Dienstag, 19. März 2024

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Ausstellung in Wien
Amy Winehouse, wie man sie nicht kennt

Sie war für ihre Bienenkorbfrisur, die kraftvolle Jazzstimme und Trinkfestigkeit bekannt: Amy Winehouse. Die Sängerin starb vor drei Jahren an einer Alkoholvergiftung. Das Jüdische Museum in Wien gibt in einer neuen Ausstellung private Einblicke in das Leben der Sängerin und ihrer Familie.

Von Peter Backof | 23.07.2014
    Amy Winehouse bei einem spanischen Festival im Juli 2008.
    Amy Winehouse gehört dem Club 27 an - berühmte Künstler, die mit 27 Jahren gestorben sind. (picture alliance / dpa / Kiko Huesca)
    "Rest in Peace, Amy"
    "PS: Nice Voice!"
    "Shalom from Paris!"
    "Die kritische Auseinandersetzung fehlt!" aber: "Wunderbare Ausstellung: Amy, we miss you!"
    So steht es auf kleinen selbstklebenden Post-It-Zettelchen auf einer riesigen Wand im Foyer.
    "Das wird ganz stark angenommen, wir hatten Hunderte, wenn nicht schon Tausende Post-Its. Die Leute hinterlassen Kommentare, wie ihnen die Ausstellung gefallen hat, aber einfach auch, was Amy Winehouse für sie bedeutet."
    Astrid Peterle, Kuratorin am Jüdischen Museum in Wien, ist etwa genauso alt wie Amy Winehouse heute wäre und selber Fan. In diesen Tagen trägt sie die Augen ähnlich geschminkt. Das Museum ist überlaufen: Schulklassen, Touristen aus aller Welt drängen sich durch die vier Kabinetträume.
    Fotos, Möbel, Kleider
    Stilikone? Legende? Als erstes überrascht, dass wir Amy selbst hier nur an zwei, drei vereinzelten Stationen mit Kopfhörern noch einmal erleben, musikalisch oder im Interview. Stattdessen sehen wir: ihre "Sachen": Fotos, Schallplatten, Möbel, Kleider. Nahezu alles im Original. Sehr drastisch: Wie eine Wohnungsauflösung wirkt das. Dinge, mit denen sie lebte, zur Verfügung gestellt von der Familie Winehouse. Sind das Reliquien?
    "Ich sage immer: Ich habe auch mit 19 Jahren Frank Sinatra gehört, aber ich bin auch beruhigt, dass sie so wie ich auch andere Musik gehört hat. Punk und Grunge. Also wenn wir in die CD-Sammlung schauen: Offspring, Pearl Jam."
    Eine Misch-CD, mit Eddingstift beschriftet und mit Blümchen verziert, das ist Amy mit 16, daneben eine persönliche Playlist von Louis Armstrong bis The Offspring, in Kinder-Schönschrift, von der Lehrerin konfisziert, Amy mit neun, sie entdeckte - wie wir alle mit neun - gerade die Popmusik. Und: Fotos, Hunderte von Fotos, Amy in jedem Lebensjahr und das in überdeutlicher Alltäglichkeit.
    Auch Geschichte einer jüdischen Familie
    "Mich erinnert das sehr an Fotos aus meiner Schulzeit, so Schul-Ski-Kurs, das sind so Fotos, eigentlich möchte man sie nicht unbedingt herzeigen, wir haben auch versucht, keine peinlichen auszuwählen, aber wir zeigen ein paar."
    Auf manchem Schnappschuss von Amy mit Freundinnen ist auch mal ein Auge rot, wegen schlechter Belichtung. Es wird sehr privat. Und es schimmert durch, dass die Familie Winehouse mit dieser Ausstellung für sich immer noch Trauerarbeit leistet.
    "Interessanterweise haben dann doch viele Fans, glaub ich, erst bei ihren Begräbnis gemerkt, dass sie Jüdin ist."
    Die Ausstellung ist auch als Geschichte einer jüdischen Familie inszeniert, deren Stammbaum bis ins 19. Jahrhunderts zurückreicht, als der Ururgroßvater vor Pogromen in Weißrussland nach London geflohen war. Besonders gläubig sei Amy Winehouse nie gewesen, sagt Astrid Peterle. Aber das Familienleben, das gemeinsame Kochen immer freitags sei schon eine Art Anker gewesen. Oder der Besuch bei der Oma, bei der sie als Grundschulkind schon Jazz hörte.
    Ausstellung zur Selbsthilfe
    Was meinte dieser eine Kommentar: "Eine kritische Auseinandersetzung fehlt"? Amy Winehouse ist natürlich auch ein Star des Internetzeitalters. Das Netz quillt über vor Paparazzi-Videos. Wie sie etwa mit Saufkumpan Pete Doherty durch das Partyviertel Camden taumelt. Kein chronologisches Dossier vom Aufstieg und Verfall eines musikalischen Wunderkinds, waren die Ausstellungsmacher der Ansicht, das zu zeigen, könne man sich sparen. Was bleibt von Amy?
    "In unserem letzten Ausstellungsraum verweisen wir darauf. Und zwar versucht die Familie, jungen Leuten zu helfen, die genau an denselben Problemen leiden, an denen auch ihre Tochter gelitten hat: Alkoholsucht, Drogensucht, Selbstverletzung.
    Und das muss man schon sehr selbstlos nennen: Die Familie überweist den überwiegenden Teil der Tantiemen, die Amys Tonträger weiterhin einspielen, in diese Amy-Winehouse-Stiftung.
    Die Ausstellung "Amy Winehouse: Ein Familienporträt" ist noch bis zum 20. August im Jüdischen Museum Wien zu sehen.