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Ausstellung "Ein Gott" in Berlin
Als religiöses Miteinander funktionierte

Aktuelle Schlagzeilen aus Ägypten haben meist wenig mit Frieden zu tun - insbesondere dann nicht, wenn Religion im Spiel ist. Doch das Ägypten der Antike war ein Musterbeispiel des friedlichen Zusammenlebens verschiedener Religionsgemeinschaften. So sehen es zumindest die Macher der Ausstellung "Ein Gott - Abrahams Erben am Nil".

Von Sandra Stalinski | 08.04.2015
    Die Ikone "Apa Abraham" in der Ausstellung "Ein Gott" im Berliner Bode-Museum. Ein gemaltes Bild eines Mannes mit grauem Bart auf rotem Stein, in einer Glasvitrine.
    Die Ikone "Apa Abraham" in der Ausstellung "Ein Gott" im Berliner Bode-Museum: Abraham gilt sowohl im Judentum als auch im Christentum und Islam als Stammvater. (dpa/picture alliance/Felix Zahn)
    Eine Reaktion auf die aktuellen Ereignisse in Ägypten ist die Ausstellung zwar nicht, doch indem sie den Schwerpunkt auf das Verbindende zwischen den Religionen legt, will sie einen Bogen schlagen - vom friedlichen Zusammenleben der Religionen im Alten Ägypten bis in die Gegenwart. Der Blick in die Kulturgeschichte könne helfen, die aktuellen Ereignisse aus einer anderen Perspektive zu betrachten, findet auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz, die sich die Ausstellung als eine der ersten angesehen hat:
    "Das kann ein interessanter Wegweiser sein, mindestens glaube ich, dass es sehr nachdenklich macht, wenn man diese unglaubliche Ähnlichkeit auch in der Kunst sieht. Uns wurde beispielsweise eine Schnitzkunst gezeigt, wo man sich auch gefragt hat, was ist denn jetzt genau Islam und was ist Christentum. Also das muss ich sagen, halte ich für jeden in unserem Land sehr hilfreich."
    Insbesondere bei Jugendlichen, die häufig kaum mehr etwas über Religionen wissen, könnte die Ausstellung eine Art Aha-Effekt auslösen, hofft Özoguz:
    "Ich weiß, dass die Ausstellung geplant ist für Schüler, dass auch diese hier einen Bezug zu ihren Wurzeln, zu ihren jeweiligen Religionen finden. Und meine größte Hoffnung wäre, dass an der einen oder anderen Stelle so etwas wie eine Identität, ein Wir-Gefühl entstehen kann, weil man sieht: Das ist in der Geschichte durchaus möglich gewesen."
    Schon in pharaonischer und römisch-griechischer Zeit war Ägypten ein Land der Glaubensvielfalt. Besonders Alexandria, die circa 300 vor Christus gegründete Hafenstadt, gilt als Schmelztiegel der Religionen. Ihr wird in der Ausstellung ein eigener Raum gewidmet, sagt Cäcilia Fluck vom Museum für Byzantinische Kunst:
    "Alexandria war die Hauptstadt Ägyptens, strategisch günstig gelegen, sodass schon von Natur aus gegeben war, dass es eine kosmopolitische Stadt war, wo sich Handelsleute trafen, wo sich die Wissenschaft traf, wo die Politik sich abspielte und was auch ein kulturelles Zentrum für den gesamten östlichen Mittelmeerraum war. Und in diesem Melting Pot konnten sich viele Dinge gleichzeitig entfalten."
    Die römischen Götter vermischten sich mit den griechischen; hinzu kam das Judentum; und aus der fast 40.000 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde heraus entwickelte sich langsam das Christentum.
    Abraham als Stammvater aller drei Religionen
    In der Ausstellung zeugen Statuen, Münzen, Tafelbilder und Möbelbeschläge davon, wie die unterschiedlichen Gottheiten und Persönlichkeiten in dieser Zeit verehrt wurden. Ein besonderer Schatz ist eine Gedenktafel. Sie wird Kleopatra VII. persönlich zugeschrieben, und ihrem Sohn und Mitregenten "Caesarion". Die Inschrift in dieser Steintafel garantiert eine Art Asylrecht für ein jüdisches Bethaus, erklärt Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums und eine der Kuratorinnen der Ausstellung:
    "Es handelt sich um eine Weihetafel, die ein politischer Erlass ist, in dem zunächst mal in griechischer Sprache verfasst ist, dass dieses jüdische Bethaus unantastbar ist. Alle Leute, die sich darin befinden, können nicht belangt werden von außen - also es ist ein richtiges Edikt, das dieses Haus unter einen besonderen Schutz stellt. Und dieser griechische Text wird dann mit einem lateinischen Zusatz, der Cleopatra VII. und Caesarion zugeschrieben ist, besiegelt."
