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Ausstellung
Rom als Vorbild

Das Rheinische Landesmuseum Trier zeigt in einer neuen Ausstellung Zeugnisse des römischen Stadtlebens in Deutschland. Trier ist als ehemals antike Metropole ein Schwerpunkt der Schau. Die Macher schlagen in der Ausstellung auch eine Brücke zur Gegenwart.

Von Barbara Weber | 13.03.2014
    "Wir stehen jetzt in den Kaiserthermen. Die Kaiserthermen sind ein Bau, der vor allem in der Spätantike vorangetrieben wurde",
    sagt Professor Christoph Schäfer, Althistoriker an der Universität Trier.
    "Man muss dazu sagen, sie sind leider nie fertig geworden und in Vollbetrieb gegangen, aber wenn man sich die riesige Anlage anschaut mit einem immer noch deutlich sichtbaren Gebäuderest im vorderen Bereich und den ganzen Gängen, den Mauerresten, den verschiedenen Abteilungen: Kaltbad, Warmbad, Schwitzbad, dann einer großen Freifläche, auf der man sportliche Übungen treiben konnte, entsprechende Räumlichkeiten für Massagen usw. und unterirdische Gänge, durch die dann das Personal auch für Befeuerung, für die Pflege, für die ganze Versorgung sorgen konnte und über das natürlich auch die Abwässer abgeleitet worden sind."
    Antike Weltstadt
    Der Monumentalbau, errichtet von Konstantin dem Großen, zählt neben der Konstantinbasilika zu den imposanten Zeugnissen der antiken Weltstadt. Das römische Trier erlangte zwischen dem späten 3. und ausgehenden 4. Jahrhundert den Status einer antiken Metropole, der Stein gewordene "Traum von Rom" oder anders ausgedrückt "Schöner Wohnen an der Mosel". Wie es sich wohnte in dieser antiken Weltstadt, das zeigt eine Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum:
    "Die Ausstellung ist so aufgebaut: Wir gehen vom öffentlichen Raum in den privaten",
    sagt der Archäologe Dr. Marcus Reuter, der Direktor des Museums,
    "und wir starten jetzt quasi mit einem Gang auf das Forum, auf das Herz einer römischen Stadt: Da war nicht nur der Marktplatz, da waren aber auch die Ehrenstatuen für die wichtigen Bürger aufgestellt für die Prominenz, auf dem Forum wurde auch Recht gesprochen, da war eine große Basilika, und Sie sehen auch hier dann die Ehrenstatuen."
    So wie zum Beispiel den Herrn, der die Besucher vis à vis der Tür empfängt:
    "Ein sogenannter Virtogatus, ein Mann mit Toga, der berühmten römischen Kleidung, Asterixleser kennen das."
    Die auch vor 2000 Jahren von den Bürgern der Stadt Trier getragen wurde:
    "Trier als größte römische Stadt nördlich der Alpen war natürlich ein ganz großes Zentrum mit besonders vielen Einwohnern, man rechnet 80.000 bis 100.000 Einwohner in der Spätantike. Und wir haben eine ganze Reihe von schönen Köpfen ausgewählt, die hier an den Wänden positioniert sind. Sie sehen da Männer, Frauen, Kinder."
    Also eine Skulpturensammlung antiker Bewohner Triers: Senatoren, Soldaten, Freigelassene und Sklaven.
    "Und ein Stück ist ganz besonders interessant, da können wir mal hingehen. Man glaubt es nämlich nicht, wenn man es nicht persönlich sieht. Wenn Sie von hier schauen: Dieser Mann hat eine Hasenscharte. Es ist, glaube ich, die älteste und einzige Darstellung eines Menschen mit Hasenscharte aus der Antike. Man sieht, man hat da offenbar reelle Vorbilder von Menschen gehabt, die mal hier gelebt haben."
    Zentren für Handwerk und Handel
    "Viele dieser Köpfe stammen von den Grabdenkmälern",
    ergänzt die Leiterin der Sammlung Dr. Sabine Faust, die mit dem Archäologen Dr. Georg Breitner die Ausstellung vorbereitet hat.
    "Da sind an den Nebenseiten dann alle die Menschen dargestellt, die zum Haushalt gehören. Also der Mensch mit Hasenscharte muss ein armer Kerl gewesen sein aber war in der Dienerschaft eines Hauses so geehrt, dass er mit auf dem Grabmal dargestellt worden ist."
    Breitner: "Ja, und hier sehen Sie einen mit Halbglatze, das ist ja auch nicht das antike Ideal, aber man hat die Leute wirklich so dargestellt, wie sie waren."
    Faust: "Unter den Frauen findet sich auch eine Amme. Das ist sicher auch eine angesehene Frau im Haushalt, aber auch eine Dienerin oder Sklavin."
    Antike römische Städte sind die Zentren für Handwerk und Handel im Gegensatz zum Land, das ja bis ins 19. Jahrhundert stark agrarisch geprägt war. Wie die Ware an die Käufer gebracht wurde, zeigt in der Ausstellung eine Ladenstraße, links und rechts gesäumt von Kolonnaden mit kleinen Läden.
