Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Ausstellung im Brooklyn Museum
Coney Island als Symbol für Amerika

Coney Island im Süden von Brooklyn ist ein Ort, an dem die Menschen dem Alltag entfliehen. Das Brooklyn Museum in New York zeigt 140 Ausstellungsstücke aus 150 Jahren Entwicklung dieses Traumlandes.

Von Sacha Verna | 21.11.2015
    "Der Elefant passt so gut in die lauschige Dünenlandschaft wie ein Ufo in ein Gurkenglas. Aber er ist da, unverkennbar im Hintergrund eines kleinen Gemäldes des amerikanischen Impressionisten William Merritt Chase. Es zeigt Coney Island um 1886. Damals war dieser südlichste Zipfel Brooklyns bereits eine Destination für erholungsbedürftige Städter, die neben der frischen Luft auch von exotischeren Attraktionen angelockt wurden - wie eben von Elefanten. Noch vermochten sich nur Besserbetuchte, den Ausflug zu leisten. Aber schon zehn Jahre später strömten die Massen in die neu eröffneten Vergnügungsparks. Höhere Löhne, mehr Freizeit und eine verlängerte U-Bahn-Linie machten es möglich. Die Nation hatte sich ihren Lieblingsspielplatz geschaffen, einen Ort, wo sich Klassen und Rassen, Freaks und Fräuleins miteinander vermischten."
    Coney Island habe eine Idealversion Amerikas dargestellt, ein pluralistisches und modernes Amerika, sagt die Kuratorin Connie Choi. Im Brooklyn Museum dokumentieren 140 Ausstellungsstücke aus 150 Jahren die Entwicklung dieses Traumlandes, darunter Fotografien, Filme und Plakate, Karussell-Kamele und Schießbudenfiguren.
    Ganz besonders interessant sei Coney Island stets für Künstler gewesen, so Connie Choi:
    "Die Künstler hätten in Coney Island die Menschenmengen beobachtet, die ihrem Alltag entfliehen wollten. Wie wild es dabei oft zuging, illustriert ein Bild von Joseph Stella von 1913. Es gleicht einem Wust grellbunter Papierschlangen, aus dem abertausend Lichter hervorblitzen, Köpfe lugen und wundersame architektonische Formen."
    Aus dem Sommer 1940 stammt Weegees berühmte Aufnahme, auf der vor lauter badebehosten Menschen das Meer nicht mehr zu sehen ist. Je schlechter es um die Welt stand, desto besser ging es Coney Island.
    In den 1950er-Jahren gelang jedoch dem aufkommenden Fernsehen, was die Wirtschaftskrise und zwei Weltkriege nicht vermocht hatten: Coney Island verlor an Popularität. Die nicht mehr ausreichend spannenden Geisterbahnen waren bald wirklich zum Fürchten, und die fliegenden Bauten zerfielen. Künstler fuhren immer noch hin. Sie malten und fotografierten die Ruinen und die dubiosen Gestalten, die dort herumlungerten.
    Diese Ausstellung zeigt Coney Island als Symbol für Amerika - und das Riesenrad als Symbol für Coney Island. Was oben ist, ist irgendwann ganz unten, nur um wieder aufzusteigen. Wo sich die Vereinigten Staaten gerade befinden, ist umstritten. Coney Island jedenfalls erlebt zurzeit tatsächlich eine Renaissance. Die legendäre hölzerne Strandpromenade wurde renoviert, und das Publikum ergötzt sich am Nationalfeiertag wieder in Horden, wenn bei Nathan's Famous Hot Dogs um die Wette gefuttert werden. Insofern passt der Linoldruck der Straßenkünstlerin Swoon, mit dem die Schau endet. Auf dem Cyclone, dem ältesten Riesenrad Coney Islands sitzt ein Paar in der obersten Kabine und blickt auf den Ozean - die beiden wirken so satt und die Szene so nostalgisch, als wären wir wieder bei den Postkarten von anno dazumal.
    Brooklyn Museum, New York zeigt die Ausstellung "Coney Island: Visions of an American Dreamland, 1861-2008" bis 13. März 2016.