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Ausstellung "Kontrast Syrien"
Bilder aus einer untergegangenen Welt

Das Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum zeigt Bilder des syrischen Fotografen Mohamad Al Roumi. Die Aufnahmen aus den 1990er-Jahren zeigen ein Mosaik der friedlich miteinander lebenden Kulturen und Völker in Nordost-Syrien.

Von Simone Reber | 29.07.2016
    Besucher gehen am 28.07.2016 im Pergamonmuseum in Berlin an Bildern des syrischen Fotokünstlers Mohamad Al Roumi vorbei. Der Fotokünstler zeigt in einer Ausstellung abseits von Zerstörung, Leid und Tod die intakte nordost-syrische Provinz der 90er Jahre unter dem Motto: "Kontrast Syrien".
    Besucher der Ausstellung "Kontrast Syrien" am 28.7.2016 im Pergamonmuseum Berlin (picture alliance / dpa / Wolfgang Kukmm)
    Seine Ausstellung über Syrien wollte Mohamad Al Roumi mit fröhlichen Bildern beginnen, auch wenn sie von einer untergehenden Welt erzählen. Stolz präsentieren Frauen einen gestreiften Teppich, den sie selbst gewebt haben. Der Eingang eines Hauses ist zartgrün mit zwei Pfauen verziert. Die prächtigen Vögel symbolisieren eigentlich den Engel der Jesiden, aber als Ornament überschreitet der Pfau die Bildkulturen. In den 90er-Jahren hat der Fotograf Mohamad Al Roumi das traditionelle Leben im Norden Mesopotamiens festgehalten. Der heute 71-Jährige verbrachte seine Kindheit in der Gegend um Tell Abiad an der Grenze zur Türkei. Hier, sagt er, setzt sich die Gesellschaft aus einem Mosaik der Kulturen zusammen. Kurden, Jesiden, Turkmenen, Tscherkessen, Armenier.
    "In dieser Region, die nur wenig bekannt ist und sich zur Zeit in den Händen der Fundamentalisten befindet, sind die Leute eigentlich extrem friedlich. Das ist eine sehr vielschichtige Kultur, die seit langer Zeit existiert. Ich bin stolz, aus dieser Gegend zu stammen. Hier hat die Menschheit mit dem Ackerbau begonnen. An den Ufern des Euphrat haben die Archäologen das erste Haus der Menschheit gefunden."

    Sehnsuchtslandschaft zwischen Ackerbau und Steppe

    In der quellenreichen Gegend wird Weizen angebaut. Ein Foto zeigt das frische Grün der Felder. Wo das Wasser nicht mehr hingelangt, beginnt die Steppe, grau vom Kalkgeröll. Für Mohamad Al Roumi die Sehnsuchtslandschaft seiner Kindheit. Der Horizont, schwärmt der Künstler, sei unglaublich. Er fotografiert die Tätowierungen der Beduinenfrauen und ihre farbenfrohe Tracht. Die bunten Muster der Kleider überstrahlen den grauen Hintergrund. Er porträtiert die Kinder in seinem Heimatdorf, die scharf geschnittenen Gesichter der Männer, die seinem Vater ähneln.
    "Meine Vater war ungebildet, fast ein Nomade. Aber er hat mich meine Einstellung zum Leben gelehrt. Er hat mich immer gefragt, ob ich glücklich sei. Er war sehr stolz. Er hat mir beigebracht, von Tag zu Tag zu leben. Deshalb bin ich in die Steppe gegangen, um nach den Wurzeln meines Vaters zu suchen."
    Al Roumis Vater war als Händler Mittelsmann zwischen den Nomaden und den Bauern. Von ihm, sagt der Fotograf, habe er die Hochachtung vor dem traditionellen Handwerk gelernt. In einem Hof sind lange schwarze Bahnen von gewebtem Ziegenhaar ausgebreitet, wie sie die Beduinen für ihre Zelte verwenden.
    "Natürlich speichert die schwarze Farbe die Wärme. Aber bei Regen dehnt sich das Haar aus und dichtet ab. Wenn es warm wird, zieht es sich zusammen und läßt die Luft hindurch."

    Beschädigtes Erbe

    Mohamad Al Roumis dichte Bilder sind angefüllt mit den Erinnerungen an die Gerüche, die Farben und den gleichmäßigen Rhythmus der Kindheit. Um Geld zu verdienen, hat der Fotograf später viele Jahre auf den antiken Grabungsstätten gearbeitet. In den Fotos seiner Heimat verknüpft er das Mesopotamien der Neuzeit mit der jahrtausendealten Kultur. Jetzt macht die konzentrierte Ausstellung im Museum für Islamische Kunst deutlich, welcher Reichtum in Syrien gerade zerstört wird. Ein Bild hat Mohamad Al Roumi nicht an einem Ort seiner Kindheit aufgenommen, sondern in dem Städtchen Kafr Nabl, das berühmt wurde für seinen Widerstand gegen die Kriegsparteien.
    "In diesem kleinen Ort bei Aleppo haben sie jeden Tag ihre Botschaften gezeigt. Wenn man im internet Kafr Nabl eingibt, findet man die Plakate. Es sind nicht nur Sprüche, sondern auch Bilder. Vor fünf Jahren haben wir diese Werke in Paris ausgestellt. Das ist eine visuelle Sprache."
    Bei der jüngsten Aktion aus Kafr Nabl halten Kinder Zeichnungen von Monstern aus dem Computerspiel Pokemon Go hoch. Darunter steht: "Ich lebe in Kafr Nabl, rettet mich". Kultur, sagt Mohamad Al Roumi ist die einzige Waffe gegen den Fundamentalismus, Krieg schürt nur den Hass. In Paris engagiert er sich für "Caravanne culturelle syrienne", einen Zusammenschluß syrischer Künstler.
    "Das materielle Erbe ist sehr beschädigt. In Städten wie Aleppo oder Homs ist viel zerstört. Aber am meisten gefährdet ist das menschliche Erbe, das Zusammenleben, das Miteinander. Bei der Kulturkarawane ist das ganze syrische Spektrum vertreten, Kurden, Tscherkessen, Araber - und wir kämpfen dafür, dass wir zusammenbleiben. Das ist ein Kampf. Es kann sein, dass wir ihn verlieren, es kann sein, dass wir ihn gewinnen."