    "Mit verschiedenen Waren, die den Fernhandel belegen. Sie sehen aber auch links in den Reliefs wunderschöne Darstellungen von Handelskontorszenen. Berge von Geld liegen da auf dem Tisch, Geldsäckchen oder ein ganzer Korb, gefüllt mit Münzen, und einer der Herren auf dem Relief prüft eine Münze, antike Comics."
    Faust: "Hier gibt es verschiedene Läden, in denen Produkte sind, die von weit her nach Trier gebracht worden sind, weil auch der Trierer den Anspruch hatte, den Luxus, den ein Römer hatte, hier zu bekommen."
    Wie zum Beispiel filigrane Gläser, die der erste Laden offeriert:
    "Sigilaten, Dinge, die damals nicht hier hergestellt werden konnten, sondern aus Italien, aus Südfrankreich hierhin kamen, aus anderen Herren Länder, also aus Afrika Zimt und Pfeffer aus Indien, Austern, die vom Mittelmeer so schnell hierhin gebracht werden konnten, dass man sich nicht daran vergiftet hat. Wenn wir dann zum nächsten gehen, dann ist das ein Laden, der nicht Dinge anbietet, die von weit her gebracht werden, sondern einheimische Erzeugnisse. Der absolute Verkaufsschlager im 3. und 4. Jahrhundert ist die Spruchbecherkeramik, also die Weinkeramik aus Trier, die bis Rumänien verhandelt worden ist, da ist ein ganzes Regal mit diesen Produkten gezeigt, dann gehen wir in den nächsten Laden."
    Elfenbein und Datteln aus Afrika, Amphoren aus Ägypten, Tücher aus der näheren Umgebung und Werkzeuge wie Scheren, Nadeln und Webgewichte, die notwendig sind, um Gewänder herzustellen - all diese Objekte waren im antiken Trier begehrt und erhältlich.
    Breitner: "Nachdem man in der Straße war, betritt man nun das private Leben in der Ausstellung."
    Unmenge an erstklassigen Werken
    Faust: "Hier sehen Sie vor allem Wandmalereien, zum Teil aus Trier, der andere Teil ist aus Baden Württemberg. Wandmalerei ist immer wesentlich größer, als man sie sich vorstellt, also wir gehen immer von unseren Raumhöhen aus, hören, die Römer haben hohe Räume gehabt, denken, das ist dann noch so ein Meter mehr, aber so sieben, acht Meter sind da nichts Besonderes. Das Bedeutende sind diese aus einem Haus in Trier stammenden weißtonigen Wandmalereien mit sehr schönem Dekor, da oben, das ist Herkules, der gegen die Hydra kämpft, darunter ein Kandelaber mit Tieren drauf. Ja, hier steht Apollo vor uns. Das sind wunderschöne Malereien, die wir normalerweise auch nicht zeigen können. Die Wandmalerei hier, das erklärt am besten mein Kollege Dr. Breitner, der hat die nämlich ausgegraben."
    Breitner: "Ja, das ist das Schöne bei so Sonderausstellungen, man hat dann auch die Möglichkeiten, aktuelle Funde miteinzubringen. Wir haben ja in Trier eine Unmenge an erstklassigen Werken aus allen Bereichen der Kunst, Malerei, Skulpturen, und in den immer wieder stattfindenden Grabungen im Stadtgebiet von Trier kam 2006 ein ganzes Wohnviertel heraus, heute steht da eine große Einkaufsgalerie auf dem Gelände, und in diesem antiken Wohnviertel konnten über 60 Quadratmeter römische Wandmalerei geborgen werden."
    Zum Teil in erstklassiger Qualität, wie das Beispiel der Wandmalerei eines römischen Hauses zeigt, dass vom ersten Jahrhundert bis in die Spätantike in das vierten Jahrhundert genutzt wurde. Aber wie erklärt sich der gute Erhaltungszustand?
    "Als man sich entschlossen hat, eine bestimmte Räumlichkeit aufzugeben, dann hat man sie letztlich zugeschüttet bis zu einer gewissen Höhe und hat dann quasi die Wand mit der Wandmalerei zugeschüttet und darauf ein neues Haus gebaut. Und damit ist das Wohnzimmer mit der Wandmalerei erhalten geblieben. Und das ist unser Glück, wir graben sozusagen immer in die besenrein verlassenen Häuser, die mit Bauschutt verfüllt wurden und können uns dann die Wandmalereien anschauen."
    Pracht nicht nur für die Oberschicht
    Selbst kleine städtische Siedlungen verfügen über eine hohe Bau- und Ausstattungsqualität, wie der Kooperationspartner Baden-Württemberg mit einigen Beispielen zeigt. Das gilt auch für die verlegten Mosaikfußböden. Einige Mosaiken präsentiert die Sonderausstellung, wobei ein Gang durch die Dauerausstellung lohnt, verfügt das Rheinische Landesmuseum Trier doch über die größte Sammlung nördlich der Alpen.
    Breitner: "Wenn man das so sieht - wie monumental selbst die Ausstattung von privaten Häusern war, wie prachtvoll, welche großflächigen Dekorationsformen dort angebracht waren", ist man erstaunt, dass sich soviel Pracht - im Vergleich zu anderen römischen Städten - nicht nur die Oberschicht leisten konnte.
