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Ausstellung im Israel Museum
Jüdische Künstler und Jesus

Jesus war als Figur lange ein Tabu in der israelischen Kultur. Das Israel Museum in Jerusalem hat ihm nun eine große Ausstellung gewidmet. 40 Künstler zeigen 150 Gemälde, Plastiken und Installationen. In der Schau wird deutlich: Eine künstlerische Annäherung an Jesus ist für jüdische Künstler heikel.

Von Torsten Teichmann | 24.03.2017
    Die Fotografie "Das Abendmahl" des israelischen Künstlers Adi Nes
    "Das Abendmahl" - eine Fotografie des israelischen Künstlers Adi Nes (AFP/Miguel Mendez)
    Ein Bild in der Ausstellung ist eine berühmte Fotografie von israelischen Soldaten. Der Künstler Adi Nes hat die jungen Männer in ihren dunkelgrünen Uniformen angeordnet wie Jesus und die Apostel, in Da Vincis Gemälde "Das Abendmahl". Der Audio Guide im Israel Museum weist auf die Analogie hin:
    "Während die Soldaten reden und witzeln, scheint die zentrale Figur auf dem Platz von Jesus nachdenklich, der Blick geht in die Ferne. Mit dem Wissen um die Gefahr, im Kampf zu sterben, stehen die Soldaten dem gefährlichsten Moment ihres Lebens gegenüber. Nes' Parallele zwischen dem Da-Vinci-Gemälde und der israelischen Realität, handelt von Verpflichtung und Verzicht."
    Zudem ist der Rückgriff auf eine zentrale Szene der christlichen Erzählung ungewöhnlich für einen israelischen Künstler. Mehr noch: Der Kurator der Ausstellung Amitai Mendelsohn sagt, Jesus als Figur sei lange ein Tabu gewesen in der israelischen Kultur:
    "Das Verbotene ist immer spannend, zu schauen, wie Künstler mit Tabus umgehen. Und Jesus ist ein Tabu! Sich einem Tabu zu nähern, etwas das verboten ist, in der traditionellen jüdischen Kultur, war schon immer etwas, das Künstler angezogen hat."
    150 Arbeiten sind in der großen Ausstellung des Israel Museums zu sehen. Gemälde, Plastiken, Installationen. International Bekanntes wie Marc Chagalls "Kreuzigung in Gelb". Aber auch Werke aus der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts von jüdischen Künstlern aus Osteuropa.
    Jesus als Juden in die Kunst aufnehmen
    Die Künstler beanspruchen Jesus als einen der ihren, erklärt Kurator Mendelsohn im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP:
    "Es begann mit der Idee, dass jüdische Künstler sich wieder Jesus zuwenden, ihn als Juden in ihre Kunst aufnehmen. Und am Anfang als eine Art Brücke zwischen der jüdischen und der christlichen Welt. Denn Jesus ist Jude. Sie nehmen ihn ins Judentum auf als universelle Figur mit moralischem Gewicht, aber ohne den Glauben an seine Göttlichkeit."
    Was die Künstler zu überbrücken haben, zeigt die Ausstellungen auch: Denn die jüdische und die christliche Religion haben nicht nur gemeinsame Wurzeln in ihrer Erzählung und Ikonografie. In der Geschichte Europas wurde das Kreuz für Juden auch immer wieder zum Symbol für Verfolgung.
    Deutlich wird das zum Beispiel in einem Gemälde des polnischen Künstlers Samuel Hirszenberg. Das Bild mit dem Titel "Der ewige Jude" stammt von 1899. Es zeigt einen ausgezerrten Mann der unter riesigen dunklen Kreuzen über Leichen fällt, während sein Blick einen Ausweg sucht. Mit einer Erklärung ordnen die Ausstellungsmacher das Bild ein:
    "Das monumentale Gemälde von Samuel Hirszenberg, dessen Karriere in die Zeit gewaltsamer, antisemitischer Verfolgung in Osteuropa fällt, wurde zu einem Symbol für das jüdische Leid im Schatten des Kreuzes."
    "In Israel gibt es einen blinden Fleck"
    Diese beklemmenden Bilder helfen Besuchern zu verstehen, was aktuelle israelische Kunst überbrücken muss. Warum eine künstlerische Annäherung zur Figur Jesus für israelische Künstler immer noch ein Risiko ist.
    "In Israel gibt es einen blinden Fleck, was die christliche Geschichte angeht. Natürlich gehört das Christentum zur Landschaft in Israel. Natürlich ist es der größte kulturelle Einfluss auf die israelische Kultur. Aber mit Bezug auf christliche Theologie und die Figur Jesus galt das lange als Tabu."
    Die Ausstellung "Behold the Man: Jesus in Israeli Art" im Israel Museum ist noch bis zum 16. April 2017 zu sehen.