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Ausstellung in Düsseldorf
100 Ideen für eine bessere Welt

Polizei in gebatikten Uniformen – wird damit unser Zusammenleben bunter und besser? Zumindest ist es eine Idee, die man mal probieren könnte. Diese und 99 weitere "Ideen für eine neue Welt" stellen junge Künstler in der Gruppenausstellung "Planet B" in Düsseldorf vor.

Von Peter Backof | 01.06.2016
    Ausstellungsansicht Planet B: Labor Fou / NRW-Forum Düsseldorf, Foto B. Babic
    Ausstellungsansicht Planet B: Labor Fou / NRW-Forum Düsseldorf (Labor Fou / NRW-Forum Düsseldorf / B. Babic)
    "Die Grundidee ist: Der Planet A ist für gescheitert erklärt. Es gibt einfach zu viele Dinge, die nicht so laufen, wie sie laufen sollten. So ein Grundgefühl: Da läuft zu viel schief. Und wir versuchen das in die Zukunft zu denken."
    Alain Bieber, künstlerischer Leiter der Ausstellung "Planet B". Die Zukunft bringt: Perlmuttgehörnte Reh-Giraffen, ausgestopft, von der Kunstaktivistin Kathryn Fleming aus einem Fantasy-Spiel ins NRW-Forum nach Düsseldorf gebeamt. Daneben haben Korallen das Festland erobert. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als an Land zu gehen, nachdem auf Planet A das Great Barrier Reaf bei Australien abgestorben war. Das genetische Plus und Win Win dieser Welt des 22. Jahrhunderts: Korallen können jetzt auch staubsaugen. Im hypersmarten Zuhause – wo es immer noch Katzen, Cat Content fürs Netz, geben wird, aber besonders kuschelig: Planet B ist die teils logische, teils komplett versponnene Folge aus Planet A, dem Jetzt.
    "Deswegen ist diese Rakete im Whitespace gestrandet. Aber der Gag ist, dass im Inneren der Rakete Künstler arbeiten und versuchen, diese Rakete wieder zum Steigen zu bringen."
    Verrückte Zukunft
    Die Rakete ist im Bauwagenplatz-Design zusammengehämmert, vom Köln-Düsseldorfer Labor Fou. Französisch fou wie verrückt. "Fouture", verrückte Zukunft also. Da folgt es schon fast einer inneren Logik, dass die Weltraumfenster aus Waschmaschinen-Bullaugen bestehen: Der technische Fortschritt bricht im Jahr 2016 ab. Alles, was in Planet B – Untertitel "Hundert Ideen für eine neue Welt" - zu sehen ist, basiert auf Material, das 2016 schon existierte.
    Typische Haushalts-Wäscheständer zum Beispiel, die man im 22. Jahrhundert ausgraben wird, nichtwissend, wozu sie einmal gut waren. Auf Planet B werden sie – sphärenharmonisch mit Geigenbögen gestrichen – zu Musikinstrumenten. Oder Bandenwerbung, wie man sie bei der Fußball-Europameisterschaft sehen wird: War sie zu etwas nütze? So ähnlich wie um 1970. Nur dringlicher, breiter aufgestellt und von neuen Medien unterstützt, sagt Joanna Szlauderbach. Sie betreut die Künstler, die während der dreimonatigen Ausstellungsdauer im NRW-Forum campieren, sowie etliche Projekte, mit denen Planet B in den Düsseldorfer Stadtraum gehen wird.
    "Es ist ein Unwohlsein da. Und daraus entstehen diese prozesshaften künstlerischen Arbeiten, die es immer mehr gibt auch tatsächlich. Die gibt es immer so in Umbruchzeiten, da wird immer mehr so performative und prozesshafte Kunst erschaffen."
    Ausstellung regt zum Mitmachen an
    Alain Bieber: "Über die ganze Ausstellung wird es ein Auto geben, das man kostenlos nutzen kann. Und der Diskurs über den Planeten B ist quasi der Sprit."
    Fast bedingungslose Grund-Mobilität: Das Planet-B-Taxi vom Atelier für Sonderaufgaben befördert jedoch nur Menschen, die auch selber etwas beitragen zu einer möglichen Zukunft – und sei es noch so versponnen. Dann kann man in Düsseldorf auch einen kostenlosen Haarschnitt oder einen Imbiss bekommen. Die Macher von Planet B haben sich ein Urban Cache- und Voucher-System ausgedacht, sodass Besucher partizipieren und nicht nur das Gefühl haben sollen, eine Ausstellung zu konsumieren.
    Joanna Szlauderbach: "Wenn wir das schaffen, ein paar Leute anzustupsen – hey, gärtnere in der Stadt, oder lass es kleine Projekte sein – dann haben wir schon einen guten Job gemacht."
    Es geht darum, möglichst viele Menschen zu erreichen und sie dazu zu bringen, mitzumachen. Als Belohnung für ein Gespräch über eine traumhafte Zukunft bekommt man auch einmal eine ganz normale, nicht vegane Schweinsbockwurst. Veränderung geht nicht sektiererisch und besserwisserisch. Essen! Kochen, Konservieren, Fermentieren und vor allem gemeinschaftlich denken. Ein zentraler Inhalt. Klar, es gibt einen Unterschied zwischen leckerem Essen und Ernährung. Musikalisch und damit entkrampft ist das zu erleben beim Gemüseorchester von Kasia Justka: Die Besucher sollen ihre Essensreste mitbringen. Ein Teil wird verkocht. Aus dem anderen Teil wird mithilfe von Tonabnehmern Musik.
    Besser als ab in die Tonne. Und die Kerne von Avocados muss man übrigens nicht wegwerfen. Man kann sie dünsten, würfeln und in Salate streuen. Sie sind überaus vitaminreich. Noch eine der hundert Ideen für eine neue Welt. Das ist genau die Atmosphäre, die man im NRW-Forum antreffen wird: lauter kleine und am Ende auch ganz praktische Tipps statt Empörung, die man sich auf Transparente schreibt. Hier macht sich Sommergefühl breit. Planet B ist im Vergleich zu A nachgerade traumhaft leicht, nicht nur wegen der Rehgiraffen, der Staubsaugerkorallen. Joanna Szlauderbach :
    "Wir haben versucht, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Es gibt natürlich ganz viele dystopische Modelle: Ja, das scheitert sowieso – hier gibt es einfach Ideen, die könnten funktionieren. Es liegt natürlich an uns allen, ob wir wollen, dass sie funktionieren."