    Reuter: "Das ist das Schöne, da sind wir auch stolz drauf in Trier: Das sieht ein bisschen anders aus als in Köln, also die Struktur der Häuser in Köln ist ähnlich, aber man muss tatsächlich festhalten, wir haben in Trier so ein Wechsel: Ab dem späten ersten Jahrhundert wird fast nur noch in Stein gebaut, die Innenwände dann durchaus mal in Fachwerk, man nennt das heute Rigips, und wenn man nach den Ausgrabungsbefunden geht und auch nach den Ausstattungsstücken, sind das mehrstöckige Wohnhäuser, die durchaus eine Firsthöhe von 15 bis 30 Meter haben können, die mehrfach gestaffelt sind innerhalb einer Insula, also innerhalb eines Wohnviertels, und das in dem gesamtstädtischen Vergleich zu sehen, was das für prachtvolle Gebäude sind, dann ist das keine Seltenheit."
    Am Ende der Ausstellung stehen die Besucher - vielleicht etwas ratlos - vor einem großen Kalkberg, aus dem einzelne Marmorarme und Beine, Fragmente von Skulpturen und Inschriften herausschauen.
    Faust: "Für den Schluss haben wir gedacht, da müssen wir noch einen Höhepunkt bringen. Und hier haben wir ein Thema, das gar nicht so gut darzustellen ist, der Untergang, das Ende des Römischen Reiches und der Umgang mit den Hinterlassenschaften."
    Breitner: "Ja, das zeichnet diesen Raum aus. Wenn man vorher von der römischen Pracht vieler Bildwerke spricht, und plötzlich wird der Besucher konfrontiert mit einem Müllhaufen oder einem gigantischen Kalkberg, dieses Thema darzustellen, warum haben wir denn plötzlich nur noch Fragmente von ehemals Meisterwerken? Und warum haben wir nur noch Füße, Arme, Hände, vielleicht mal so ein Bein, ein Stück Fragment?"
    Wiederbelebungen römischer Wohnhäuser
    Die Erklärung ist ernüchternd:
    Faust: "In Trier endet das Römische Reich irgendwann im 5. Jahrhundert, und dann stehen hier natürlich noch immer eine ganze Menge Dinge aus Marmor, aus Bronze, aus anderen schönen Steinen, die nicht mehr gewertschätzt werden. Also die Christen machen alles kaputt, was nackt ist und was heidnisch aussieht. Aber auch Dinge, die relativ unverfänglich sind, werden einfach zerstört. Alle möglichen Dinge aus Marmor sind zerschlagen worden, um das daraus zu machen, aus was es besteht, nämlich Kalk daraus zu brennen. Mit Kalk kann man Häuser weiß streichen."
    Doch nicht alle neuen Bewohner agieren so barbarisch:
    Breitner: "Wir haben in Trier auch verzweifelte Versuche, das fortzusetzen. Es gibt so einige Wiederbelebungen römischer Wohnhäuser auch durch Franken, und da sieht man richtig, dass das Know-how eigentlich fehlt. Da wurden Mosaike dann geflickt, das sieht ganz katastrophal aus, und die Heizungen, die waren vollkommen verrußt. Also man hat es offensichtlich versucht, es auch weiterhin zu bestücken, hat sie dann zugefüllt, hat eine einfache Stollenheizung eingefügt, die hat auch nicht funktioniert. Man hat die Räume verkleinert. Man hat in die Steinhäuser Hütten reingesetzt. Es fehlte die soziale Infrastruktur, es fehlte die Verwaltungsstruktur, es fehlte auch das Know-how für die Instandhaltung der Infrastruktur, sodass letztendlich dieses ganze städtische Gefüge, das letztendlich aus diesen ganzen Komponenten auch am Leben gehalten werden konnte, nicht mehr vorhanden war und die Stadt zunehmend verödete."
    Brückenschlag in heutige Zeit
    Die städtische Lebensqualität und der hohe Standard der Römer konnten erst im späten 19. frühen 20. Jahrhundert wieder erreicht werden.
    Da endet auch die Ausstellung:
    Reuter: "Die Ausstellung beginnt mit einem Ausrufezeichen, nämlich diesem gigantischen Modell des Kolosseums in Rom. Wir tauchen dann ein in die Welt der römischen Städte und Provinzen, und ganz zum Schluss im letzten Raum schlagen wir wieder die Brücke zu Rom, aber wir schlagen nicht nur die Brücke zu Rom. Wir schlagen auch die Brücke zur Gegenwart, und da hat unsere Ausstellungsgestalterin eine pfiffige Idee gehabt. Was das genau ist, verraten wir noch nicht, kleine Überraschung für den Besucher, aber es ist ein wunderbarer Ausstieg und ein wunderbarer Brückenschlag in unsere heutige Zeit."
    Rheinisches Landesmuseum Trier und Landesmuseum Württemberg (Hrsg.): Ein Traum von Rom - Stadtleben im römischen Deutschland, Theiss Verlag, 2014