    Die Symbole Halbmond, Menora und Kreuz schmücken im Bode-Museum in Berlin eine Wand auf dem Weg zur Ausstellung "Ein Gott - Abrahams Erben am Nil" über die gemeinsame Geschichte von Juden, Christen und Moslems in Ägypten. Die Ausstellung ist vom 2. April bis zum 13. September 2015 zu sehen.
    Die Symbole Halbmond, Menora und Kreuz schmücken eine Wand auf dem Weg zur Ausstellung. (picture-alliance / dpa / Stephanie Pilick)
    Der eigentliche Rundgang der Ausstellung beginnt mit den Grundlagen der drei Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam. In einer Vitrine werden kunstvolle Handschriften des jüdischen Tanach, der christlichen Bibel und des muslimischen Koran gezeigt. So manche Geschichten und Figuren tauchen in allen drei Offenbarungstexten auf. Am augenfälligsten wird das an der Figur des Abraham - im Islam Ibrahim genannt. Er wird von allen drei Religionen als Stammvater angesehen. Er steht für den Übergang vom Polytheismus, dem Glauben an viele Götter, zum Monotheismus, dem Glauben an einen Gott. Deshalb ist die Ausstellung auch nach Abraham benannt, sagt die Ägyptologin Friederike Seyfried:
    "Abraham - das ist nun die Kristallisationsfigur für alle drei Buchreligionen. Das ist die Person, die als erster den einen Gott verehrt. Und für uns war es wichtig, Figuren und Motive und Symbole zu finden, die die drei Buchreligionen miteinander verbinden, wo man ihre Parallelen, ihre gemeinsamen Wurzeln sieht. Und die tiefgreifendste Wurzel ist tatsächlich Abraham. Und deshalb haben wir ihn an den Anfang gesetzt, auch wenn Abraham nie in Ägypten war, aber für die drei Religionen ist er der Urvater."
    Die Sonderausstellung versammelt 250 archäologische Objekte. Etwa ein ikonenartiges Tafelbild eines Bischofs namens Abraham von Hermonthis, der vermutlich in Luxor etwa 600 nach Christus lebte. Es ist das einzige erhaltene offizielle Porträt eines historisch belegten Bischofs im Ägypten der Spätantike.
    Toleranz der islamischen herrschenden Schicht
    Andere Exponate zeigen, wie sich Götterdarstellungen gegenseitig beeinflusst haben. Eine Steinfigur der ägyptischen Muttergöttin Isis sieht auf den ersten Blick aus wie Maria, die Jesus, ihren Sohn, stillt. Am stärksten haben sich die verschiedenen Religionen aber an jenen Punkten beeinflusst, sagt Friederike Seyfried, wo sie sich der Kontrolle entzogen:
    "Die Vermischungen sieht man vor allem in dem Bereich, der nicht in den heiligen Büchern steht. Das heißt: In dem Bereich, der sich mit Aberglauben, aber auch guten Wünschen, Talismanen, Zaubersprüchen abbildet. Und da gehen die Schriften, die Sprachen, die Religionsgemeinschaften durcheinander. Da kann man sagen, da steht was Jüdisches neben was Christlichem, neben was Muslimischem. Hauptsache, es wirkt - und dementsprechend stellt man es zusammen."
    Der Schwerpunkt der Ausstellung ist dem Alltag im Alten Ägypten gewidmet, in dem die Religionszugehörigkeit oftmals keine Rolle spielte, so die Kuratorinnen: wenn etwa ein jüdisch-ägyptischer Handwerker sich pragmatisch mit einem muslimischen Ägypter eine Werkstatt teilt. Oder wenn ein jüdischer Geschäftsmann - wie ein Brief zeigt - seinem muslimischen Geschäftspartner an einem muslimischen Feiertag alles Gute wünscht.
    Dass es nicht ganz ohne Konflikte abläuft im Ägypten der Antike bis zum Mittelalter, spart die Ausstellung nicht aus. Dennoch, die meiste Zeit habe es gut funktioniert, sagt Seyfried:
    "Dass nach der Arabischen Eroberung so ein gutes Zusammenleben möglich war, lag sicherlich daran, dass die islamische herrschende Schicht die anderen Religionsgemeinschaften toleriert. Die wirtschaftliche Situation war wahrscheinlich so, dass sie auch ein tolerantes Miteinander ermöglicht hat. Je besser es einer Gesellschaft wirtschaftlich geht, desto weniger Konflikte gibt es."