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Ausstellung in Zürich
Osiris-Kult und Unterwasser-Maloche

Die Ausstellung "Osiris - Das versunkene Geheimnis Ägyptens" in Zürich zeigt Funde, die aus den vom Meer überschwemmten antiken Städten bei Alexandria geborgen wurden. Viele der Artefakte stellen den Osiris-Mythos dar. Heraufgeholt hat sie der französische Archäologe Franck Goddio - ein Unterwasser-Spezialist.

Von Christian Gampert | 10.02.2017
    Der französische Unterwasser-Archäologe Franck Goddio bei einem Vortrag in Alexandria/ Ägypten
    Der französische Unterwasser-Archäologe Franck Goddio bei einem Vortrag in Alexandria/ Ägypten (Imago)
    "Das versunkene Geheimnis Ägyptens" ist insofern ein treffender Titel, als die Ausstellung ja unter Tage stattfindet – das gesamte Museum Rietberg ist unterirdisch angelegt, eine Unterkellerung der Wesendonk-Villa und des Rieterparks. Schon rein logistisch ist es eine Herausforderung, riesige ägyptische Steinblöcke ins Souterrain zu schaffen – drei imperiale, fünf Meter hohe Statuen, ein Herrscherpaar und Hapi, der Gott des Nils und der Fruchtbarkeit, begrüßen uns deshalb bereits draußen im Park, ummantelt von Glashäusern.
    Man steigt nun hinab in eine Art Grabkammer, sakral beleuchtet, wo Schrift-Stelen, Monumente, ungeheuer kunstvoll gearbeitete Figuren auf uns warten. Osiris ist eine der Gründergottheiten des alten Ägypten, der bis in die römische Zeit verehrt wurde.
    Albert Lutz, der Direktor des Museums Rietberg:
    "Was so wichtig ist in dieser Ausstellung, ist dieser Osiris-Kult, wo man Figuren aus verschiedenen Materialien gemacht hat, jedes Jahr während zwei Wochen große Mysterienspiele veranstaltet hat, die eben stattgefunden haben in diesen beiden versunkenen Städten."
    Die Wiederauferstehung des Osiris
    Die Städte Thonis, von Herodot Herakleion genannt, und Kanopus liegen heute in acht Metern Tiefe unter dem Meeresspiegel. Die dort in spätägyptischer Zeit beliebten Mysterien feiern im Wesentlichen eine Vorwegnahme des Christentums, das Wunder der Auferstehung. Osiris, Sohn der Erde und des Himmels, wurde der Sage nach von seinem Bruder Seth getötet und zerstückelt, von seiner Schwester und Geliebten Isis aber wieder zusammengesetzt, wiederbelebt und gleich auch begattet, sodass der Sohn Horus gezeugt wurde. Isis erfand bei der Gelegenheit die Technik der Mumifizierung; Horus wurde der erste Pharao, Osiris wachte über das Reich der Toten.
    Dieser Mythos ist in zahlreichen Artefakten und Kultgegenständen überliefert, von denen die meisten unter Wasser gefunden wurden. Der verschlammte Boden des westlichen Nildeltas, der früher bebaut war und heute die Meeresbucht von Abukir bildet, ist im achten nachchristlichen Jahrhundert durch ein Erd- und Seebeben stark abgesunken. Der französischer Archäologe Franck Goddio hat nach antiken Texten die ungefähre Lage der antiken Stätten bestimmt, mit Infrarotaufnahmen präzisiert und dann in zahlreichen Tauchgängen die Konturen der alten Orte freigelegt – mit vielen Schwierigkeiten, wie Albert Lutz sagt:
    "Einerseits ist das Meer dort sehr verschmutzt, das ist ein Industriegebiet im Hinterland, das hat mir der Archäologe Franck Goddio so erzählt. Also manchmal sieht man nicht mal die Hand. Je nachdem, wo man ist, wenn man die Hand ausstreckt, sieht man sie nicht, so düster ist es in diesem Meer. Diese alten Städte liegen da nicht, dass man sie anschauen kann. Man muss zuerst eine ganz dicke, manchmal meterdicke Schlammschicht entfernen und erst unten dran verbergen sich diese alten Mauern von Tempeln."
    Einblick in die mühevolle Arbeit der Unterwasser-Archäologen
    Die Ausstellung gibt in einigen Video-Installationen Einblicke, wie mühevoll und gefährlich diese Arbeit im kalten Wasser ist. Obwohl die Stadtanlagen und Artefakte nur sechs bis zehn Meter unter dem Meeresspiegel liegen, ist es wirklich eine Mischung aus Hightech-Einsatz und ganz körperlicher Maloche, in der stark verschmutzten Bucht die versandeten Artefakte freizulegen und aufs Schiff zu hieven. Kernspinresonanz-Magnetometer - so heißt das Gerät, das die unter Schlamm und Sedimenten verborgenen Schätze aufspürt.
    In Zürich aber befindet sich der Zuschauer in sakralen Räumen, im Tempelbezirk, zu dem im alten Ägypten nur die Pharaonen Zutritt hatten. In vielen Figuren und Riten spiegelt sich der Zyklus von Werden und Vergehen, Gebären und Sterben und Auferstehen, von Überflutung der Felder und der Bitte nach fruchttragenden Böden. Ein von Franck Goddio entdecktes zehn Meter langes Kult-Schiff ruht noch am Meeresgrund und ist im Originalmaßstab als Videoprojektion zu sehen. Mit ihm wurden wahrscheinlich die Priester durch einen Kanal gefahren.
    Betörend die Skulpturen, die schon griechischen Einfluss verraten, imposant die zweieinhalb Tonnen schwere Bronze des Apis-Stiers, der den auferstandenen Osiris verkörpert. Man staunt über die Kunstfertigkeit der spätägyptischen Epoche – und entdeckt so viele Kongruenzen: Kain und Abel, Seth und Osiris. Und die kleinen, 60 Zentimeter langen Votiv-Barken, die die Osiris-Prozessionen auf dem Wasser begleiteten, ähneln entfernt den Papierschiffchen, die wir als Kinder in die Bäche setzten.