Donnerstag, 25. April 2024

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Ausstellung in Düsseldorf
Ich fotografiere, also bin ich

Nichts hat die Fotografie und unser Bild von der Welt so sehr verändert wie die digitale Revolution: Aus dem "Ich denke, also bin ich" ist ein "Ich fotografiere, also bin ich" geworden. Und im Mittelpunkt dieser neuen Weltsicht steht das "Selfie". Das NRW-Forum Düsseldorf zeigt jetzt, wie Künstler sich mit dem Phänomen Selfie und digitale Identität auseinandersetzen.

Von Veronika Bock | 22.09.2015
    Eine Frau macht in der Ausstellung ein Selfie vor einem Bild an einer Wand
    Die Ausstellung "Ego Update" zeigt, wie Künstler mit dem Phänomen "Selfie" umgehen. (dpa/picture alliance/Maja Hitij)
    "Mein letztes Selfie war wirklich, wir haben 'ne kleinen preview gemacht mit Herrn Geisel, da haben wir ein Selfie gemacht."
    Thomas Geisel, der Oberbürgermeister von Düsseldorf.
    "Der erzählt, dass er immer mehr zum Selfie-Opfer wird, weil immer mehr Leute mit ihm Selfies machen wollen."
    Das kennt er auch selber gut: Alain Bieber, neuer Direktor des NRW-Forums Düsseldorf. Sein Konzept:
    "Edutainment. Auf der einen Seite so, gibt's dieses aufklärerische, aber auf der anderen Seite soll man sich aber trotzdem gut unterhalten fühlen."
    Na dann.
    Mann steht in einem T-Shirt, auf dem sein Gesicht mehrfach abgedruckt ist, vor einer Wand mit Selfies
    Der neue Leiter des NRW-Forums in Düsseldorf, Alain Bieber, in der Ausstellung "Ego Update" (Deutschlandradio/Veronika Bock)
    Doppelter Fake
    "Was mich interessiert in der Fotografie, ist die Authentizität in der Fotografie."
    Sagt ausgerechnet Andreas Schmidt. Künstler, einer, bei dem so ziemlich alles gleich doppelt gelogen ist.
    "Hoppla wieso steht da Gerhard Richter, wieso steht der in so einem seltsamen Umfeld, ich kenne das Gemälde, aber das Gemälde ist leicht seltsam."
    Leicht ist gut! Richter steht vor einer rot gekachelten Hauswand, rechts ein vergittertes Fenster, links eine Regenrinne, sein Bild hat er auf einen billigen blauen Plastikhocker gestellt.
    "Die Gemälde sind Reproduktionen von existierenden Gemälden."
    Die ein anderer als Andreas Schmidt in Auftrag gegeben hat. Der Fotograf Michael Wolf ist der eigentliche Urheber dieser Szenerie. Er hatte chinesische Künstler beauftragt die Originale zu fälschen, und diese Künstler dann mit ihren Fälschungen portraitiert. Real Fake Art hieß seine Arbeit.
    "Und ich hab die Original-Künstler, die ja eigentlich hinter den Arbeiten stehen, im Netz gefunden natürlich passend vom Lichteinfall auch und hab dann, ne chinesische Retuschierfirma offiziell beauftragt die Bilder zusammen zu bauen."
    Fertig war die doppelt gefakede Arbeit! Fake, Fake Art.
    "Für mich persönlich ist da natürlich ein großes Element Humor in der Geschichte noch drin, was ich in Kunst sehr zu schätzen weiß, also wenn ein Kunstwerk ein leichtes Schmunzeln hinterlässt, dann finde ich, dann hat man schon ein paar gute Pluspunkte erreicht."
    Na dann.
    Drei Milliarden Bilder von öffentlichen privaten Webcams gesammelt
    "I mean we take pictures like opening and closing a door. It is very normal, there is nothing special about it any more. It is there to share with other people instead to keep them. And that changed very drastically."
    Wir machen Bilder, wie wir Türen auf und zu machen, sagt Eric Kessels, nichts besonderes ist mehr an ihnen und dann wollen wir sie auch nicht behalten, sondern nur mit anderen teilen. Zeigt her eure Füße! Tausende Selfies hat er gesammelt. Füße in Schlappen, Sandalen und Wanderschuhen, frisch lackiert, arg lädiert. Bestrumpft, beschuht, nackt. Im Wald, am Strand, im Bett und in der Wanne.
    "Our perspective is also much more like this. Because we look at our telephone like this, not like this, but like this, down. And that is something strange, we grow in a different spezies as people that do these things."
    Füße, Boden, Handys, iPads, und demnächst Virtual-Reality-Brillen. Wir schauen nicht mehr in die Welt, sondern nach unten. Durch eine Linse, auf einen Bildschirm. Das macht uns zu einer neuen Spezies. Menschen, die sich rund um die Uhr filmen, mit Webcams.
    "Es gibt Leute, die haben die Kamera 24 Stunden am Tag an. Die steht irgendwo und..."
    Drei Milliarden Bilder von öffentlichen privaten Webcams hat Kurt Caviezel gesammelt. Über 15 Jahre lang, immer auf der Suche, nach dem User. Nach dem wirklichen Leben im weltweiten Web.
    "Es ist von einer grandiosen Authentizität. Die Kamera zeigt einfach das, was der Fall ist. Es wird nicht Theater gespielt, es ist nichts inszeniert, es ist der monströse Alltag eigentlich."
    Ein Nackter saugt staubt, ein Mann gähnt, eine Frau raucht eine Zigarette. Wir sind ganz weit weg und doch näher dran als je. Und sie sind wie wir.
    Prominente, die Selfies von sich selber machen. Eine Fotografin, die mit Doubles arbeitet und Angela Merkel und Hollande zusammen im Bett zeigt: mit Croissants und Laugenbrezeln.
    Süchtig nach Feedback
    Selfies von Affen gemacht. Menschen und ihre Avatare. Geknechtete Crowdworkers, die zu Menschen mit Gesichtern werden und uns den Mittelfinger zeigen. Wo stehen wir, wer werden wir? Ego update ist eine Standortbestimmung - zum einen. Zum anderen:
    "Update, weil es natürlich ein permanentes Updaten der Identität ist. Ne permanente Selbstoptimierung des Menschen. Kann man kritisch sehen, kann man aber auch positiv sehen, im Sinne von, wir haben die Freiheit und die Möglichkeiten uns so darzustellen wie wir wollen."
    Alain Bieber, der neue Direktor des NRW-Forums Düsseldorf im Update-Modus.
    "Auf der anderen Seite ist natürlich auch immer das Negative, im Sinne es ist schon fast eine Sucht geworden sich selbst dazustellen. Die klassischen Selfies sind ja immer, man teilt sich in den sozialen Netzwerken, man ist immer ein bisschen süchtig auf das direkte Feedback. Man will ja quasi "geliked" werden."
    Ja das will jeder, jede und jedes. Auch eine Ausstellung. Und diese lohnt sich.