißig mitproduziert, kommt bei dieser Gelegenheit allenfalls am Rand vor. Die Welt des schönen Scheins – sie soll hier doch niemandem das Vergnügen an der Schaulust verderben.