Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Ausstellung im Engels-Haus
"Dezidierte Stimme für die Demokratie"

Das Wuppertaler Engels-Haus will auf die Wurzeln der Pressefreiheit aufmerksam machen. Diese lägen in der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848, sagte Direktor Eberhard Illner im DLF. Das Rheinland habe damals eine wichtige Rolle gespielt. Zu sehen ist auch eine Original-Ausgabe der "Neuen Rheinischen Zeitung".

Eberhard Illner im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 01.10.2015
    Das Engels-Haus in Wuppertal.
    Das Engels-Haus in Wuppertal zeigt die Ausstellung "Die freie Presse ist das überall offene Auge des Volksgeistes". (imago/Werner Otto)
    Burkhard Müller-Ullrich: Friedrich Engels war bekannt für seine feinen Textilwaren. Noch bekannter wurde allerdings sein Sohn Friedrich Engels, und zwar durch revolutionäre Traktate, an denen auch sein Freund Karl Marx beteiligt war, den er tüchtig sponserte. Das Wuppertaler Engels-Haus ist gewissermaßen eine der ersten Adressen des Sozialismus in Deutschland. Es ist zwar nicht das Geburtshaus von Friedrich Engels Junior, denn das wurde 1943 zerstört, aber die Familie besaß einen ganzen Häuserkomplex, und so ist das heutige Museum doch an einem originalen Ort untergebracht. Eberhard Illner, Sie leiten dieses Engels-Haus und zeigen dort jetzt eine Ausstellung mit dem kämpferischen Titel "Die freie Presse ist das überall offene Auge des Volksgeistes". Auf welches Material können Sie denn da zurückgreifen?
    Eberhard Illner: Das ist zum Teil aus unserem Haus, aus dem Fundus des historischen Zentrums, aber zu einem Großteil eben doch Leihgaben. Die "Neue Rheinische Zeitung" im Original ist vorhanden in der Friedrich-Ebert-Stiftung. Bestimmte Stücke, die Heinrich Heine beleuchten, die Zensur, der er unterlegen war, 1833 zum Beispiel, das stammt aus dem Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf. Und zum Teil auch Dinge aus Frankreich, von Honoré Daumier, von Grandville aus der Zeitschrift "La Caricature" von 1830 bis 35.
    Müller-Ullrich: Die "Neue Rheinische Zeitung", die Sie schon angesprochen haben, die spielt ja eine besondere Rolle, und im Grunde muss man zunächst mal sagen, wir sprechen von einem Deutschland, das es noch gar nicht gibt. Das ist ein Flickenteppich aus Duodezfürstentümern. Und da spielte im Rheinland einfach eine ganz andere Musik als zum Beispiel in Berlin. Warum?
    "Die Presse war auf einmal frei"
    Illner: Weil das Rheinland ökonomisch gesehen, auch gesellschaftlich gesehen als westliche Provinz, seit 1815 zu Preußen gehörend, doch viel weiter entwickelt war als Brandenburg, als Berlin, als Ostpreußen oder Schlesien. Und es ist eigentlich ganz einfach: Wer Steuern zahlen muss, der will natürlich auch mitreden und im Parlament beteiligt sein und das Wahlrecht ändern und entsprechend auch seine Meinung äußern. Dazu war eben die Presse da und so gründeten dann in Köln 1842 wohlhabende Kaufleute die "Rheinische Zeitung für Handel, Politik und Gewerbe".
    Müller-Ullrich: Ein kecker Mitarbeiter dieser Zeitung ging auch nach Paris, Karl Marx, aber nicht zum Studieren.
    Illner: Ja! Der musste natürlich erst mal ins Exil, als 1843 diese Zeitung verboten wurde. Er wurde ausgewiesen, kam dann aber 1848 wieder aus Paris. Da hatte sich die politische Situation im Rheinland vollkommen geändert. Die März-Revolution war ausgebrochen, von Paris wieder ausgehend, und die Presse war auf einmal frei. Und Marx gründete dann in Köln die "Neue Rheinische Zeitung", diesmal mit dem Untertitel "Organ der Demokratie", und schuf dadurch eine Stimme für das Rheinland gegenüber auch Berlin und eine sehr dezidierte Stimme für die Demokratie.
    Müller-Ullrich: Sie haben ja dieses Exemplar auch dieser Zeitung im Original. Das ist natürlich lecker und kulinarisch. Aber im Grunde, trotz der ganzen Dynamik, über die wir da jetzt sprechen: Es ist alles nur Papier, also museal ein bisschen schwierig zu zeigen.
    Illner: Beides. Natürlich muss man sich da einlesen. Es gibt noch Leckerbissen dabei, bei dem Papier, nämlich die rote Nummer, die berühmte Schlussnummer der "Neuen Rheinischen Zeitung". Das ist für jeden Journalisten sozusagen das Highlight. Genauso gucken wir aber auch genauer in die Zeitung, nämlich auf das Feuilleton. Sie kennen den Begriff, alles was unter dem Strich ist, ist das Feuilleton. Der Feuilleton-Redakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung", das war Georg Weerth, ein sehr witziger, satirischer Autor, aber auch Zeichner, und den begleiten wir noch mal in einer besonderen Perspektive. Der hat nämlich sehr schöne Satiren gemacht.
    Die Bürgerkönigsbirne ist schon mal da gewesen
    Müller-Ullrich: Die Karikaturen in dieser Zeit spielen eine ganz wesentliche Rolle. Warum war die Karikatur irgendwie so bedeutend? Hat man da Inhalte transportieren können, die doch mancher Zensor nicht verstand?
    Illner: Richtig. Das ist genauso wie heute. Wenn man die "Titanic" liest oder andere Karikaturzeitschriften, dann entwickeln sie in dem Bild bestimmte subtile Botschaften, die verschlüsselt teilweise sind, die die Leute (kluge Leute natürlich) erkennen, und sehr viele Anspielungen und durch Überzeichnungen zum Beispiel die Betroffenen karikieren. Das beste Beispiel ist die Birne von Louis Philippe von 1830. Sein Gesicht eindeutig als Birne ausgearbeitet führte dann dazu, dass er sich angegriffen fühlte und natürlich dann die Zeitschrift "La Caricature" verbot.
    Müller-Ullrich: Und diese Bürgerkönigsbirne trat uns ja dann noch mal in der Kohl-Ära entgegen.
    Illner: Richtig, genau. Das ist alles schon mal da gewesen.
    Müller-Ullrich: Ist es das, was Sie zeigen wollen, alles schon mal da gewesen?
    Illner: Nein. Wir wollen natürlich den Bogen spannen schon in die Jetzt-Zeit, aber aufmerksam machen, wo wir eigentlich unsere Wurzeln haben, gerade was die Pressefreiheit anbetrifft, und die liegen eben in der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848. Es kommt nicht von Ungefähr, dass die Grundrechte, die die Frankfurter Nationalversammlung beschlossen hat dann im Frühjahr 1849, in einem Artikel dezidiert die Freiheit der Presse beschrieben hat und auch die Unangreifbarkeit, also im Grunde genommen das, wofür wir auch heute uns noch immer wieder einsetzen müssen.
    Müller-Ullrich: Eberhard Illner, der Leiter des Wuppertaler Engels-Hauses, zu seiner neuen Ausstellung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.